Text: Cornelia Dörries
Da sind zunächst die nackten Zahlen. Die gut 231 Quadratmeter große Vierzimmer-Einheit im achten Geschoss mit geräumiger Terrasse und Tiefgaragenplatz kostet knapp 3,8 Millionen Euro; die Zweizimmer-Wohnung im zweiten Stock, in allem gut ein Drittel kleiner, immerhin noch fast eine Million. Wer solche Preise bislang mit Manhattan, Moskau oder München verband, reibt sich die Augen. Berlin? Siebenstellig? Ja, der entsicherte Immobilienmarkt erlaubt nun auch in der einst billigen Hauptstadt eine solch fantastische Preisgestaltung, und ein Beweis dafür ist das Projekt „Yoo inspired by Starck“. So lautet die korrekte Bezeichnung für ein jüngst fertiggestelltes Gebäude mit 95 unterschiedlich großen Wohneinheiten am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte, gleich gegenüber dem Bahnhof Friedrichstraße. Es ist, so die Vermarkter, ein Markenname mit Wiedererkennungswert und „Werthaltigkeitsversprechen“.
Immobilien als Markenprodukte
Oder wie es in der Verkaufsbroschüre heißt: Yoo ist gleichbedeutend mit Luxuseigentum in besten Lagen weltweit. Hinter dieser Marke stecken der britische Immobilienentwickler John Hitchcox und der französische Produktdesigner Philippe Starck, die sich für das Berliner Projekt vor knapp fünf Jahren mit dem Schweizer Edel-Developer Peach Property Group zusammengetan haben. Ihr gemeinsames Ziel: ein brachliegendes Baugrundstück an der Spree, das bereits mehrfach den Eigentümer gewechselt hatte, in eine profitable Premium-Wohnimmobilie zu verwandeln und diese als Markenprodukt zu lancieren. Praktisch auch, dass für die Bebauung bereits ein verbindlicher Entwurf vom Berliner Büro Eike Becker vorlag, der in einem vorangegangenen Wettbewerb als Sieger gekürt worden war. Yoo Berlin nimmt den größten Teil eines vierflügeligen, neungeschossigen Solitärs ein, der über zwei Innenhöfe verfügt und neben den verschieden strukturierten Yoo-Wohneinheiten noch ein Hotel sowie Büros und Ladenflächen beherbergt. Mit einer kühlen Glas-Aluminium-Fassade hebt sich das Haus zumindest von den zahlreichen, neoklassizistisch bemäntelten Luxusprojekten in Berlin-Mitte ab und passt mit seiner glatten, anonymen Architektur gut zu einem Wohnungsbauvorhaben, das sich gezielt an eine solvente, internationale Klientel richtet.
„So ein Vorhaben gibt der Markt in Berlin erst seit etwa fünf Jahren her“, so Yoo-Berlin-Pressesprecher Hans Peter Koopmann. Und er meint damit nicht so sehr reelle, materielle Qualitäten, die Quadratmeterhöchstpreise von rund 20.000 Euro rechtfertigen würden, als vielmehr den sogenannten „added value“, also das wertsteigernde Image einer globalen Immobilienmarke. Anders gesagt: Man kann für 200 Euro eine gut verarbeitete, schöne Lederhandtasche kaufen, oder für das 20-Fache eine Hermès-Bag, die auch bloß eine gut verarbeitete, schöne Lederhandtasche ist. Aber eben von Hermès. Und natürlich kann man in Berlin auch anderswo gute Wohnungen erwerben, doch nur da, wo Yoo draufsteht, ist auch Yoo drin. Aber was soll das sein?
An diesem Punkt kommt der Designer Philippe Starck ins Spiel. Er soll als Creative Director den Projekten des Unternehmens jene Wiedererkennbarkeit sichern, für die bei Modeartikeln das mal mehr, mal weniger auffällig platzierte Logo sorgt. Starcks Hervorbringungen tragen durchaus eine Handschrift: eklektisch, bunt und poppig, außerdem massentauglich und erschwinglich. Dass sie mit Noblesse und exklusivem Luxus eher wenig zu tun haben, scheint hier kein Widerspruch. Es zählt die Popularität. Philippe Starck ist, anders, als die Broschüre vielleicht suggeriert, jedoch keineswegs als Innenarchitekt für die Einrichtung der Yoo-Wohnungen im Kaufpreis inbegriffen. Zwar gehen die vier zur Auswahl stehenden Einrichtungslinien – Classic, Culture, Minimal und Nature – auf den Designer zurück, aber es handelt sich dabei lediglich um fakultative Angebote für Böden, Wände und Badezimmerfliesen. Wer ein komplettes Starck-Interieur mit Möblierung und Einrichtung wünscht, kann das Yoo-Team aus London verpflichten. Für ein entsprechendes Honorar, versteht sich.
Krachende Optik
Seine nach außen wirksame Markenidentität, also das Prädikat „inspired by Starck“, gewinnt das Yoo Berlin über die Gestaltung der Eingangsbereiche und gemeinschaftlich zu nutzenden Einrichtungen. „Der Gemeinschaftsgedanke spielt bei Starck eine große Rolle“, versichert Sprecher Koopmann. Doch der Spa-Bereich mit Pool, Sauna und Fitnessraum im Erdgeschoss ist wohl weniger dem Geist guter Nachbarschaft geschuldet als vielmehr eine in dieser Preisklasse selbstverständliche Annehmlichkeit. Gleichzeitig darf man sich schon fragen, was der Creative Director für soziale Interaktionen im Hinterkopf hat, wenn er an der Längswand des schlauchartig schmalen, mit weißem Werkstein ausgekleideten Hausflurs im Erdgeschoss eine kardinalsrote Lederbank mit wandhoher gepolsterter Lehne platziert.
Soll man sich hier die Schuhe ausziehen? Oder zwischen Eingangstür und Briefkasten die Nachbarn auf einen Cocktail treffen? Die ungefähre Bestimmung dieses optisch krachenden Bereichs, der mit verspiegelten Decken und Türfassungen, funkelnden Mini-Lüstern und besagter Lederbank nicht nur sensible Gemüter kurz zucken lässt, täuscht bestenfalls oberflächlich darüber hinweg, dass das Yoo Berlin vor allem ein ganz normales Wohngebäude ist. Doch worin besteht dann das Alleinstellungsmerkmal, jener gewisse Yoo-Luxus, den das Projekt für sich reklamiert und den die aufgerufenen Preise für die Wohnungen nahelegen?
Deren Ausstattung ist weder spektakulär noch besonders edel, sondern guter, solider Standard, auch wenn selbst in den teuersten Einheiten die Bäder keine Fenster haben. Hinter vorgehaltener Hand geben selbst die Makler zu, dass man an diesem Standort sicher unter den Möglichkeiten geblieben ist, was Materialien, Ausführung und Details angeht. Dass der Verkauf dennoch alle Erwartungen übertrifft, begründen sie mit dem bekannten L-Faktor: Lage, Lage, Lage.
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