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Größe zählt

Eine aktuelle Umfrage der Kammern zeigt: Einzelkämpfer und Inhaber von Kleinbüros haben oft nur ein minimales Einkommen, große Büros dagegen zahlen besser und bieten darüber hinaus mehr Chancen für Frauen und Berufsanfänger

28.11.20149 Min. Kommentar schreiben

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Text: Roland Stimpel

Individuell und unabhängig, unbelastet von einem großen Apparat und bestenfalls mit einem oder zwei Partnern verbunden: Das ist das herkömmliche Idealbild des wahrhaft freien Architekten. Doch auch diese Freiheit kann ein Luxus sein, den man mit viel Verzicht bezahlt. Größere Büros verdienen mehr, zahlen besser, stehen stabiler da, fördern den Nachwuchs stärker, bieten Frauen Chefpositionen und errichten mehr Neubauten. All das belegt die jüngste Umfrage, die das Büro Hommerich Forschung jetzt im Auftrag aller 16 Länder-Architektenkammern durchgeführt hat. 6.833 selbstständig tätige Mitglieder beteiligten sich daran.

Die Wirtschaftslage der Büros und ihrer Inhaber war das wichtigste, allerdings nicht das einzige Thema. Wie krass sie sich je nach Bürogröße unterscheidet, belegen viele Zahlen. So erwirtschafteten Einzelkämpfer ohne Mitarbeiter im vorigen Jahr einen Überschuss von durchschnittlich genau 36.427 Euro. 34 Prozent sämtlicher Büros – die meisten davon kleine – erwirtschafteten maximal 30.000 Euro pro Inhaber, die zum Leben, für Vorsorge und Investitionen reichen müssen. Aber schon wer bis zu drei Mitarbeiter hatte, verdiente im Schnitt fast doppelt so viel wie die Einzelkämpfer. Und die Inhaber von Büros mit mindestens zehn Köpfen (die der Chefs eingerechnet) hatten pro Person einen opulenten durchschnittlichen Jahresüberschuss von 166.505 Euro.

Zugleich sind die großen Büros viel besser mit Aufträgen bestückt. Sie reichen für die nächsten 10,5 Monate, während Ein-Personen-Büros ohne künftige Akquisitionen nur für 6,6 Monate zu tun haben und solche mit bis zu vier Köpfen 7,7 Monate. Zugleich klagen 29 Prozent der Einzelkämpfer über mangelnde Auslastung, doch nur fünf Prozent der großen Büros. Kein Wunder, dass sie ihre wirtschaftliche Lage auch subjektiv deutlich besser bewerten als die kleinen.

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Auch die Teilmärkte sind zwischen Kleinen und Großen recht deutlich aufgeteilt. Nur 41 Prozent der Einzelkämpfer planen Neubauten, doch 57 Prozent der großen Büros. Umgekehrt ist die aufwendige, nicht immer gut honorierte Detailarbeit in Bestandsprojekten eine Domäne der Kleineren. 59 Prozent von ihnen sind hier tätig, doch nur 43 Prozent der Büros mit zehn und mehr Beschäftigten (Inhaber inklusive).

Auch der öffentliche Bau liegt fest in den Händen größerer Büros. 41 Prozent ihres Auftragsbestandes kommen von Staat; bei den Architekten ohne Mitarbeiter sind es nur 13 Prozent. 17 Prozent aller Großbüros arbeiten auch für Bund und Länder, doch nur drei Prozent aller kleinen. Dabei haben Wettbewerbe als Akquisitionsmittel bei allen Bürogrößen ein etwa gleiches Gewicht. Kleine Büros erhalten dagegen einen höheren Anteil ihrer Staatsaufträge über VOF-Verfahren als große.

Die Kleinen haben ein ganz anderes Standbein, nämlich 55 Prozent Privataufträge, dagegen die Großen nur 15 Prozent. Der Anteil der gewerblichen Bauaufgaben wächst mit der Bürogröße leicht – was noch nichts über die Größe des jeweiligen Projekts sagt. Die kleinen sind, was nicht überrascht, deutlich mehr regional orientiert und arbeiten zu 80 Prozent im eigenen Bundesland, die größten Büros nur zu 63 Prozent. Einzelkämpfer arbeiten zu 94 Prozent nur im Inland, große Büros zu rund 83 Prozent. Bei den Architekturexport-Ländern liegen die Schweiz und Österreich fast gleichauf an der Spitze, mit einigem Abstand gefolgt von Frankreich, Luxemburg, Italien, Russland (bisher) und Spanien. Erst dann kommen die zwei Nicht-europäischen Länder China und die USA mit ähnlichen Anteilen wie die Niederlande.

36_Grafik4Dagegen bilden die heimischen Dörfer und Städte bis 20.000 Einwohner die Existenzgrundlage vieler kleiner Büros. 22 Prozent von ihnen haben mindestens drei Viertel ihres Auftragsbestands von dort; nur drei Prozent der Großen haben einen solchen ländliches Schwerpunkt. Sie konzentrieren sich weit mehr auf die Metropolen.

Überraschenderweise werden die Großen auch nicht zu Generalisten, die für unterschiedlichste Bauaufgaben Experten vorhalten. Im Gegenteil: Je größer das Büro, desto stärker die Spezialisierung. 64 Prozent von ihnen konzentrieren sich auf bestimmte Tätigkeitsfelder, 24 Prozent sogar auf bestimmte Bauherren-Zielgruppen. Beides ist bei kleineren Büros deutlich weniger ausgeprägt. Offen bleibt allerdings die interessante Frage, was bei den großen Büros Ursache und was Wirkung ist: Wachsen sie erst und spezialisieren sich dann – oder wachsen sie, weil sie sich von vornherein thematisch einschränken?

Auch Frauen haben offenbar mit wachsender Größe von Büros bessere Chancen, sie als Partnerinnen mitzubegründen oder später zu Partnerinnen zu werden. 80 Prozent aller Büros mit zwei Partnern sind an der Spitze rein männlich, jedoch nur 30 Prozent aller Büros mit sechs oder mehr Partnern. Von den derart großen Büros haben ebenfalls 30 Prozent sogar mehr weibliche als männliche Partner. Die Inhaber-Einkommen sind in größeren Büros mit fünf und mehr Köpfen ebenfalls gleichmäßiger zwischen den Geschlechtern verteilt. Zwar erwirtschafteten Großbüros, die von Frauen geführt wurden, mit 86.621 Euro Überschuss pro Inhaberin und Inhaber rund zwanzig Prozent weniger als von Männern geführte Büros mit 108.343 Euro. Doch ist der Unterschied geringer als im Durchschnitt sämtlicher Büros. Hier liegen Frauen bei 41.368 Euro, Männer dagegen mit 75.022 Euro rund 81 Prozent höher.

In den großen Büros liegt auch der Anteil der fachlich qualifizierten Personen deutlich höher – wiederum inklusive Inhaber. In Büros mit bis zu vier Köpfen sind nur 22 Prozent der Beschäftigten angestellte Architekten und Planer mit Kammermitgliedschaft oder zumindest Absolventen einer solchen Fachrichtung. Bei den großen Büros haben 59 Prozent der Beschäftigten einen solchen Status. Bei den Kleinen wiederum sind freie Mitarbeiter und Praktikanten wesentlich stärker vertreten – und überraschenderweise auch Verwaltungs- und kaufmännische Kräfte. Bürowachs­-
tum zwingt also nicht zur Bildung eines überproportional großen Organisations-Wasserkopfs.

Bei guter Konjunktur schaffen die Großen mehr Jobs: 51 Prozent von ihnen haben 2013 ihre Mitarbeiterzahl vergrößert, während nur 20 Prozent der Büros mit bis zu vier Köpfen dies wagten. Und gerade Nachwuchs kommt eher in großen Büros unter. Von ihnen stellten in den letzten zwei Jahren 83 Prozent frischgebackene Hochschulabsolventen ein, während das nur 42 Prozent der Büros mit bis zu vier Köpfen taten. 36 Prozent der großen Büros engagierten Bachelor-Absolventen, dagegen nur 15 Prozent der Kleinen. Bei Master-Absolventen war der Unterschied noch krasser: Nur 16 Prozent der kleineren Büros wagten ihre Einstellung, doch 57 Prozent der Großen.

36_Grafik3Diese Büros zahlen Einsteigern auch mehr: 2.326 Euro Bruttogehalt bekommen sie im Schnitt, bei Kleinen dagegen nur 1.984 Euro. Und sie bauen stärker auf Festangestellte. Bei nur sechs Prozent der Großen sind drei Viertel aller Verträge befristet. Von den Kleinbüros haben dagegen 22 Prozent einen derart hohen Anteil an Beschäftigen mit Zeitvertrag.

Umso überraschender ist, dass ausgerechnet die Großen mehr Probleme bei der Besetzung von Stellen haben: 62 Prozent von ihnen fanden das Besetzen offener Stellen schwierig, nur 26 Prozent fanden es leicht. Je größer das Büro, desto schwerer sind vor allem Architekten und Planer zu finden. Passende Ingenieure, Bauzeichner und Praktikanten finden sich dagegen für große Büros leichter als für kleine. Bei diesen hielten sich die „Leicht“- und die „Schwierig“-Antworter die Waage. Allerdings hatte von ihnen die Mehrzahl überhaupt nicht gesucht.

Wachstum gibt es nicht auf Bestellung

Für Architekten stellt sich die Frage, was sie aus den Daten praktisch folgern können. Bürowachstum gibt es nicht auf Bestellung, sondern es ist eine Mischung aus Ehrgeiz, Talent, Glück und dem richtigen Umfeld. Manchmal wäre das Streben nach Wachstum auch sinnlos – etwa für ausgesprochene Spezialisten, die ihr Profil nicht verwässern wollen, für Büros in Regionen und Sparten mit vor allem kleinen Bauaufgaben oder für solche, deren Bauherren den persönlichen Alles-aus-einer-Hand-Service schätzen.

Oft aber tummeln sich kleinere und größere Büros in denselben Märkten. Und dann haben Wachstum und eine gewisse Konzentration durchaus Sinn – sei es durch die Fusion von Büros oder auch, indem die mühsame Existenz des Kleinunternehmers gegen die des Angestellten getauscht wird, der womöglich in einer größeren Struktur Besseres leistet und von Themen wie Auftragsbeschaffung und Büro-Organisation befreit ist.

Die Umfrage der Kammern behandelte neben der Größe auch andere Themen. Blicken selbstständige Architekten auf gesellschaftliche Großtrends und leiten aus ihnen Chancen für sich ab, dann blicken sie in dieser Reihenfolge auf Energiewende, Alterung, Kinderbetreuung und Gesundheit. Fast die Hälfte aller Selbstständigen (45 Prozent) glaubt allerdings, sie würde von keinem dieser Trends künftig profitieren.

Das Gegenstück zu den gesellschaftlichen Chancen sind die persönlichen Risiken als Architekt. Hier steht das leidige Haftungsthema klar im Vordergrund, gefolgt von Krankheit und familiären Risiken, der Konkurrenz durch Nicht-Architekten, Auftragseinbrüchen und dem Wettbewerb mit Kollegen. Weit weniger Befragte sorgen sich um die Gewinnung von Mitarbeitern und um ihre Nachfolge. Staatliche Regulierungen sehen nur 37 Prozent der Architekten als Wachstumsbremse für ihr Büro, 63 Prozent meinen dies nicht. Von den Gebremsten klagen die meisten über zu viel Bürokratie und zu viele Gesetze, über Zulassungsregeln für Wettbewerbe und VOF-Verfahren, dagegen deutlich weniger über eine mangelnde Auskömmlichkeit ihrer Arbeit durch die HOAI.

Wahre Freiheit

Freie Mitarbeiter haben ihren Status meist freiwillig – weil anderes im Leben wichtiger ist

Eine Gruppe für sich sind die freien Mitarbeiter, die für andere Architekturbüros tätig sind. Warum machen die das? 57 Prozent nennen als Grund, eine Festanstellung sei schwer mit ihrer Lebensplanung vereinbar. Wichtigstes Einzelmotiv ist mit weitem Abstand die gewünschte oder nötige Zeit für Kinder, Familie und die Pflege von Angehörigen. Knapp 37 Prozent verdienen damit Geld in der Gründungsphase ihres eigenen Büros und nur knapp 29 geben kund, sie hätten keine Festanstellung gefunden. Mit 54 Prozent arbeitet über die Hälfte aller freien Mitarbeiter in Vollzeit. Von den Teilzeitkräften teilen wiederum 78 Prozent mit, sie hätten ihre ­Arbeitszeit freiwillig beschränkt.

77 Prozent der freien Mitarbeiter arbeiten auf Stundenbasis, 39 Prozent erhalten Pauschalhonorare (Mehrfach-Nennungen waren möglich. Bedenklich: Nur 17 Prozent von ihnen rechnen nach der HOAI ab – und das, obwohl ihre Auftraggeber als Planungsbüros es bei ihren eigenen Kunden tun. Der Stundensatz liegt bei zwei Dritteln der freien Mitarbeiter zwischen 20 und 40 Euro mit leichtem Schwerpunkt zum unteren Wert. 16 Prozent bekommen mehr als 50 Euro, nur fünf Prozent weniger als 20. Mit viel Fleiß und trotz Teilzeit-Schwerpunkts brachte es über die Hälfte der freien Mitarbeiter 2013 auf einen Jahresüberschuss über 30.000 Euro.

69 Prozent der freien Mitarbeiter wollen ihre Existenzform behalten. 36 Prozent (auch hier Mehrfach-Nennungen) streben ein eigenes Büro an und 17 Prozent wünschen sich eine Festanstellung.

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