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Zurück Schwerpunkt: Gefahr

Knackis und Goldmann

WG-Küchen wie im Hostel, eine Magistrale für den freien Schritt und ein Kunstwerk mit Weitblick: Die Strafanstalt Heidering bei Berlin will nicht nur bestrafen

26.08.20143 Min. Kommentar schreiben

Text: Roland Stimpel

Josef Hohensinn hat schon viele Gefängnisse von innen gesehen. Der Grazer Architekt besichtigte sie systematisch, bevor er im österreichischen Leoben selbst eines plante. Sein Fazit ist traurig: „Seit gut 150 Jahren hat im Gefängnisbau keine wirkliche Weiterentwicklung stattgefunden. Beim Bestrafen bewegen wir uns immer noch relativ nahe am Mittelalter.“ Wenn es schon Haftanstalten geben muss, dann will Hohensinn neuzeitliche. Sie sollen den Insassen den Weg ins straflose Leben erleichtern und unnötige Qual vermeiden. Luxusknäste statt Abschreckung? Nein, hinter Gittern sei nichts luxuriös: „Durch den Freiheitsentzug fügt man den Menschen ohnehin die größtmögliche Strafe zu.“

2004 baute er in Leoben sein erstes Gefängnis mit hellen Zellen, Ikeamöbeln, Wohngruppen und Loggien. Drei Jahre später gewann er den europaweiten Wettbewerb für die Berliner Haftanstalt Heidering im Vorort Großbeeren; seit 2013 ist sie fertig. Auch hier ist vieles anders als in herkömmlichen Gefängnissen: Es gibt wiederum Wohngruppen mit Loggien und Gemeinschaftsküchen, die ein wenig Jugendherbergs-Flair verströmen. Die Zellen sind mit 10,3 Quadratmetern relativ geräumig (aber wirklich nur relativ); sie empfangen vergleichsweise viel Tageslicht und haben abgetrennte WCs. Der räumliche Clou ist jedoch die „Magistrale“, der zentrale Erschließungsgang: ein Viertelkilometer, auf dem sich Häftlinge allein bewegen, der nicht geheizt ist und die Jahreszeiten ein wenig spüren lässt. Das alles ist nicht nur resozialisierungs-pädagogisch gemeint, sondern spart auch Personal: Statt des Wärters an der Seite hat man die Videokameras an der Decke, mit deren Hilfe wenige Beamte viel Gefängnisraum überblicken.

Artikel22
Knast-Kunst: Vergoldete Skulptur auf Wind-Rotor vor dem Haupteingang

Ein Stück kultivierte Normalität im verschlossenen öffentlichen Bau bietet die vorschriftsgemäß dort angebrachte Kunst mit dem Titel „Hinterm Horizont“. Das Münchener Duo „Empfangshalle“ bearbeitete die Beziehung zwischen Draußen und abgeschottetem Drinnen. Vor dem Haupteingang steht ein 30 Meter hoher Mast mit Wind-Rotor und auf seiner Spitze eine vergoldete Männerfigur, deren Blick in die Ferne schweift.

Bei starkem Wind dreht sie sich. Drinnen sind über die Gebäudeteile der Haftanstalt an der Decke aufgehängte Zylinder aus Sicherheitsglas verteilt, an deren Innenseiten Panoramafotos angebracht sind – aufgenommen von einer Kamera in der Position des Goldmanns auf dem Mast, in verschiedenen Jahreszeiten und je nach Windstärke in verschiedener Bildschärfe. Man sieht durch Gitter, Zäune und Natodrahtrollen den Mann draußen. Man sieht drinnen an der Decke, was er von dort oben sieht, und schweift mit dem Gedanken über den Widerhakendraht hinweg.

Vom Ertrag des Windrades wollten die Künstler ein „soziokulturelles Programm“ im Gefängnis Heidering finanzieren. Anstaltsleiterin Anke Stein musste bedauernd ablehnen: „Von dem Geld bleibt nichts hier. Das lässt die Landes-Haushaltsordnung nicht zu.“

 

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