Text: Ulrike Meywald
Windenergie wird bisher überwiegend von großen Anlagen auf dem Land oder dem offenen Meer genutzt. Kleinwindanlagen bilden eher die Ausnahme. Sicher wird man auch in Zukunft hierzulande keine Windhochhäuser wie das Bahrain World Trade Center oder den Pearl River Tower in Guang-zhou bauen. Doch als Ergänzung oder Alternative zur Photovoltaik sind die kleinen Anlagen durchaus eine Option. Windenergie und Photovoltaik ergänzen sich gut: Im Winter, wenn wenig Sonne scheint, ist die Windgeschwindigkeit oft höher. Im Sommer liefert die Sonne die Hauptenergie.
Standort entscheidet über Effizienz
Die Nutzung der Windenergie hängt aber stärker vom Standort ab als die der solaren Energie. Deshalb muss man sich mit den Gegebenheiten vor Ort sehr genau auseinandersetzen. Der Wind sollte möglichst ungebremst auf das Windrad treffen. Eng stehende Bebauung, Vegetation und Erhebungen, die unter dem Begriff der „Rauigkeit“ des Geländes zusammengefasst werden, bremsen oder verwirbeln den Luftstrom. Daher ist das Windenergiepotenzial in Städten eher gering.
Eine Daumenregel besagt, dass im Jahresdurchschnitt eine Windgeschwindigkeit von mindestens vier Metern pro Sekunde in Rotorhöhe vorhanden sein sollte. Klimatische Statistiken der jeweiligen Gemeinde und Windkarten können hierfür nur einen groben Anhaltspunkt liefern. Exakte Winddaten eines Standorts wird man mit einer Windmessung vor Ort in Erfahrung bringen (siehe Info unten). Mithilfe neuer Forschungsprojekte versucht man einzelne Windmessungen zu ersetzen. Dazu zählt das Forschungsprojekt „Wind-Area“ der Fachhochschule Frankfurt. Für einen städtischen und zwei ländliche Standorte wurden mithilfe der ingenieurwissenschaftlichen Strömungslehre hochauflösende Laserscandaten der Erdoberfläche mit regionalen Winddaten verbunden. Die daraus generierten Potenzialkarten zeigen Windströme in Ein-Meter-Schritten über dem Gelände bis zu einer Höhe von zehn Metern. Allerdings meinen Experten, dass eine Windmessung nicht durch Simulationsrechnungen ersetzt werden kann.
Neben dem verfügbaren Wind am Standort sind auch bau- und planungsrechtliche Auflagen zu beachten. Kleinwindanlagen gelten als Nebenanlage, weshalb sie in unmittelbarer Nähe des Hauses aufzustellen sind. In einigen Bundesländern sind kleine Anlagen bis zehn Meter Gesamthöhe genehmigungsfrei. In Bayern gilt diese Regel sogar für Windräder auf Dächern: Die Zehn-Meter-Höhe wird ab der Dachoberfläche gemessen. Höhere Kleinwindanlagen sind in allen Bundesländern genehmigungspflichtig. In allen Fällen sollte die Zustimmung der Nachbarn eingeholt werden. Sind diese dagegen, wird die Umsetzung schwierig. Neben den Bauämtern werden teilweise auch weitere Fachbehörden eingeschaltet, zum Beispiel das Denkmalschutzamt. Erfahrungsgemäß urteilen die Bauämter sehr unterschiedlich – viele haben sich bislang mit Kleinwindanlagen kaum auseinandergesetzt.
Verschiedene Bauarten
Beliebt sind vor allem die vertikalen Kleinwindanlagen wegen ihres futuristischen Aussehens. Ihr senkrecht stehender Rotor ermöglicht viel kreativen Freiraum bei der Gestaltung der Rotorblätter. Patrick Jüttemann, Betreiber eines Internetportals für Kleinwindanlagen: „Stand der Technik und viel effizienter sind allerdings horizontale Anlagen”. Eine weitere Möglichkeit bieten ins Gebäude integrierte Lösungen wie die Gehäusewindturbine, die von der EA EnergieArchitektur GmbH aus Dresden entwickelt wurde. Generator und Rotorblätter sind hier der Umhausung angepasst. Dadurch sind die Windräder kaum zu hören. Im Vergleich zu großen Windrädern, die mit ihren Flügelschlägen ein stark an- und abschwellendes Geräusch verursachen, sind alle kleinen Anlagen generell viel leiser.
Die Idee der Gehäusewindturbine basiert auf dem Wunsch eines Bauherrn, der aus der Energiebranche stammt und für sein Einfamilienhaus in Bad Saarow bei Berlin Sonnen- und Windenergie kombinieren wollte. Architekt André Merker von EA EnergieArchitektur: „Wir arbeiteten hierfür mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden zusammen und installierten in Bad Saarow eine Versuchsanlage.“ Die Standortanalyse ergab, dass 70 bis 80 Prozent der Winde aus einer Richtung kommen – also ein idealer Ausgangspunkt für eine gebäudeintegrierte Lösung. Zusätzlich erhöht sich die Windgeschwindigkeit innerhalb der Turbine, weil bei der Positionierung des Bauteils die Luv- und Leeseiten des Gebäudes optimal genutzt werden. Um die effektivste Lage zu ermitteln, sind Strömungssimulationen unumgänglich. André Merker: „Bei allem aber stand die Gestaltung des Gebäudes im Vordergrund. Es sollte ein ästhetisch ansprechendes Bauwerk entstehen, das Wind zur Energieerzeugung nutzt.“ In Bad Saarow sind zwei der Windturbinen in ein Geschoss unterm Dach integriert, sind aber von außen sichtbar. Denn der Rotor muss dem Wind möglichst frei ausgesetzt sein, da jegliche Hindernisse für Verwirbelungen sorgen und die Windgeschwindigkeit bremsen.
Städtebauliche Einbindung und Genehmigungsplanung
Die Nutzung der Windenergie muss nicht auf Einfamilienhäuser beschränkt bleiben. EA EnergieArchitektur stellte bereits 2010 für ein Stadtquartier in Dresden-Gorbitz seine Vision vor, wonach auf mehreren Wohngebäuden Sonnen- und Windenergie eingefangen werden und der erzeugte Strom den Bewohnern unmittelbar zugute kommt. Überschüsse könnten der E-Mobilität der Stadt dienen. André Merker: „Letztlich ist jedoch nur eine Windturbine auf dem Dach realisiert worden, weil es Schwierigkeiten mit der Genehmigung gab.“ Daraus ergibt sich für Architekten ein weiteres Arbeitsfeld beim Begleiten der Genehmigungsplanung. Patrick Jüttemann: „Ein Bauantrag sollte möglichst viele Informationen über die Anlage enthalten. Dazu gehört ein Schallgutachten, das Hersteller zertifizierter Windturbinen häufig mitliefern.“ Erfahrungen der EA EnergieArchitektur zufolge besteht eine wesentliche Hemmschwelle darin, dass die Regularien zum Emissionsschutz in Deutschland Schallgutachten erfordern. Die darin errechneten Werte überschreiten häufig die zulässige Höchstgrenze. Und das, obwohl die Geräusche in denen untergehen, die starker Wind selbst erzeugt. In Gewerbegebieten sind die Restriktionen geringer. Zudem kann ein Gewerbebetrieb den gesamten, erzeugten Strom selbst nutzen.
Hilfe vom Staat
Die geförderte Einspeisevergütung für Windkraftanlagen beträgt 8,66 Cent/kWh für im Jahr 2014 installierte Anlagen – unabhängig von ihrer Größe. Die kleinen Anlagen lohnen demnach nur zur Deckung des Eigenbedarfs. Patrick Jüttemann: „Werden weniger als 50 Prozent des erzeugten Stroms selbst genutzt, haben wir es schon erlebt, dass der Betrieb untersagt wurde.“ Denn die baurechtliche Definition als Nebenanlage betrifft nicht nur die Größe der Anlage, sondern auch den Stromverbrauch. Großwindanlagen sind dagegen Hauptanlagen, da sie keinem Gebäude untergeordnet sind und den Strom ausschließlich an Dritte verkaufen. Wer also lediglich hohe Renditen erzielen will, sollte andere Technologien wählen.
Durchschnittlich betragen die Investitionskosten einer schlüsselfertigen Kleinwindkraftanlage einschließlich Mast und Fundament 5.000 Euro pro Kilowatt installierter Leistung. Privat genutzte Anlagen haben in der Regel eine Leistung unter fünf Kilowatt. Eine Kleinwindturbine mit drei Kilowatt Leistung würde nach dieser Daumenregel rund 15.000 Euro kosten. Anders als bei Photovoltaikanlagen kann man aber nicht pauschal von der Leistung auf die Jahreserträge schließen. Der Ertrag einer Kleinwindanlage hängt essenziell von den Windverhältnissen auf dem Grundstück ab. An einem windstarken Standort kann eine Drei-Kilowatt-Kleinwindanlage durchaus 3.000 Kilowatt Strom erzeugen, an einem schlechten Standort nur 500 Kilowatt oder noch weniger.
Die Investition in eine Kleinwindanlage wird im „Erneuerbare Energien“-Programm der KfW mit vergünstigten Krediten gefördert. Vor der Anschaffung sollten die Angaben der Hersteller genau geprüft werden: Sind die jährlichen Ertragszahlen in Relation zur mittleren Windgeschwindigkeit angegeben? Für einen Standort im Binnenland sollte eine maximale Jahresgeschwindigkeit von um vier Meter pro Sekunde angegeben sein. Höhere Angaben sind unrealistisch und daher unseriös.
Ulrike Meywald ist freie Baufachjournalistin in Münster.
Standortfaktoren ermitteln
- Erste grobe Anhaltspunkte liefern Wind- und Potenzialkarten.
- Eigene Überprüfung des Aufstellungsorts: In westlicher Richtung (Hauptwindrichtung) sollten möglichst keine Gebäude, Bäume u.s.w. im Wege stehen.
- Messung der Windgeschwindigkeit: In der Regel wird der Windsensor in Form eines Anemometers auf einem Mast montiert. Er sollte sich möglichst in Höhe des Rotors der geplanten Anlage befinden.
- Eine Windmessung auf einem Dach ist auch möglich.
- Vom Wind angeströmte Gebäude können Verwirbelungen verursachen, die an den verschiedenen Stellen eines Daches unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Mit dem Flatterband-Test kann festgestellt werden, wo wenig Verwirbelungen vorhanden sind, um dort das Windmessgerät zu positionieren. Optimal ist ein Messzeitraum von einem Jahr.
- Ermittlung des Schattenwurfs und eventueller Geräusche der Kleinwindkraftanlage, die Nachbarn stören könnten.
Informative Websites
- www.klein-windkraftanlagen.com: Basisinfos zu Windmessung, Genehmigung, Förderung und Wirtschaftlichkeit sowie technische Infos zu Bauformen (vertikal/horizontal). Kostenfreier Newsletter, Kleinwindanlagen-Rechner zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit, Leitfäden zum Kauf, aktueller Marktreport
- www.dwd.de/windkarten: Windkarten des Deutschen Wetterdienstes (DWD), gemessen in zehn Metern Höhe
- www.wind-area.de: Forschungsprojekt zur Generierung von Potenzialkarten zur Nutzung von Kleinwindanlagen bis zehn Meter Höhe
- www.kleinwind.htw-berlin.de: Forschungsvorhaben „Nutzung kleiner Windkraftanlagen auf Gebäuden in städtischen Gebieten am Beispiel Berlins“. In dem Projekt werden fünf Kleinwindkraftanlagen auf Dächern im Berliner Stadtgebiet installiert und über einen Zeitraum von zwei Jahren umfangreich vermessen.
- www.ea-energiearchitektur.de: Die Architekten und Ingenieure entwickelten gemeinsam mit der HTW Dresden eine Gehäusewindturbine zur Integration ins Gebäude.
Hilfreiche Lektüre
Bundesverband WindEnergie (Hrsg.)
Kleinwindanlagen
Handbuch der Technik, Genehmigung und Wirtschaftlichkeit kleiner Windräder
2., komplett überarbeitete Neuauflage (24. März 2013), gebunden, 300 Seiten, auch mit CD verfügbar,
Preis: 32 Euro
Erhältlich im Shop des Bundesverbandes WindEnergie, alternativ bei Amazon
Patrick Jüttemann (Hrsg.)
www.klein-windkraftanlagen.com
Kleinwind-Marktreport 2014
PDF-Datei, regelmäßige Updates (aktuelle Version von Januar 2014)
Preis: 24,99 Euro
Erhältlich unter:
www.klein-windkraftanlagen.com/kauf/marktbericht-kleinwindanlagen/
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