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Sauber planen

27.02.20153 Min. Kommentar schreiben

08_Aktuelles7Die griechische Tragödie bezeichnet die Katharsis als Weg zur Läuterung der Seele von allem Unnötigen. Architektur-Dramatiker bemühten dafür das Motto „Less is more“. Weniger lyrisch Interessierte kommen mit „Werkgerechtigkeit“, „Handwerklichkeit“ oder „Tektonik“.

Fragen wir nach der Sauberkeit in der Architektur, sind wir rasch bei einer sauber geplanten Ausführungsvorbereitung: Ideenfindung gemeinsam mit dem Bauherrn, Raumprogramm, Haltung zu Umfeld und Aufgabe, integrativer Planungsprozess. Was so einleuchtend klingt, muss heute oft mühsam eingefordert werden. An die Stelle einer mit Kompetenz wahrgenommenen Verantwortung tritt allzu häufig die mediale Selbstdarstellung der Zuständigen. „Saubere Planungsprozesse“ muss deshalb eine zentrale Forderung der Architekten an ihre Bauherren sein.

„Das Saubere und Reine“ gilt seit Palladio als Verweis auf den göttlichen Ursprung der klassischen Architektur. Mir als barock geprägtem Oberschwaben fällt es schwer, die Reduktion auf das Notwendige als eigenständigen Wert jeder Architektur zu akzeptieren. Der sorgfältige Umgang mit der Form im Bewusstsein für die geistigen Traditionen, in die wir uns mit unserer Architektur stellen, bietet unerschöpflichen Stoff für eine substanzielle Baukulturdebatte, die wir als Architekten wieder zu führen lernen müssen. Nochmals zurück zum sauberen Handwerk, der klaren Konstruktion. Es ist dann doch erstaunlich, dass Architektur in Deutschland deutlich unterschiedliche Interpretationen anbietet. Die Frage muss erlaubt sein, ob der Rückgriff auf ein Ethos der Handwerklichkeit wirklich eine Basis für zeitgemäße Architektur bilden kann oder nicht in Wirklichkeit nur Ausdruck einer elitären Nostalgie ist. Übrigens: In Ravensburg habe ich die erste abgehängte Decke aus Ziegelsteinen gesehen…

Im Zeitalter weltweiter Epidemien und resistenter Keime geht es auch um faktische Hygiene.Doch oft stößt die Forderung nach größtmöglicher Sauberkeit trotz des enormen technischen Aufwands gerade da an ihre Grenzen, wo sie im medizinischen Sinne überlebensnotwendig ist.

Als Chef der Bundesstiftung Baukultur hat Reiner Nagel unlängst darauf hingewiesen, dass die Baukultur-Debatte im Kontext mit dem Weltgeschehen stattfinden muss. Es wäre fatal für die moralische Integrität von Architektur, wenn sie sich diesen Infragestellungen entziehen wollte. Denn auch Architekten müssen sich Fragen nach der gerechten Verteilung der Ressourcen und den sozialen Folgen ihres Tuns gefallen lassen. Ich sehe im Umgang mit diesen Themen die Chance, Architektur als gesellschaftliche Disziplin wieder viel mehr ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. „Sauberkeit“ heißt für Millionen Menschen Zugang zu gesundem Trinkwasser und Schutz vor Erkrankungen. Doch damit ist auch die Emissionsfreiheit von Gebäuden gemeint – eine Form von Sauberkeit, die in Deutschland vielleicht lästig erscheinen mag. Im globalen Maßstab ist diese Sauberkeit eine Tugend, die zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels und zum schonenden Umgang mit den beschränkten Energievorräten unseres Planeten beiträgt. Damit umzugehen erfordert, sich aus der Komfortzone eines ausschließlich ästhetisierten Architekturansatzes zu begeben. Eine plurale und offene, eine bewusst unperfekte Architektur, wie sie Günter Behnisch vertreten hat, kann da als Vorbild dienen.

Markus Müller ist Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg.

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