Text: Hans Christian Schwenker
Architekten planten für einen Großmarkt die Überdachung von rund 20.000 Quadratmetern. Dazu entwarfen sie eine Stahlkonstruktion von vierundzwanzig auf Stahlstützen und -trägern angebrachten Schirmen mit insgesamt rund 13.000 Drahtglasscheiben. Die Architekten erstellten zunächst eine mangelfreie Planung, nach der die Konstruktion gegen thermische Spannungen und Bewegungen weitgehend unempfindlich gewesen wäre. Dann aber machte der mit der Ausführung beauftragte Generalunternehmer einen „Verbesserungsvorschlag“ für eine einfachere und kostengünstigere Montage der Glasscheiben auf den Stahlträgern mit Andruckleisten, Gummidichtungen und einer Verbindung. Das sollte zu einer Kostenersparnis von damals über 3,7 Millionen DM führen – heute rund 1,8 Millionen Euro. Der Unternehmer erstellte dazu Detailzeichnungen, die anschließend die Architekten zur Ausführung freigaben. Die Umsetzung dieses Details führte zu Undichtigkeiten. Bei Fertigstellung der Konstruktion waren Drahtglasscheiben bereits gebrochen oder gerissen. Ferner lösten sich Verschraubungen der Drahtglasscheiben oder brachen. Bei Regen trat Wasser ein und es fielen Bruchstücke von Scheiben herab.
Die Architekten wurden jetzt durch ein rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Celle (13 U 234/11) zu Schadensersatz verurteilt. Die aufgetretenen Mängel der Überdachung sind Folge einer insgesamt unzureichenden Planung. Ein Planungsfehler liegt bereits vor, wenn die geplante Ausführung des Bauvorhabens notwendigerweise zu einem Mangel des Bauwerks führt. Wie detailliert die Ausführungsplanung sein muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sind Details der Ausführung besonders schadensträchtig, müssen diese unter Umständen im Einzelnen geplant und den Unternehmern in einer jedes Risiko ausschließenden Weise verdeutlicht werden. An einer solchen, von den Architekten erstellten oder jedenfalls überprüften Planung fehlt es. Der Unternehmer hat zwar selbst Detailzeichnungen über die zu errichtende Konstruktion der Glasauflager auf die Stahlträger angefertigt. Die Architekten waren jedoch gehalten, im Rahmen der Ausführungsplanung diese Unterlagen zu überprüfen – nicht zuletzt darauf, ob Mängel eintreten konnten und ob die verwendete Konstruktion für die geplante Verwendung geeignet war. Da ihr Vertrag keinerlei Einschränkungen aufwies, oblag ihnen in eigener Verantwortung die gesamte Ausführungsplanung.
Diese Konstellation ist vergleichbar mit der, in der der Bauherr selbst Pläne vorgefertigt hat. Auch diese muss der beauftragte Architekt auf Fehler überprüfen. In diesem Fall haben die Architekten die Detailzeichnung des Unternehmers mit ihrem Prüfvermerk versehen und damit bedeutet, dass sie diese Ausführung für mangelfrei ausführbar angesehen haben. Die Architekten hätten aber die Planung nicht einfach übernehmen und dem Unternehmer die Ausführung der Glassonderkonstruktion im Detail überlassen dürfen, ohne eine genaue, auf die Stahlkonstruktion abgestimmte Detailausbildung vorzugeben. Auch und gerade angesichts der Schwierigkeiten der auszuführenden Arbeiten hätten sie eine etwaige Detailplanung ungeachtet der bei diesem Betrieb vorhandenen Fachkenntnisse überprüfen und überwachen müssen. Insbesondere hätten sie eine gesonderte Glasstatik einholen müssen.
Die Architekten konnten den Schadenersatzanspruch nicht damit abwenden, dass ihr Auftraggeber durch die günstigere Lösung immerhin 3,7 Millionen DM gespart habe. Andererseits sollen jedoch dem Auftraggeber durch die Mangelbeseitigung und aufgrund seines Schadensersatzanspruches keine Vorteile entstehen, die ihm bei einer ordnungsgemäßen Erstausführung der Bauleistung nicht zugeflossen wären. Von dem Schadensersatzanspruch sind deshalb die Sowieso-Kosten in Abzug zu bringen. Das sind hier die Vergütungen für Leistungen, die von Anfang an zur mangelfreien Herstellung der Bauleistung erforderlich gewesen wären, aber nicht in Auftrag gegeben wurden, nicht in der Vergütung des Unternehmers einberechnet waren und im Rahmen der Nacherfüllung nun zusätzlich ausgeführt werden müssen.
Definitiv nicht dazu gehörten in diesem Fall die Kosten für den Ersatz der Glasscheiben, für die Anbringung des Sicherheitsnetzes und die spätere Rechtsverfolgung. Sie alle wären bei ordnungsgemäßer Planung und Überwachung nicht entstanden.
Nutzlos war für die Architekten auch ein Prüfvermerk: „Die Verantwortung und Gewährleistung für die Haltbarkeit und das Funktionieren aller Konstruktionen einschließlich deren Verbindungen sowie die Richtigkeit des Aufmaßes und der Maßketten bleibt beim Auftragnehmer!“ Dieser Vermerk steht nicht einmal im Kontext einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Architekten und dem Bauherrn. Er hat in diesem Verhältnis keine Auswirkungen und könnte allenfalls für das Verhältnis zwischen der Beklagten und den ausführenden Unternehmen von Bedeutung sein.
Auch wenn der Auftraggeber an Einsparungen durch Nebenangebote von Bauunternehmen interessiert ist und demgemäß Druck auf den Architekten ausüben wird, verbleibt das Planungsrisiko allein bei diesem. Zwar können seine Pflichten eingeschränkt sein, wenn der Auftraggeber einen Spezialisten beauftragt. Dann darf der Architekt unter gewissen Umständen auf die Sachkunde des anderen vertrauen. Den bauleitenden Architekten – zumal bei ungewöhnlichen und erkennbar schwierigen Ausführungen – enthebt aber auch das Vertrauen in die Kompetenz eines Spezialisten nicht von der Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Kontrolle. Wenn Pläne Dritter zur Ausführung gelangen, darf ein Architekt diese nicht ungeprüft übernehmen, soweit ihm Kritik möglich und zumutbar ist.
Hans Christian Schwenker ist Rechtsanwalt in Hannover.
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