Text: Hans Christian Schwenker
Ein Bauherr und ein Architekt stritten um die Abrechnung eines gekündigten Architektenvertrages. Der Fall ging vom Landgericht an das Oberlandesgericht Celle, das ihn wieder zurückverwies – mit Handlungsanweisungen zur Vergütung von Teilleistungen, die gar nicht oder nur teilweise erbracht worden waren (OLG Celle, Urteil vom 12.02.2014 – 14 U 103/13). Die Kernaussage des OLG-Urteils lautet: Wie die Architektenleistung dem Grunde nach zu vergüten ist, wenn Teilleistungen nicht oder nicht vollständig erbracht sind, richtet sich nach dem geschlossenen Architektenvertrag beziehungsweise den Vorschriften des Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Es richtet sich dagegen nicht nach der HOAI.
In dem Celler Fall hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige seinem Gutachten die Leistungsbilder der HOAI zugrunde gelegt, um den Umfang der geschuldeten Leistungen zu bestimmen. Die HOAI enthält aber keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architektenverträgen. Die in ihr geregelten Leistungsbilder sind Gebührentatbestände, mit denen die Höhe eines Honorars berechnet wird. Sie sind keine Leistungspflichtenkataloge. Ob überhaupt ein Honoraranspruch dem Grunde nach gegeben oder nicht gegeben ist, lässt sich nicht mit Gebührentatbeständen der HOAI begründen. Ein Vergütungsanspruch kann sich allein aus dem Vertrag zwischen dem Architekten und seinen Auftraggebern ergeben.
Die HOAI ist kein Vertragsrecht, sondern Preisrecht. Bauherr und Architekt können aber in ihrem Vertrag ein Leistungsbild der HOAI ganz oder teilweise zum Gegenstand der Leistungspflichten des Auftragnehmers machen. In diesem Fall erlangen die eigentlich rein preisrechtlichen Vorschriften der HOAI auch in diesem Sinne verbindlichen werkvertraglichen Charakter. Ein solcher Vertrag begründet im Regelfall die Vermutung, dass der Architekt die vereinbarten Arbeitsschritte als Teil des geschuldeten Gesamterfolgs schuldet, unabhängig davon, ob sie zum Erreichen des Hauptziels nötig sind – dem Entstehenlassen eines Gebäudes. Erbringt er dann einzelne Teilerfolge nicht, muss er sich eine Minderung seines Honorars gefallen lassen.
Leistungen im Vertrag definieren!
Anders und ungewisser sieht es aus, wenn die in der HOAI geregelten Leistungsbilder, Leistungsphasen oder einzelne Grundleistungen nicht ausdrücklich als Leistungspflichten vereinbart werden. Dann muss die Auslegung des Vertrags ergeben, was der Architekt schuldete. Sie kann ergeben, dass der Architekt weniger Leistungen erbringen muss, als in den Leistungsbildern der HOAI aufgeführt sind. Denn § 3 Abs. 2 HOAI bestimmt, dass Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, in Leistungsbildern erfasst sind. „Im Allgemeinen“ bedeutet: In einem konkreten Fall ist es abweichend vom Allgemeinen auch möglich, dass eine in der HOAI beschriebene Grundleistung nicht zur Erreichung des vertraglich vereinbarten Erfolges notwendig ist.
Größte Sicherheit schafft aber stets ein Vertrag, in dem Architekt und Bauherr die Leistungspflichten dezidiert regeln und weder eine Auslegung nach Werkvertragsrecht noch nach Leistungsbildern der HOAI nötig ist. Gibt es eine solche Regelung nicht, dann schuldet der Architekt über die Aufgaben hinaus, welche für die mangelfreie Errichtung des Bauwerks nötig sind, weitere Tätigkeiten, wenn aufgrund des konkreten Vertrags ein begründetes Interesse des Bauherrn an diesen Leistungen zu unterstellen ist. Dieses Interesse umfasst in der Regel die Vorgaben, die der Architekt den Bauunternehmern machen muss, damit diese die Planung vertragsgemäß umsetzen können. Hinzu kommen regelmäßig drei weitere Arbeitsschritte:
– solche, durch die der Auftraggeber später überprüfen kann, ob der Architekt den geschuldeten Erfolg vertragsgemäß bewirkt hat,
– solche, mit denen der Bauherr etwaige Gewährleistungsansprüche gegen Bauunternehmer durchsetzen kann – schließlich Arbeitsschritte, die zur Planung von Unterhaltsmaßnahmen und zur Bewirtschaftung des Bauwerks erforderlich sind.
Prinzipiell ist auch denkbar, dass Leistungen geschuldet werden, obwohl sie im betreffenden Leistungsbild in der HOAI gar nicht erwähnt sind. Dies hat der BGH unlängst in Bezug auf die Brandschutzplanungsleistungen durch den Gebäudeplaner bekräftigt.
Wie wirkt sich das geschilderte Prinzip auf die Vergütung aus? Die vom Architekten erbrachten Leistungen dürfen nach alledem nicht schlicht mit sogenannten Splitting-Tabellen, wie etwa der Siemon-Tabelle oder der von Simmendinger, verglichen werden, um das verdiente Honorar zu ermitteln. Vielmehr ist zunächst zu klären, welche Teilleistungen der einzelnen Leistungsphasen zu den vom Architekten zu erbringenden „Arbeitsschritten“ gehören. Dieses noch einmal betont zu haben, macht die Bedeutung der Cellöer Entscheidung aus.Tabulator für rechte Ausrichtungn
Hans Christian Schwenker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.
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