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„Nicht vor Wettbewerben zurückschrecken!“

Hans-Peter Achatzi und Uwe Dahms haben den Zeit- und Geldaufwand von Vergabeverfahren untersucht. Wichtigstes Ergebnis: Wettbewerbe dauern nicht länger und sind nicht teurer als VOF-Verfahren.

28.09.20148 Min. Kommentar schreiben

Interview: Roland Stimpel

Hans-Peter Achatzi: Wir wollten wissen, wie viel Zeit jedes dieser Verfahren benötigt und wie viel Geld es den Auslober im Hinblick auf die gesamte Planungsphase kostet. Beides sehen viele potenzielle Bauherren als wichtige Entscheidungskriterien für das jeweilige Verfahren.

24-31 Wettbewerbe
Professor Hans-Peter Achatzi und Uwe Dahms führen das Berliner Büro C4C competence for competitions. Es hat gemeinsam mit architecture.strategic communications and management in Basel sowie dem IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik in Berlin die Studie „Aufwendungen bei der Vergabe von Planungsleistungen“ erarbeitet. Auftraggeber waren das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Und welches Verfahren ist das schnellste, billigste, effizienteste?

Uwe Dahms: Da gibt es kein eindeutig bestes. Denn auf einen Planungsprozess wirkt vieles ein: Personalkapazitäten und -engpässe beim Auslober, politische Einflüsse, Budgets und Bremsen, wie etwa Haushaltssperren, Anforderungen an die Bauaufgabe und der Grad, in dem sich der Auslober über diese Aufgabe klar ist. All das beeinflusst Zeit- und Geldfragen viel mehr als die jeweilige Vergabeart der Planungsleistungen. Die theoretisch denkbaren Unterschiede zwischen den verschiedenen VOF- und Wettbewerbsverfahren sind so gering, dass sie die Gesamtzeit und die Gesamtkosten der Planung eines Bauprojekts nicht messbar beeinflussen.

Viele Bauherren sehen das anders und scheuen Wettbewerbe. Es scheint ja auch auf den ersten Blick klar, dass diese mehr Zeit und Geld kosten als eine simple Vergabe.

Achatzi: Dieser erste Blick täuscht oft, wie unsere Fallstudien zeigen. Bei Wettbewerben gibt es einen klaren, oft straffen Terminplan von der Formulierung der Inhalte über den Verfahrensstart, das Ende der Bewerbung oder Unterlagen-Anforderung und die Abgabe des Entwurfs bis zur entscheidenden Jury-Sitzung. Und danach ist die Vorplanung weitgehend gelaufen, bis auf gewünschte Überarbeitungen.

Und VOF-Verfahren ohne Planungswettbewerbe dauern länger?

Dahms: Vergabeverfahren ohne Lösungsvorschläge führen relativ schnell zu einem Planungspartner, aber nicht zu einem Planungsergebnis. Denn die Vorplanung findet erst danach statt – und sie kann dauern! Der Wettbewerb liefert dagegen die Vorplanung in den wesentlichen Grundzügen bereits vor der Vergabe. Die Festlegung auf einen Planungspartner findet nur zu einem späteren Zeitpunkt im Projektprozess statt, der ansonsten in beiden Fällen zeitlich weitgehend gleich verläuft.
Bei der Vergabe ohne Lösungsvorschläge und Wettbewerb unterliegt die Vorplanung noch vielen Unwägbarkeiten. Die tatsächliche Qualität der Vorplanung ist ungewiss, auch sind dann oft noch verwaltungsinterne und -externe sowie politische Abstimmungen nötig. Diese erfolgen bei einem Wettbewerb bereits vor der Vergabe, da die Behörden und Interessenvertreter schon bei der Ausschreibung berücksichtigt und womöglich eingebunden sind – und dann nochmals durch ihre Teilnahme an den Jurysitzungen.

Von der Zeit- zur Geldfrage: Hier scheint der Nachteil von Wettbewerben noch mehr auf der Hand zu liegen.

Achatzi: Natürlich brauchen Wettbewerbe ein gewisses Budget, das ihre Kosten deutlich sichtbar macht. Bei VOF-Verfahren werden die Kosten dagegen oft gar nicht sichtbar, weil sie behördenintern mit dem ohnehin vorhandenen Personal gemacht werden. Wie viele Stunden ihrer bezahlten Zeit diese Leute für das jeweilige Verfahren aufwenden, wird meist nicht erfasst; bei den VOF-Verfahren verschwinden diese Kosten irgendwo im allgemeinen Haushalt. Ebenso wenig wird berechnet, wie Verzögerungen im Verfahren das ganze Projekt verteuern.

Dahms: Wir haben versucht, die tatsächlichen Kosten für zwei Musterverfahren mit Baukosten von drei und zehn Millionen Euro zu ermitteln. Da gibt es einen für alle Verfahren gleichen Grundaufwand, den wir nicht berechnet haben. Dieser entspricht den Kosten eines VOF-Verfahrens ohne Lösungsvorschläge. Beim nichtoffenen Wettbewerb mit 80 Bewerbern und 25 Teilnehmern haben wir die über den Grundaufwand hinausgehenden Mehrkosten in Höhe von 73.750 Euro errechnet, bei einem offenen Wettbewerb mit 80 Teilnehmern sind dies rund 95.000 Euro. Am teuersten war das VOF-Verfahren mit Lösungsvorschlägen von sieben Teilnehmern – also die Mehrfachbeauftragung. Hier sind die fälligen Honorare so hoch, dass Mehrkosten von 111.910 Euro anfielen.

Oft sind in diesen Verfahren die Honorare jedoch in der Praxis kläglich niedrig.

Achatzi: Wie in der VOF vorgeschrieben, haben wir Honorare nach der HOAI unterstellt. Verfahren mit gesetzwidrig niedrigen Honoraren taugen nicht für einen solchen Vergleich. Von ihnen können wir Auslobern wie Architekten ohnehin nur abraten.

Und wie waren die Ergebnisse in der zweiten Musterrechnung für ein Zehn-Millionen-Projekt?

Achatzi: Die Mehraufwendungen der Wettbewerbe waren etwa doppelt so hoch wie beim kleineren Projekt, doch beim VOF-Verfahren mit Lösungsvorschlägen stiegen die Kosten weit stärker. Allein die hierbei fälligen Honorare waren mehr als dreimal so hoch wie die Preisgelder in den Wettbewerben.

Wenn nun keine Verfahrensart große Einflüsse auf Zeitablauf und Kosten der Planungsphase eines Projekts hat – haben Sie trotzdem einen Rat für Bauherren?

Dahms: Ja, eine gute Nachricht: Bauherren können die Verfahrensart allein danach auswählen, welche Qualität sie jeweils für die Bauaufgabe bietet. Sie müssen insbesondere nicht vor Wettbewerben zurückschrecken und können ihre vielen Qualitäten nutzen. Das gilt für den inhaltlichen Vorteil der ­Ideenvielfalt und der Erarbeitung völlig unterschiedlicher Alternativen – ein kaum zu unterschätzender Mehrwert und Erkenntnisgewinn. Es gilt auch für den Verfahrensvorteil, dass bei einem Wettbewerb die Aufgabe frühzeitig gut definiert sein muss, dass in der Jury die Vertreter verschiedenster Interessen eingebunden sein können, dass man kompetente externe Preisrichter gewinnt und im Moment der Juryentscheidung oft schon ein hoher Konsens erreicht ist. Hier locken Einsparungen für das Gesamtprojekt, die viel größer sind als der Zeit- und Geldaufwand für den Wettbewerb. VOF-Verfahren bergen dagegen oft riesige Untersicherheiten, und das noch weit nach ihrem formalen Abschluss. Sie eignen sich vielleicht für kleine oder einfache Aufgaben, bei denen echte Entwurfsalternativen gar nicht möglich und gefragt sind.

Warum werden denn dann so viele Vergaben als VOF-Verfahren ohne Lösungsvorschläge durchgeführt?

Dahms: Hier zeigt sich ein wirklich grundlegendes Problem. Die zuständigen Verwaltungen sind zumeist ausgedünnt und suchen mit der Vergabe vor allen Dingen schnell einen Partner, der das Projekt voranbringt. Die Verwaltungen selbst sind kaum noch in der Lage, die Grundlagen und die Aufgabenstellung in der erforderlichen Sorgfalt zu erarbeiten. Das wird dann dem Planungspartner übertragen. Doch geht das auf Kosten der Qualitätssicherheit und der Baukultur. Die Qualität der späteren Vorplanung wird bei diesem Weg kaum noch geprüft – es fehlt zudem der Vergleich zu anderen Lösungsansätzen. Die Vergabe der Planungsleistung geht zwar schneller, doch sind die Qualität und der Verlauf der Vorplanung ungewiss.

Bleibt bei Wettbewerben die Entscheidung zwischen offenen und Einladungs-Verfahren. Die befürchtete Flut von Einsendungen ist meist die größte Hemmschwelle. Und diese Furcht wird von Verfahren bestätigt, in denen Hunderte von Entwürfen geprüft und beurteilt werden müssen.

Achatzi: Da wirkt der bekannte Teufelskreis. Nur noch drei Prozent unserer Wettbewerbe sind offen. Und je weniger es sind, desto mehr Teilnehmer stürzen sich auf die restlichen. Diesen Effekt muss man umdrehen. In der Schweiz sind offene Wettbewerbe die Regel, und dort haben sie im Durchschnitt viel weniger Teilnehmer als bei uns. Der Markt regelt das schon.

Tut er das wirklich? Offene Wettbewerbe locken Teilnehmer aus der ganzen EU; kleinere Büros aus der Region haben noch weniger Chancen.

Achatzi: Das sehe ich umgekehrt. Gäbe es genug offene Wettbewerbe, dann würden sich Büros eher regional bewerben und nicht jede Distanz in Kauf nehmen. Die Baukultur vor Ort würde dadurch sicherlich gestärkt.

Offene Wettbewerbe gelten manchen auch als unökonomisch, weil hier Architekturbüros immense Ressourcen einsetzen, die zum größten Teil nicht verwertet werden.

Dahms: Die Architekten wissen, was sie tun; sie tun es nicht zuletzt für die Baukultur. Und wir empfehlen doch gerade, dass diese Ressourcen auf mehr Verfahren verteilt werden, statt sich auf ganz wenige zu konzentrieren. Das bringt Innovationen in mehr Verfahren und führt eher dazu, dass sich Büros die Aufgaben aussuchen können, die ihrer Neigung und Qualifikation am besten entsprechen. Mehr offene Wettbewerbe wären auch unter diesem Aspekt effizienter.

Was empfehlen Sie für offene Wettbewerbe?

Achatzi: Wir favorisieren zweiphasige Verfahren – mit einer engeren Auswahl nach der Entwurfsqualität anhand von Aussagen zum Grundkonzept in der ersten Phase, einem anschließenden Workshop oder Kolloquium und einer detaillierten Bearbeitung durch die ausgewählten Verfasser in der zweiten Phase.

Dahms: Und wir haben eine Empfehlung für Auslober bei allen Verfahrensarten. Sie brauchen einen eigenen Etat für die Projektvorbereitung und die angemessene Manpower dafür. Heute verzichten ja manche Bauherren auf den Planungswettbewerb nur, weil sie ihn selbst nicht angemessen vorbereiten können und wegen mangelnder Mittel dies auch nicht nach draußen geben.

Achatzi: Dazu noch eine Empfehlung für Architekten, die in dieser Phase tätig sind: Auch sie sollten das selbstbewusst als eigene Leistung definieren, die in sich abgeschlossen und unabhängig von der Arbeit in den späteren HOAI-Phasen ist und natürlich eigenständig und angemessen honoriert werden muss.


Studie zum Download

Die Studie kann per Link hier heruntergeladen werden

 

Den Artikel zur St.-Hedwigs-Kathedrale Berlin finden Sie hier

Den Artikel zur Stadtkaserne Germersheim finden Sie hier

Den Artikel zum Wolfsburger Wettbewerb finden Sie hier

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