Text: Martin Obernesser
Nach dem Mindestlohngesetz hat grundsätzlich jeder Praktikant Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser ist nur dann nicht geschuldet, wenn einer der vier im Gesetz geregelten und weiter unten dargestellten Ausnahmefälle vorliegt. Damit gilt für Praktikanten ein “Regelausnahmeprinzip”. Mit der grundsätzlichen Einbeziehung von Praktikanten in das Gesetz soll ein möglicher Missbrauch des an sich sinnvollen Instruments des Praktikums eingeschränkt werden. Zudem gilt für Praktikanten im Sinne des Gesetzes auch das Nachweisgesetz, das den Arbeitgeber verpflichtet, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages aufzuzeichnen und dem Arbeitnehmer unterzeichnet auszuhändigen.
Der Praktikantenbegriff und damit der Anwendungsbereich des Gesetzes bleiben aber auch nach der neuen Gesetzeslage “geheimnisvoll”. Bei der Frage, wer Praktikant ist, wird die gesetzliche Lage dadurch unübersichtlich, dass das Gesetz zum einen in § 22 Abs. 1 Satz 2 auf den Praktikantenbegriff im Sinne von § 26 Berufsbildungsgesetz (BBiG) verweist – dort ist der Praktikantenbegriff aber gerade nicht definiert – und zum anderen in § 22 Abs. 1 Satz 3 den Begriff des Praktikanten selbst definiert.
Demnach ist Praktikantin oder Praktikant unabhängig von der Bezeichnung, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Nach der Gesetzesbegründung soll sich durch die – neue – Definition an der bisherigen Rechtslage nichts ändern; sie soll nur der Klarstellung dienen. Dies bedeutet z.B., dass Volontäre, Anlernlinge und andere Vertragsverhältnisse nach § 26 BBiG nicht unter das Mindestlohngesetz fallen.
Folgende vier Praktikantenverhältnisse fallen explizit nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes, so dass für diese Praktika ausnahmsweise kein Mindestlohn geschuldet ist.
– Das Praktikum ist verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie. Wer einen solchen Praktikanten beschäftigt, sollte sich im Zweifelsfall die Rechtsgrundlage vom Praktikanten konkret benennen und zeigen zu lassen, aufgrund derer dieses Praktikum abgeleistet werden muss.
– Ein Praktikum von bis zu drei Monaten wird zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums geleistet. Hier stellt sich das Problem der Verlängerung. Sollte das Praktikum auch nur einen Tag über drei Monate hinaus verlängert werden, besteht automatisch eine Vergütungspflicht und zwar nicht erst ab dem vierten Monat, sondern bereits ab dem ersten Tag und damit rückwirkend. Somit muss für die vorangegangenen drei Monate der Mindestlohn nachgezahlt werden.
– Das Praktikum von bis zu drei Monaten wird begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung geleistet und es hat nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden. Es handelt sich um ein sogenanntes freiwilliges Praktikum. Ein solches darf nur einmal bei dem gleichen Ausbildenden (= Arbeitgeber) abgeleistet werden. Dies bedeutet aber, dass nach einem Pflichtpraktikum gemäß Nr. 1 ein freiwilliges Praktikum gemäß Ziffer 2 und 3 abgeleistet werden kann.
– Die Praktikanten nehmen an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung) oder eine Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz teil.
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