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„Von der neuen Situation profitieren“

Wie ein junger Landschaftsarchitekt die Gründung seines Büros erlebt

22.12.20148 Min. Kommentar schreiben
26_Interview Kaiser
Ein langer Prozess: Roberto Kaiser hat seine Selbstständigkeit als Landschaftsarchitekt sorgfältig vorbereitet

Interview: Nils Hille

Vor fünf Monaten hat Roberto Kaiser den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Der 31-jährige Landschaftsarchitekt aus Ulm zieht eine erste Bilanz zur Neugründung seines Büros „silands“. Kaiser verrät, wer ihm seitdem den Schlaf geraubt und was ihn einfach nur glücklich gemacht hat.

Herr Kaiser, Sie waren seit Ihrem Studium in renommierten Landschaftsarchitektur-Büros fest beschäftigt. Wieso haben Sie diese sichere Tätigkeit nicht einfach weiter genossen?

Da kamen zwei Gründe zusammen: Erstens lebt und arbeitet meine damalige Freundin und heutige Frau in Ulm. Das bedeutete für mich, jahrelang drei Stunden pro Tag zu pendeln, um mit ihr zusammenzuleben, aber auch bei Koeber Landschaftsarchitektur in Stuttgart zu arbeiten. Zweitens wünschte ich mir immer häufiger, etwas Neues auszuprobieren, also eine berufliche Herausforderung zu finden und selbstbestimmt arbeiten zu können.

 

Und dann haben Sie, gerade Vater geworden, einfach mal so von heute auf morgen gekündigt?

Nein, das war ein langer Prozess. Zunächst haben meine Frau und ich sehr lange darüber gesprochen und auch diskutiert, bis wir schließlich gemeinsam die Entscheidung gefällt haben. Trotz der finanziellen Unsicherheit hatten wir nun beide ein gutes Gefühl, dass das klappen kann. Schließlich arbeitet meine Frau in Festanstellung und wir haben gemeinsam Rücklagen gebildet. Diese Entscheidung stand also schon im Sommer 2013 fest, genau ein Jahr vor der Gründung. Und ich kann nur jedem raten, so viel Vorlauf einzuplanen.

Wieso? Was haben Sie in den zwölf Monaten getan?

Da stand eine ganze Menge an, wenn ich so zurückblicke – und alles neben dem Vollzeitjob. Dafür gingen schon viele Abende und Wochenenden drauf. Mein erster Schritt war ein Abendseminar beim Institut Fortbildung Bau zum Thema „Erfolgreich in die Selbstständigkeit“. Das ging zwar nur drei Stunden, hat mir aber einen guten ersten Überblick gegeben, was ich alles machen sollte. So konnte ich einen eigenen Fahrplan für meine nächsten Stationen entwickeln.

Den habe ich dann mit zum Büroberatungsprogramm der Architektenkammer genommen, das in Baden-Württemberg durch Landesmittel einen Tag pro Jahr bezuschusst wird. Das war einfach nur klasse: Der Architekt und Wirtschaftsingenieur Hansjörg Selinger hat sich in den Jahren 2013 und 2014 so jeweils einen kompletten Tag für mich Zeit genommen und mir unzählige Tipps zur Akquise und zur Schärfung meines Büroprofils gegeben. Und er hat mit meinen privaten und zukünftigen beruflichen Ausgaben eine klare Wirtschaftlichkeits-Betrachtung durchgeführt.

Waren die Ergebnisse ein Schock für Sie?

Ganz im Gegenteil. Ich war durch die Besprechungen wahnsinnig positiv eingestellt und höchst motiviert. Schockiert war ich weiterhin von der Menge der Aufgaben, die im Rahmen der Gründung noch anstanden. Da spielte mir aber wieder die lange Vorlaufzeit in die Hände. So konnte ich mir für jeden Monat ein Aufgabenpaket packen. Alles andere hätte mich, ehrlich gesagt, überfordert.

Wann haben Sie Ihren Chef eingeweiht, dass Sie bald Ihr eigener Chef sein würden?

Sehr früh, da wir schon immer einen sehr offenen Umgang miteinander gepflegt haben. Mir spielte da seine eigene Erfahrung in die Hände: Er stand vor zwanzig Jahre vor derselben Situation und sein damaliger Chef hatte wenig Verständnis dafür. Und so wie der wollte er nicht sein. Stattdessen hat er meine Entscheidung respektiert, mich unterstützt und sein Interesse bekundet, mich zukünftig als freien Mitarbeiter Projekte betreuen zu lassen. Das habe ich dankend angenommen, denn es hat mir natürlich schon mal etwas Sicherheit gegeben.

Trotzdem mussten Sie noch einige Hürden bis zur Gründung überwinden. Welche war die größte?

Ganz klar: die Antragstellung für den Gründerzuschuss. Sie war aufwendig und ich musste echt stark sein und für mein Ziel kämpfen. Im Endeffekt musste ich als nicht vermittelbar in meiner Region gelten, damit ich diese Leistung erhalten konnte. Und es liegt auch mit an der individuellen Einschätzung des jeweiligen Beraters bei der Arbeitsagentur, was der Antragsteller schließlich bekommt oder nicht bekommt. Ich hatte viele Gespräche.

Das war sehr zeitintensiv, aber es hat sich schlussendlich gelohnt. So bekomme ich nun in den ersten sechs Monaten, sprich: bis Ende dieses Monats, einen Betrag in Höhe des Arbeitslosengelds I, also zwei Drittel meines vorherigen Einkommens, und zusätzlich eine Pauschale von 300 Euro. Das hat mir zusätzliche Sicherheit gegeben. Jetzt gilt es für mich, nachzuweisen, dass ich die ersten sechs Monate genutzt habe. Dann bekomme ich für neun weitere Monate jeweils 300 Euro.

Haben Sie die ersten Monate genutzt?

Ich denke schon. Gerade von den zwei Monaten Elternzeit im Juni und Juli vergangenen Jahres, die ich direkt vor meine Bürogründung legen konnte, habe ich profitiert. Mit den Hochbauarchitekten von Architecture, Urbanism + Research Agency habe ich eine Bürogemeinschaft vereinbart. Ich konnte an Wettbewerben teilnehmen und etliche Kontakte zu weiteren Hochbauarchitekten reaktivieren.

Viele sagten mir, dass sie, wenn sie ein Projekt in Ulm oder Umgebung haben sollten, sich bei mir melden würden. Zudem habe ich einen Gründerzuschuss über die Hausbank bei der KfW beantragt, der erfreulich schnell bewilligt wurde. Dabei ging es mir einfach darum, dass ja Projekte erst einmal laufen beziehungsweise abgeschlossen sein müssen, bevor ich eine Rechnung stellen kann. Somit kommt in den ersten Monaten naturgemäß wenig Geld in die Kasse.

Hatten Sie sich denn konkrete Ziele für das erste halbe Jahr gesetzt?

Eher ein abstraktes Ziel: Ich wollte vom eigenen Büro leben können, sprich: mit der Familie so über die Runden kommen, dass weder meine Frau noch ich unruhig schlafen müssen.

Hat das mit der Nachtruhe ­funktioniert?

Ja, bis auf die Nächte vor Wettbewerbsentscheidungen. Da war ich dann doch sehr nervös und habe mich hin und her gewälzt. Hier hat sich für mich leider bis heute aber noch nichts Großes ergeben, also kein Wettbewerbsgewinn, bei dem die Landschaftsarchitektur im Vordergrund stand. Nur bei einer Mitarbeit an einem stadträumlichen Entwicklungskonzept konnte ich punkten. Stattdessen haben sich aber meine Kontakte ausgezahlt, wobei ich dazu sagen muss, dass ich auch viel Glück hatte.

Das Stuttgarter Architekturbüro Bez + Kock Architekten hat mich an die Stadt Ulm empfohlen. Sie suchten einen Landschaftsarchitekten für die Außenanlage des Neubaus ihrer zukünftig in einem Gebäude zentral zusammengefassten Bürgerdienste. Ich habe dadurch nicht nur den Auftrag bekommen, sondern er war auch der Türöffner für ein zweites Projekt der Stadt. Und der Projektsteuerer brachte mir ebenfalls Glück. Er fragte mich für einen Kinder­garten in Biberach an. Auch hier fehlte den Architekten nach ihrem Wettbewerbsgewinn noch ein passender Landschaftsarchitekt. So hatte ich auf einmal drei spannende Aufgaben und somit genug zu tun, was mich wahnsinnig gefreut hat.

Und bedeutet das jetzt zwar drei Stunden weniger pendeln, aber dafür drei Stunden mehr arbeiten pro Tag?

So schlimm ist es nicht. Das ist wohl wie bei den meisten Menschen unseres Berufsstandes so, dass die Arbeitsbelastung phasenweise sehr hoch ist und es dann auch mal wieder ruhigere Zeiten gibt. Ich teile mir die Arbeit so weit wie möglich flexibel ein: Mal bin ich morgens länger für unseren Sohn da und ansonsten bin ich oft mittags daheim zum gemeinsamen Essen. Wir alle in der Familie sollen wirklich von der neuen Situation profitieren.

Heißt das, Sie haben abends und an ­Wochenenden immer frei?

Nein, auch weil ich das Verhältnis von Projektarbeit zu administrativer Arbeit etwas unterschätzt habe. Die Marketinghülle, wie ich das nenne, sprich: die Akquise, die Bewerbung für Wettbewerbe und das Werben bei Kollegen vom Hochbau, nimmt für mich als Einzelkämpfer doch verhältnismäßig viel Zeit in Anspruch. Dazu kommt noch die Buchhaltung, die auch nicht „mal eben“ geht.

Trotzdem klingt ja vieles nach einem Traumstart bei Ihnen. Wie wollen Sie es ­hinkriegen, dass das immer so weitergeht?

Natürlich möchte ich den Kurs, den ich eingeschlagen habe, weiter so gut verfolgen. Doch mir ist auch bewusst, dass es wahrscheinlich nicht immer so weitergeht. Es werden auch mal andere Phasen kommen, in denen mir die Folgeaufträge nicht so in den Schoß fallen. Und ich habe auch schon gemerkt, dass dieses Gefühl, dass ich ganz allein zuständig und verantwortlich bin, in stressigen Zeiten nicht das schönste Gefühl ist. Doch das kann sich ja auch mal wieder ändern. Irgendwann würde ich schon gerne wieder im Team arbeiten, dann aber mit einem Mitarbeiter oder einem Partner.

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