Text: Cornelia Dörries
Schwimm- und Hallenbäder sind hierzulande kein reines Vergnügen, sondern Einrichtungen der politisch garantierten, öffentlichen Daseinsvorsorge. Hervorgegangen aus den volkshygienisch begründeten Stadt- und Wannenbädern, hat sich eine Bäderlandschaft entwickelt, die in ihrer architektonischen Mannigfaltigkeit auch diese Entwicklung widerspiegelt: Wer in Deutschland gepflegt abtauchen möchte, hat, zumal in den großen Städten, die Auswahl zwischen kaiserzeitlichen Prachtbädern, Hallenbädern aus der frühen Moderne und den nüchtern-rechtwinkligen Zweckbauten der Nachkriegsära. Doch bei einem Großteil dieses Bestands ist mittlerweile schon aus energetischen Gründen eine Modernisierung fällig; viele Bäder sind strukturell verschlissen und müssen sowohl technisch als auch gestalterisch generalüberholt werden, um neben den vielen neuen, kommerziellen Bade- und Wellness-Angeboten bestehen zu können.
Zum Beispiel in Berlin: Hier verfügen die landeseigenen Berliner Bäderbetriebe (BBB) über 37 Hallenbäder, die pro Jahr etwa 50 Millionen Euro an Zuschüssen erhalten. Davon sind zehn Prozent ausschließlich für die Sanierung und Modernisierung vorgesehen. Im 2008 aufgelegten Berliner Bäder-Sanierungsprogramm wurden schon mehr als 90 Millionen Euro verbaut; zugleich ist aber die Zahl der Badegäste gesunken – seit dem Jahr 2000 um 42 Prozent. „Man muss sicher die Frage stellen, ob die Stadtbäder älteren Jahrgangs überhaupt noch den Ansprüchen des Publikums genügen“, gibt Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäderbetriebe (BBB), zu bedenken. Denn diese Bäder, viele davon Typenbauten aus den 1960er- und 1970er-Jahren, verfügen in der Regel nur über ein großes Schwimmbecken nebst separatem Nichtschwimmerbereich. Doch weil die Menschen heute mehr als nur Bahnen ziehen wollen, sondern in den Stadtbädern auch Fitness- und Präventionskurse, Wassergymnastik, Babyschwimmen sowie Wellness- und Entspannungsangebote erwarten, sind die vorhandenen Anlagen nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Matthias Oloew: „Es ist nur schwer möglich, die von der heutigen Nutzerschaft gewünschten Offerten in einem herkömmlichen Stadtbad zu integrieren. Die Schwimmer wären genervt von der Aqua-Gymnastikgruppe, die Rentner von den Sportkraulern und zwischendrin würden dann Babys planschen, deren Eltern sich darüber aufregen, dass ihre Kinder keine Ruhe haben.“ Es bräuchte verschiedene, nach Nutzergruppen differenzierte Becken unter einem Hallendach – für das sportliche Schwimmen, für Kursangebote, für Wellness und den vergnüglichen Familienbadespaß. Sie würden die Attraktivität erhöhen und dafür sorgen, dass den ganzen Tag über zahlende Badegäste kämen und nicht nur – wie jetzt – die einzelnen, streng separierten Nutzergruppen zu jeweils festgelegten Öffnungszeiten. Und ganz nebenbei würden solche Konzepte auch den dringend benötigten Umsatz sichern helfen, der dazu beiträgt, dass die Bäder überhaupt erhalten bleiben.
Doch welche Möglichkeiten bietet der bauliche Bestand im kommunalen Stadtbad-Portfolio, um solche Angebote zu realisieren? Die meisten Schwimmhallen und Stadtbäder haben keine räumlichen Reserven für die Erweiterung um zusätzliche Becken oder Saunalandschaften. Doch es geht ja auch weniger darum, jede vorhandene Schwimmhalle in ein modernes Bade- und Wellness-Paradies zu verwandeln, vielmehr ist eine differenzierte Strategie für die einzelnen Standorte gefragt.
Reiche Erfahrungen mit dieser komplexen Aufgabe haben Nils Meyer und Andreas Veauthier. Ihr früheres Büro Veauthier Meyer Architekten in Berlin war im Bereich Bädersanierung tätig. Seine Tätigkeit bildete das bauhistorische Spektrum der Typologie selbst geradezu exemplarisch ab und zeigt ganz nebenbei, ob und wie die verschiedenen Generationen von Stadtbädern den neuen Ansprüchen an diese Einrichtung gerecht werden können.
Die alte Pracht als Passepartout: Stadtbad Gotha
Das denkmalgeschützte Stadtbad der ehemaligen Residenzstadt Gotha in Thüringen wurde 1909 als zeittypisches Volksbad für die Ertüchtigung und Körperhygiene breiter Bevölkerungsschichten eröffnet. Der Jugendstilbau, errichtet nach Plänen von Stadtbaurat Wilhelm Goette, bildete zusammen mit einer benachbarten Schule ein eindrucksvolles Ensemble kaiserzeitlicher Architektur und diente bis zur Wende als städtisches Schwimmbad. Nach dem Verkauf an einen Privatinvestor lag es lange Jahre brach. 2007 erwarb die Stadt Gotha die Immobilie wieder und lobte im selben Jahr einen europaweiten Architekturwettbewerb aus, bei dem es darum ging, den geschichtsträchtigen Bestand in das Herzstück eines barrierefreien Sport-, Gesundheits- und Freizeitkomplex zu verwandeln.
Der siegreiche Entwurf von Veauthier Meyer Architekten aus Berlin sah neben einer Neuordnung der Außenanlagen die Erweiterung des Altbaus um zwei zeitgemäß und funktional gestaltete, semitransparente Neubaukuben vor, die leicht zurückgesetzt an die westliche und östliche Seite des historischen Gebäudes gefügt wurden. Sie beherbergen den Sauna-Bereich (westlicher Trakt) sowie einen Schwimm- und Lehrbad-Teil (östlicher Trakt). Der Altbau wurde nach denkmalpflegerischen Kriterien renoviert, dient mit Haupteingang und öffentlichen Flächen als zentraler Erschließungsbereich und gibt in seiner räumlichen und farblichen Ausgestaltung das atmosphärische Leitmotiv der gesamten Anlage vor. Das historische Schwimmbecken in diesem Teil wird jetzt für Gesundheitskurse und Nichtschwimmer-Anwendungen genutzt; Sport- und Vereinsschwimmen findet in der östlich anschließenden Halle mit wettkampftauglicher 25-Meter-Bahn und Sprungturm statt. Eine große Treppenanlage verbindet die beiden Gebäudeteile und übernimmt auf der Seite der neuen Anlage zugleich die Funktion einer Zuschauertribüne. Die Sauna-Nutzungen konzentrieren sich im Neubaukubus auf der anderen Seite der Anlage; die ehemaligen Saunaabteilungen des Altbaus wurden denkmalgerecht zu Aufenthalts- und Ruhezonen umfunktioniert.
Dank der vorhandenen Reserven, die der Altbau auch aufgrund der nicht mehr nötigen Wannenbäder vorhielt, ließ sich zusammen mit den zeitgenössischen Erweiterungsbauten ein komplexes Raumprogramm realisieren, das keine Wünsche offenlässt: Ob Sport oder Wellness, Erholung oder Badespaß – das Stadtbad Gotha ist seit der Eröffnung im April 2014 wieder eine Adresse für alle.
Exklusives Denkmal: Schwimmhalle Finckensteinallee in Berlin
Unter ganz anderen Prämissen erfolgte die Erneuerung der backsteinernen Schwimmhalle in der Finckensteinallee in Berlin-Lichterfelde. Das Gebäude befindet sich auf dem Gelände einer früheren Kadettenanstalt, die ab 1933 von der SS-Leibstandarte Adolf Hitler und der Landespolizeigruppe genutzt wurde. 1938 eröffnete hier das von Karl Reichle und Karl Badberger in monumentalem Axialstil entworfene Schwimmbad, das zum Zeitpunkt seiner Entstehung zu den größten und modernsten Anlagen des Kontinents gehörte. Nach dem Ende des Krieges wurde das Hallenbad lange Jahre von den Alliierten genutzt und stand nach deren Abzug Mitte der 1990er-Jahre bis zur Sanierung durch Veauthier Meyer Architekten leer. Für die Betreiber, die Berliner Bäderbetriebe, ist die 2014 erfolgte Wiederinbetriebnahme der denkmalgeschützten Liegenschaft eine Art Prestigeprojekt.
Denn der Exklusiv-Charakter der Anlage, die als elitäre Sportstätte entstand, ließ sich gewissermaßen nicht wegmodernisieren: Es gibt hier weder Baby-Planschen, Kurs- oder Nichtschwimmerbecken noch einen Wellness-Bereich. Auch heute kann man hier nur sportlich seine Bahnen ziehen; das aber in einem wettkampftauglichen 50-Meter-Becken und in denkbar großzügiger Atmosphäre. Die Deckenhöhe von 15 Metern, damals nötig für den inzwischen demontierten 10-Meter-Sprungturm, verursacht beträchtliche Lüftungskosten. Das erscheint in einem kommunalen Hallenbad ebenso verschwenderisch und teuer wie die edlen, denkmalpflegerisch reparierten Marmor- und Natursteinoberflächen und Wandreliefs. „In betriebswirtschaftlicher Hinsicht ist dieses Bad eigentlich eine Katastrophe“, gesteht BBB-Sprecher Oloew. „Ein Neubau mit der gleichen Ausstattung wäre günstiger zu errichten und energetisch wesentlich preisgünstiger zu betreiben gewesen.“ Doch als öffentliche Institution stehen die Bäderbetriebe auch für die Belange des Denkmalschutzes in der Pflicht, der sie in diesem Fall vorbildlich nachgekommen sind.
Kompakt und funktional: die Hallenbäder Fischerinsel und Hüttenweg in Berlin
Die Hallenbäder der 1970er-Jahre wurden vor allem nach wirtschaftlichen und funktionalen Kriterien geplant. Die kompakten Typenbauten in Ost und West eint ein höchst ökonomischer Umgang mit Fläche, Größe und Betriebsorganisation, auch wenn sich dies- und jenseits der Mauer im Detail durchaus unterschiedliche gestalterische Ausprägungen zeigen. Diese Parallelen zogen Veauthier Meyer Architekten bei den fast zeitgleich erfolgten Sanierungen einer Schwimmhalle auf der Fischerinsel im Ostteil der Stadt sowie der Anlage Hüttenweg im Westen. Bei beiden Bauten ging es vorrangig um die energetische Modernisierung, also die Erneuerung der technischen Anlagen sowie die Ertüchtigung der Gebäudehülle. Doch im Laufe der Arbeit ergaben sich daraus auch Fragen des architektonischen Umgangs mit dem Bestand. Bei beiden Projekten stand der respektvolle Umgang mit der unverstellt erhaltenen Architektur der Entstehungszeit im Mittelpunkt. Die wahlverwandtschaftliche Charakteristik der West- und Ost-Moderne sollte mit behutsamen Mitteln aufgefrischt, jedoch unverändert erhalten bleiben. Dies gelang vor allem durch umfassende Farbkonzepte und differenzierte Beleuchtungsszenarien.
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Kommentar zum Artikel „Nicht nur Bahnen ziehen“ S. 21 f in DAB 03-15
In dem Artikel wird das Raumvolumen der Schwimmhalle Finkensteinallee in Berlin als verschwenderisch dargestellt. Es stellt sich die Frage, ob man das zu beheizende Raumvolumen nicht durch eine demontable Zwischendecke in etwa halbieren könnte. Gedacht ist an transparente einhängbare Planen oder Folien mit Dämmwirkung, die eine Deckenlandschaft (neutral, Meer, Himmel, Pflanzen, Wüste etc.) darstellen könnten. Auswirkungen auf Fensterlüftungsflügel, TGA wie z. B. Beleuchtung, Lüftung oder Klimatisierung etc. müssten dabei beachtet werden. Rentabillitätsfragen wären zu klären einschl. des Reinigungs- und Wartungsaufwandes. Eine Mindestraumhöhe
zur evtl. Nachrüstung eines 3-Meter-Sprungturmes würde erhalten bleiben. Eine Fachberatung könnte weiterhelfen.