Text: Sinah Marx
Reine Zweckbauten unterfallen regelmäßig nicht dem Urheberrechtsschutz. So mache zum Beispiel auch ein Rücksprung über einem stabilen zweigeschossigen Sockel eines Mehrfamilienhauses dessen Gestaltung nicht urheberrechtsfähig – auch wenn der Architekt ihn als ungewöhnlichen „Kunstgriff“ bezeichnet, der beim Betrachter des fertigen Bauwerkes den Eindruck erwecke, es würde nicht nur sicher auf dem Boden stehen, sondern zugleich nach oben wachsen. So urteilte das Oberlandesgericht Karlsruhe am 03.06.2013 (Az. 6 U 72/12). Das Gericht ließ auch die Argumentation nicht gelten, die Verwendung und spezielle gruppenweise Anordnung von Hochfenstern und die Auflösung des Baukörpers nach oben hin durch zwei versetzte Pultdachflächen würden ein besonderes, „ausbalanciertes, rhythmisch durchkomponiertes Gesamtbild“ entstehen lassen. Das Gericht sah darin Gestaltungselemente, die qualifizierten Gestaltern bekannt sind und in der Praxis seit Langem in vielfacher Weise miteinander kombiniert werden. Ein überraschender, unüblicher Gesamteindruck werde dadurch nicht erzeugt, mithin entstehe auch kein urheberrechtsfähiges Werk der Baukunst.
Die Richter schlossen sich der Argumentation der Bauherren an, die sich darauf beriefen, das Gebäude sei rein zweckmäßig gestaltet, unterscheide sich nicht von dem, was in sonstigen Neubaugebieten zu sehen sei, und enthalte deswegen keinen individuellen gestalterischen Mehrwert. Ein solcher müsste allerdings vorliegen, damit das Gebäude als Werk der Baukunst Urheberrechtsschutz genießt.
Auch hier folgte das Gericht der herrschenden Annahme, dass ein Werk nur dann urheberrechtsfähig ist, wenn es eine gewisse Schöpfungs- beziehungsweise Gestaltungshöhe erreicht, die „Handschrift“ des Planers erkennen lässt und aus dem Gros sonstiger Vergleichsbauten heraussticht. Das Gericht hat klargestellt, dass es daran regelmäßig fehle, wenn ein Architekt Zweckbauten, vor allem anhand des technisch-konstruktiven Maßstabs der Funktionalität plant. Zweckbauten wie in diesem Fall Mehrfamilienhäuser, unterliegen demnach einem urheberrechtlichen Schutz nur dann, wenn zumindest einzelne Gestaltungselemente auf einer persönlichen geistigen Schöpfung beruhen und eine gewisse Individualität zum Ausdruck kommt.
Hat das Gericht in Urheberrechtsstreitigkeiten ein Gebäude detailreich fachlich zu beurteilen, stellt sich die Frage, ob es stets eine gutachterliche Stellungnahme einholen muss. Dies wird gemeinhin verneint. Die Beurteilung, ob ein Werk der Baukunst vorliegt, sei vom Standpunkt eines für Kunst empfänglichen und mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Menschen zu beurteilen, so auch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Es ist anerkannt, dass auch Richter, die zum Beispiel regelmäßig mit Urheberrechtsfragen befasst sind, die Urheberrechtsfähigkeit eines Werkes beurteilen können.
Sinah Marx ist Rechtsreferentin in der Hamburgischen Architektenkammer.
Recht auf Namensnennung
Kommt ein urheberrechtsfähiges Bauwerk in die Medien, dann muss auch der Architekt genannt werden. Das entschied ein Gericht in Österreich – mit Argumenten, die auch in Deutschland Gewicht haben. Mehr erfahren Sie in diesem Beitrag.
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