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Chlorhuhn und Baukultur

Europäische und US-amerikanische Architekten fassen auf dem jeweils anderen Kontinent nur schwer Fuß. Daran dürfte auch das geplante Handelsabkommen TTIP wenig ändern.

26.02.20155 Min. Kommentar schreiben

32_TTIPEuropäische und US-amerikanische Architekten fassen auf dem jeweils anderen Kontinent nur schwer Fuß. Daran dürfte auch das geplante Handelsabkommen TTIP wenig ändern.

Geht es um den transatlantischen Freihandel zwischen Europa und den USA, dann kommt rasch das sogenannte Chlorhuhn ins Spiel: In den USA wird Geflügel nach dem Schlachten mit Chlordioxid desinfiziert, in Europa nicht. Gegner eines freieren Warenaustauschs warnen: Das und viel mehr drohe in Europa auch. Für sie symbolisiert das chemisch gesäuberte Tier all das, was nach Abschluss des gerade verhandelten Handelsabkommens TTIP auf uns zu rollen könnte.

Auch auf Architekten? Deren leichtere Zulassung auf dem jeweils anderen Kontinent wird ebenfalls im Fahrwasser des TTIP verhandelt. In Europa werden Befürchtungen laut, US-typische Architektur-Konzerne wie Perkins + Will (1.500 Beschäftigte), Gensler (4.600) oder Aecom (weltweit knapp 100.000, darunter eine ungenannte Zahl von Architekten) würden dann unseren Kontinent überschwemmen. Umgekehrt fürchten amerikanische Kollegen die Konkurrenz wuseliger europäischer Kleinbüros, die größere Kenntnisse in Energieplanung und mehr Sinn fürs Ganzheitliche im Bauen und Bewirtschaften mitbringen könnten.

Aber das Abkommen dürfte für Architekten auf beiden Seiten des Atlantiks wenig ändern. Schon vor rund 15 Jahren begannen EU und USA Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung von Architekten. Das Problem ist aber, dass die USA hier noch dezentraler organisiert sind als unser Kontinent: Nicht Washington regelt die Zulassung, sondern die Einzelstaaten. Sie wären in diesem Punkt nicht an eine TTIP-Vereinbarung gebunden.

Dennoch wird in diesem Rahmen jetzt erneut verhandelt. Der europäische Architekten-Dachverband ACE ist eingebunden – und über ihn die deutsche Bundesarchitektenkammer. Es geht darum, für den Berufsstand Flagge zu zeigen, die eine oder andere Erleichterung herauszuholen und zugleich sicherzustellen, dass nicht am Ende nur amerikanische Kollegen von einer stärkeren Öffnung Europas profitieren.

Doppelte Fron für Europäer

Wer als europäischer Architekt in den USA arbeiten will, muss heute oft eine doppelte Fron durchlaufen, für die das ­National Council of Architectural Registration Boards (NCARB) den Rahmen gesteckt hat. Das macht es vor allem jüngeren Architekten schwer: Sie müssen vor einer eigenständigen Zulassung zunächst nochmals studieren und dann drei Jahre US-Praxis nachweisen – „Intern Development Program“ heißt das Stichwort. Davon kann sich befreien lassen, wer vor September 1999 in einer deutschen Kammer war oder zwischen 1999 und 2010 fünf Jahre darin Mitglied gewesen ist.

Auch dann ist aber die zweite hohe Hürde zu überwinden: das bei Kandidaten berüchtigte „Architect Registration Examination“, eine Serie von gleich sieben Prüfungen, in der örtliches Baurecht und je nach Bundesstaat auch Planungsregeln für kalifornische Erdbeben- oder floridianische Hurrikansicherheit abgefragt werden. In Deutschland würde das der Statiker berechnen; in den USA müssen es Architekten selbst können. Der Vorbereitungsaufwand für die Prüfungen ist immens und die Durchfallquote trotzdem hoch – und für viele dann der Traum vom US-Architektentum aus. „Ich sehe das klar als Zutrittsbarriere“, sagt der Architekt Tom Winter. „Wenn es wirklich der Qualitätssicherung dienen würde, wäre es praxisnäher.“ Eine gewisse Erleichterung soll Architekten mit mindestens sieben Jahren Erfahrung das Programm „Broadly Experienced Foreign Architect“ (BEFA) bringen. Aber auch dies verlangt noch diverse Bescheinigungen, Nachweise, Referenzen und ein Interview beim NCARB.

Tom Winter selbst hat es auch so geschafft. Der Deutsche begann 2002 in New York, überstand die nach seinen Worten „ziemlich praxisferne“ Prüfung, gründete 2004 sein eigenes Büro und plant seitdem überwiegend Einfamilienhäuser, die in Luxuslagen am Wasser schon mal knapp 1.000 Quadratmeter haben können, und Geschossbauten zum Wohnen. Winter schwärmt davon, „die Perspektive einer europäischen Baukultur in den New Yorker Kontext einzubringen“ – und umgekehrt: Inzwischen hat er auch ein Büro in Berlin gegründet. Nebenbei ist er New Yorker Kontaktmann des deutschen Architektur-Exportwerks NAX, das von der Bundesarchitektenkammer ins Leben gerufen wurde. Er gibt interessierten Deutschen Tipps für den US-Start und nennt potenzielle lokale Partnerbüros – wenn es passt, auch sein eigenes. „Ich sehe solche Partnerschaften als große Chance für deutsche Architekten“, sagt er. „Der US-Partner deckt die Rahmenbedingungen ab, der Deutsche bringt sein Know-how ein – nicht zuletzt in der Energieplanung.“ Von solchen privaten Lösungen erwartet Winter weit mehr als von politischen wie dem TTIP.

Dieses weckt bei vielen Menschen ohnehin mehr Angst als Hoffnung. Sollte Europa gar nicht mehr darüber verhandeln, zumindest nicht in Sachen Architektur? Auch das wäre eine Option. Allerdings sind die EU-Länder im Weltmaßstab relativ großzügig, was die Zulassung fremder Architekten betrifft. Das gilt auch für US-Kollegen, die hier momentan leichter Fuß fassen können als europäische Architekten dort. Bleibt alles beim Alten, bleibt es auch bei diesem Ungleichgewicht.

Um es zu beheben, müsste entweder die Mauer zugunsten europäischer Architekten per TTIP eingerissen werden – oder sie müsste bei uns nach außen erhöht werden, mit Trend zur Architektur-Festung Europa. Aber würde uns eine baukulturelle Abschottung guttun? Und brauchen wir sie überhaupt? Für die amerikanischen Planungskonzerne ist unser Kontinent im Weltmaßstab wenig attraktiv. Nicht einmal EU-interne Architektur-Konglomerate wie die britische Atkins mit ihren 18.000 Beschäftigten fassen auf dem europäischen Festland richtig Fuß.

Europäische Architekten könnten aber von weiteren Regelungen oder De-Regulierungen durch TTIP betroffen sein. Die USA kennen (wie viele europäische Länder) keine Honorarordnung; auch das Urheberrecht ist schwächer. Beides soll aber nicht durch das Abkommen angeglichen werden. Ein Thema für sich sind öffentliche Ausschreibungen – ein hoch komplexes mit schon jetzt vielen internationalen Regeln, etwa in Abkommen der Welthandelsorganisation WTO und in der EU-Vergaberichtlinie. Auch hier achten die Brüsseler und Berliner Architektenvertreter auf die Interessen des Berufsstands.


DETAILS ZUR ARBEIT IN DEN USA
www.nax.bak.de
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