Text: Cornelia Dörries
Köln ist für vieles berühmt – den Dom, das Kölsch, den Karneval – aber nicht für seine Architektur. Ausgerechnet die Stadtentwässerungsbetriebe machen sich jetzt um eine gestalterische Aufwertung im städtischen Weichbild verdient. Die ungewöhnliche Verbindung von Abwasserwirtschaft und Baukunst erhielt ihren Anstoß durch die Lage am breiten Strom des Rheins. Köln gehört zu den am stärksten von Überflutungen bedrohten Großstädten in Europa und sah sich nach den Jahrhundert-Überschwemmungen von 1993 und 1995 gezwungen, ein grundlegend verbessertes Hochwasserschutzkonzept aufzulegen. Schon 1996 verabschiedete der Rat einen Maßnahmenkatalog, zu dem neben Hochwasserabwehr auch neue bauliche Schutzeinrichtungen, ein modernes Hochwassermanagement und Renaturierungsstrategien für versiegelte und begradigte Flussauen gehörten. Dafür stellte die Stadt 430 Millionen Euro zur Verfügung. Binnen weniger Jahre entstanden neue Dämmanlagen, Wälle und Deiche entlang des Rheinlaufs; es wurden notwendige Logistikeinrichtungen wie Lagerhallen geschaffen und große Teile der Kanalisation auf den technisch neuesten Stand gebracht. Außerdem beschloss die Stadt, die für den Hochwasserschutz besonders bedeutsamen Pumpwerke, von denen es in Köln damals insgesamt 24 gab, um sieben neue Anlagen zu ergänzen und den Altbestand den erhöhten Leistungsanforderungen entsprechend zu ertüchtigen.
Vor allem kam ein Glücksfall namens Hubertus Oelmann ins Spiel. Er war vordem 16 Jahre lang Kölns Beigeordneter für Tiefbau und Verkehr und leitete dann von 2001 bis 2006 die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB). Er ist maßgeblich für die in Deutschland einzigartige baukulturelle Strategie einer pragmatischen Hochwasserschutzmaßnahme verantwortlich. Oelmann, auch privat ein Architekturkenner und -liebhaber, wollte die fälligen Bauten nicht zu geringstmöglichen Kosten realisieren, sondern beteiligte namhafte Architekturbüros. Mit guter Begründung: Technische Bauten würden von der Bevölkerung eher akzeptiert, wenn ihre Gestaltung der prominenten Rhein-Lage angemessen sei – und ein kommunaler Bauherr trage eben nicht nur für vernünftige Bilanzen, sondern auch für das Bild der Stadt Verantwortung.
Während die ersten drei Projekte (Nr. 1, Nr. 4, Nr. 5) im Jahr 2003 noch direkt an Kölner Büros vergeben wurden, fanden für die vier weiteren Bauvorhaben wettbewerbsähnliche Gutachterverfahren statt. Die Vorgaben klangen so poetisch wie bei Museumsarchitektur: Es sollte „eine Perlenkette prägnanter Pumpwerke entlang des Kölner Rheinufers“ entstehen. Ihre oberirdische Strukturen waren aus dem jeweiligen landschaftlichen oder städtischen Kontext zu entwickeln und sollten zugleich strengen wirtschaftlichen und betriebstechnischen Auflagen genügen. Das betraf nur einen kleinen Teil der Investitionen – den größten Teil der insgesamt gewaltigen Anlagen bilden unterirdische Pumphallen, die naturgemäß einen nur geringen Gestaltungsbedarf mit sich bringen. Das Bauprogramm wurde nach Oelmanns Pensionierung von seinem Nachfolger Otto Schaaf konsequent weitergeführt und fand mit der Einweihung der jüngsten „Perle“ im November 2013 seinen Abschluss.
1. Deichkrönung
Ist es in der griechischen Mythologie der Fluss Styx, der das Reich der Lebenden von jenem der Toten trennt, verschmelzen in der am Rhein gelegenen Pumpanlage Werthweg Ober- und Unterwelt zu einer Einheit. Die Architekten standen vor der Herausforderung, den funktionalen Zusammenhängen der Hoch- und Mischwasserpumpanlage eine gestalterische Dimension ins Oberirdische zu geben. Dem sichtbaren Bereich haben sie deshalb den Charakter eines Pavillons verliehen. Er führt den Grundriss weiter, der sich aus den Tiefen des Bodens entwickelt. Statt, wie zunächst vorgesehen, ein separates Gebäude für die Sozialräume zu errichten, ergänzten die Architekten den Baukörper um ein Obergeschoss, das der Anlage Ausrichtung und Charakter verleiht. Die Materialien stammen vor allem aus der regionalen Bautradition – Gabionen mit Grauwackefüllung, Holzverkleidungen aus Lärchenholz und die extensive Dachbegrünung. Sie sorgen für eine harmonische Einfügung in die Rheinauenlandschaft.
Architektur: Lepel & Lepel, Köln, Inbetriebnahme: 2007
2. Zauberkasten über dem Rhein
Man reibt sich die Augen: Ein Kunstpavillon mitten im idyllischen Grün des Kölner Nordens? Ein ambitionierter Bungalow auf der Deichkrone? Nein, es handelt sich bei dem kantigen Quader mit dem oszillierenden Fassadenkleid um das Pumpwerk Kuhlenweg. Es hat einen Altbau von 1963 mehr als ersetzt, der eine Pumpleistung von 3.500 Litern pro Sekunde hatte. Das neue Werk schafft 5.000 Liter – und ihm kommt dank seiner Architektur der Rang einer Landmarke zu. Dabei spielt sich das Gebäude weder mit greller Gestaltung in den Vordergrund noch stellt es seine beeindruckende Technik zur Schau. Seine Präsenz gewinnt der zurückhaltend in das Naturschutzgebiet eingebettete Baukörper durch eine Verkleidung aus farbig bedruckten Aluminiumprofilen, die vertikal in einem Winkel von 45 Grad um den Betonbau angeordnet sind. Je nach Blickrichtung zeigen sie ein überdimensionales Seerosenmotiv oder verwandeln sich in eine monochrome, diffus transluzente Hülle in Orange. Irgendwie ist der Bau ja doch ein Kunstpavillon. Mitten im idyllischen Grün des Kölner Nordens.
Architektur: Ute Piroeth, Köln
Künstlerisches Konzept: Wolfgang Rüppel
Inbetriebnahme: 2013
3. Regenwasserplastik
Aus der konkav geformten Basaltsteinwand rieselt das Wasser herab. Die permanente Befeuchtung mit gereinigtem Regenwasser soll sie zu einer moosigen, weichen Fläche werden lassen, die mannigfaltigen Pflanzenarten Lebensraum bietet. Die wichtigste Aufgabe der Pumpanlage St.-Leonardus-Straße in Köln-Niehl erschließt sich dem Betrachter dadurch auf geradezu sinnliche Weise: Das Bauwerk stellt die Aufbereitung und Wiedereinführung des Wassers in den Kreislauf der Natur im direkten Sinne des Wortes zur Schau. Das Zusammenspiel von Pumpanlage, Klärbecken und Technikgebäude haben die Planer zu einer komplexen Anlage montiert: nach vorn mit der Basaltwand, die den Prozess der Regenwasserreinigung als Teil eines ökologisches Zusammenhangs veranschaulicht; nach hinten hin eingezäunt in einen Kokon aus Streckmetall, der die technischen Bauteile erkennen lässt. So ergibt sich eine Plastik mit einer steinernen und einer metallenen Seite, die Natur und Technik in einen sinnlich erfahrbaren Zusammenhang setzt.
Architektur: ASTOC Architects and Planners, Köln, Inbetriebnahme: 2011
4. Gläserner Pavillon
Die 2003 in Auftrag gegebene Pumpanlage Bremerhavener Straße war die erste ihrer Art und somit aus architektonischer Sicht Neuland. Die technischen Anforderungen waren komplex, der Austausch mit den Ingenieuren war für die Architekten herausfordernd. Trotz dieser hohen Hürden sollte die Anlage für den Betrachter Technik und Ästhetik vereinen. Der Standort markiert die Schnittstelle von Industrie- und Wohngebiet. Die weitgehend unter der Erdoberfläche liegenden Abwasseranlagen sollten durch eine transluzente Verglasung des oberirdischen Bauteils sichtbar gemacht werden. Die Planer entwickelten zwei wie Skulpturen wirkende, streng geometrisch geformte Baukörper: eine transparent anmutende Pumpanlage als veredelte Spitze des unter der Erde gelegenen Bauwerks sowie einen dunklen, zweigeschossigen Elektronikbau, der sehr klar und kompakt wirkt. Der anmutig geformte Sockel gibt dem Ensemble eine nahezu künstlerische Aura. Über eine verglaste Treppe, die kurz vor dem Gebäude endet, können Besucher einen Blick in das Innere der Anlage werfen.
Architektur: Wolfgang Felder, Köln, Inbetriebnahme: 2009
5. Turnen über Hochleistungspumpen
Was eine Pumpanlage mit einer Turnhalle zu tun hat? Eigentlich nichts. Das Kompaktbauwerk Pumpanlage Faulbach schafft jedoch den gekonnten Spagat, zwei in ihrer Funktion völlig separate Bauaufgaben auf geringer Fläche funktional und baulich zu verschmelzen. So wurde der Turnhallenkomplex einer Schule einfach auf den oberirdischen Bereich der Hochwasserpumpanlage aufgesattelt. Ein Teil des Bauwerks wird ebenerdig erschlossen, eine Treppe und ein Aufzug führen in die eigentliche Turnhalle. In ihr öffnet sehr reizvoll ein großes Fenster in liegendem Format über die begleitende Ufermauer hinweg den Blick zum Rhein und zu seiner Uferbepflanzung.
Architektur: Schlösser & Kawamura Architekten, Köln, Inbetriebnahme: 2006
Leuchtender
6. Wasserstandsmelder
Das Pumpwerk Schönhauser Straße liegt direkt am südlichen Ende der Kölner Innenstadt nahe der imposanten Südbrücke. Es muss nicht nur auf die Landschaft des rechten Rheinufers reagieren, sondern auch auf die städtischen Strukturen in seiner verkehrsreichen Nachbarschaft. Diese Lage spielt die Architektur des neuen Bauwerks mit einem illusionistisch anmutenden Kunstgriff aus: Der geradlinige, quaderförmige Bau auf einer Anhöhe wird im Dunkeln zum Leuchtkörper. Tagsüber wirkt die Anlage wie ein etwas geheimnisvoller, gleichwohl ästhetisierter und wohlplatzierter Kasten, der weder von seinem Zweck noch von seinem Innenleben viel verrät. In der Dämmerung beginnt das Bauwerk dank der integrierten LEDs zu leuchten. Dieses Licht hat Signalwirkung: Es reagiert auf den Pegelstand des Rheins und schimmert gelb bei Niedrigwasser, grün und blau bei unbedenklichen Wasserständen und rot bei Hochwassergefahr.
Architektur: Kaspar Kraemer, Köln, Inbetriebnahme: 2008
7. Zwischen Skulptur und dienstbarer Technik
Im bürgerlich-gediegenen Stadtteil Rodenkirchen kann man nicht einfach so ein Pumpwerk ans Rheinufer stellen, ohne die Villenbewohner gegen sich aufzubringen. Das Bauvorhaben, dem alte Bäume geopfert werden mussten, erzeugte zunächst heftige Proteste. Dennoch war es technisch unumgänglich, an einer prominenten Ecke die Pumpanlage Uferstraße zu platzieren. Gefragt war auch hier ein Entwurf, der den landschaftlichen Charakter der Umgebung zum Ausgangspunkt der Gestaltung macht und die hohen technischen Anforderungen integriert. Und die Bewohner der Gegend können sich freuen. Denn das neue Bauwerk verschandelt die Gegend nicht, sondern wertet sie auf. Dass es sich bei dem augenfälligen Ensemble um einen profanen Ingenieurbau handelt, ist weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick zu erkennen. Die Anlage präsentiert sich nämlich als geböschte Grasfläche, mithin als gestaltete Landschaft und nicht als solide Hochbaustruktur. Zwei mit einer perforierten Metallhülle verkleidete, ungleichmäßig gerundete Baukörper – dahinter verbergen sich zum einen die Schmutzwasserpumpanlage und zum anderen die Ablufttechnik des Generators – wirken wie mächtige, absichtsvoll platzierte Skulpturen. Eine konkav geschwungene, aus gleichmäßig bearbeiteten Einzelsteinen gemauerte Basaltfront grenzt das Gelände zur Uferstraße hin ab, das rückwärtig, wiederum sanft geneigt, zum anschließenden Auenwald abfällt. Das Muster der metallenen Gebäudehüllen ergab sich aus dem Bild von angeschwemmtem Treibholz auf einer ruhigen Wasseroberfläche.
Architektur: Dirk Melzer, Landschaftsarchitekt, Köln, Inbetriebnahme: 2008