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Kreislauf aus Beton

Recycling-Beton im Hochbau schont die Umwelt und oft auch die Kasse. Architekten sind gefordert, bereits bei der Planung an die Wiederverwendung des Materials zu denken.

28.04.20157 Min. Kommentar schreiben
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Handlich: Recycling-Beton hat teilweise bessere Verarbeitungseigenschaften als neuer.

Text: Veronika Brugger

Altbeton gibt es in rauen Mengen; in den Ballungszentren liegt er wegen der vielen Abrisse oft quasi um die Ecke. Auch die Qualität des Abrissmaterials ist gut, weil viele Gebäude aus den Jahren 1950 bis 1970 abgerissen werden. In diesen Jahren wurde mit reinem Beton gebaut, der sich heute sortenrein zurückbauen lässt. Gesteinskörnungen aus Altbeton werden als Zuschlagstoffe im Recyclingbeton für neue Hochbauten genutzt. Voraussetzung ist ein selektiver Rückbau, bei dem die Materialien an der Abbruchstelle sortiert werden.

Schweizer Avantgarde

Recyling-Beton, abgekürzt RC- ode auch R-Beton, steckt in zahlreichen Bauwerken, die es in den letzten Jahren in die Hochglanzmagazine geschafft haben. Vorreiterin ist die Schweiz: Aus wiedergewonnenem Material besteht zu drei Vierteln das Schulhaus von Christian Kerez in Zürich-Leutschenbach mit seiner auffallenden Fachwerkkonstruktion im vierten Obergeschoss. Baumschlager Eberle bauten das „e-Science Lab“ der ETH Zürich aus rezykliertem Beton. Die Erweiterungsbauten der Schulanlage Hirzenbach in Zürich von Roger Boltshauser sind sogar vollständig mit Sichtbeton aus Recyclingmaterial ausgeführt. Im Rohbau der Ersatzneubauten der Züricher Siedlung Werdwies von Adrian Streich haben die Gesteinskörnungen der Vorgängerbauten aus den 1950er-Jahren an Ort und Stelle ihre neue Verwendung gefunden.

Ursprung des Betonrecyclings in Zürich war die Sanierung der Start- und Landebahnen am Flughafen Kloten vor gut zehn Jahren. Dabei fiel auf einen Schlag sehr viel sortenreiner Altbeton an, der ökonomisch und ökologisch schlüssig weiterverwendet werden sollte. So führte helvetischer Pragmatismus zu eleganter Betonarchitektur. Wenn die öffentliche Hand in Zürich heute Bauvorhaben vergibt, verlangt sie die Verwendung von Recyclingbeton. Private Bauherren erhalten das Schweizer Label Minergie-Eco, wenn sie rezyklierten Beton verbauen, doch muss der Stoff im Umkreis von 25 Kilometern angefallen sein.

Nicht zu nah an der Kiesgrube

Egal ob in der Schweiz, in Deutschland oder anderswo: Bei allem ökologischen Charme kann die Verwendung von Recycling-Beton kein Dogma sein, sondern nur im sinnvollen Einzelfall beschlossen werden. Gibt es zum Beispiel vor Ort Kies, kann der Transportaufwand für gebrauchten Beton viel zu hoch sein.

Auch die Entfernung zum Brechwerk, das aus dem Abbruchmaterial die Gesteinskörnungen herstellt, spielt eine Rolle. Mobile Brechwerke an der Abbruchstelle sind nur sinnvoll, wenn es ausreichend Platz auf der Abbruchstelle gibt. Zudem können mobile Brechwerke nicht fein sortieren. Sie machen aber viel Staub und Lärm, was vor allem bei den vielen Abbruchstellen in Innerstädten nicht in Frage kommt.

Walter Feeß im schwäbischen Kirchheim-Teck ist mit seinem Abbruchunternehmen Vorreiter für den Recyclingbeton im Südwesten. Er setzt mobile Brecher nur auf Industriebrachen und ehemaligen Militärgebieten ein und auch nur, wenn es nicht „pressiert“, also ausreichend Zeit für das Sortieren und Brechen vor Ort ist.

In Betonwerken, in denen Recyclingbeton hergestellt wird, werden die Abläufe an das neue Material angepasst. Die rezyklierten Gesteinskörnungen müssen auf dem Betriebsgelände gesondert gelagert werden. Auch beim Transport muss peinlichst darauf geachtet werden, dass die aus dem Abbruch gewonnenen Gesteinskörnungen sich nicht mit primären Rohstoffen vermischen.

Nach der Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton ist Recyclingbeton bereits seit mehr als zehn Jahren ein eingeführter und normierter Baustoff. Die übliche Zertifizierung und Überwachung einer neuen Rezeptur ist, wenn sie erst einmal in den Ablauf integriert ist, nicht aufwendiger als für herkömmlichen Beton. Sobald das Abbruchmaterial gefunden und für eine erste Probe verarbeitet ist, prüft die zuständige Stelle nach denselben Parametern wie bei Primärbeton. Hat das Recyclingmaterial das europataugliche CE-Kennzeichen, kann das Betonwerk die für den Bau berechneten Mengen der erforderlichen Gesteinskörnungen herstellen und die Zuschlagstoffe auf der Baustelle zu Fertigbeton verarbeiten.

Eine Hürde ist voraussichtlich bis Ende 2015 die noch nicht normierte Umweltverträglichkeitsprüfung. Bis diese wieder vereinheitlicht ist, muss jede Gesteinskörnung eine bauaufsichtliche Zulassung durchlaufen. Das kostet Zeit, Nerven und 500 bis 600 Euro pro Bauvorhaben.

Als Zuschlagstoffe für den Recyclingbeton können die Gesteinskörnungen Typ 1 und Typ 2 bis zu einer Druckfestigkeitsklasse C30/37 hergestellt werden. In Deutschland wird Recyclingbeton nur mit einem Anteil von maximal 45 Prozent rezyklierter Gesteinskörnung verbaut. In der Schweiz werden beide Typen bis zu 100 Prozent dem Beton zugeschlagen. Die Rezepturen bleiben im Wesentlichen dieselben wie beim Beton mit Zuschlagstoffen aus primären Rohstoffen. Für den umweltverträglichen Recyclingbeton werden grundsätzlich die gleichen Eigenschaften beschrieben wie für Primärbeton. Nur für Bauteile aus Spann- oder Leichtbeton hat der Recyclingbeton keine Zulassung.

Pionierprojekte: Stuttgart und Berlin

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So gut wie neu: Recycling-Beton im Forschungs- und Laborgebäude für Lebenswissenschaften der Berliner Humboldt-Universität. Architekten sind Bodamer Faber aus Stuttgart.

Wenn in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und aktuell auch in Berlin mit Recyclingbeton gebaut wird, handelt es sich um Pilotprojekte, die von den Landes-Umweltministerien, dem Ifeu-Institut in Heidelberg oder Universitäten auf den Weg gebracht werden. Sie unterstützen die Planer und die bauausführenden Firmen mit Rat und Tat. Etwa den Bau- und Wohnungsverein Stuttgart: Er errichtete im Stadtteil Ostheim 103 Neubauwohnungen mit einer Geschossfläche von 8.500 Quadratmetern nebst Kindertagesstätte, Sozialstation und Café. Für dieses Vorhaben hat der Verein mit Zuschlagstoffen aus Altbeton des Typs 1 gebaut. Er entstammte dem Abriss von sechs Gebäuden aus der Gründer- und Nachkriegszeit. Weitere fünf Gebäude werden kernsaniert.

Thomas Wolf, Vorstand des Vereins, beziffert die Kosten für den gesamten Rohbau mit 860.000 Euro, 6.500 Euro davon sind die Mehrkosten für den Recyclingbeton. Sie resultieren aus den veränderten Herstellungsprozessen, die für die noch neuen Zuschlagstoffe in den Betonwerken eingerichtet werden müssen. Wenn die rezyklierten Zuschläge Standard sein werden, sind fallende Preise zu erwarten. Jetzt ist der Verein noch einen Schritt weiter gegangen und plant Neubauten mit Zuschlagstoffen vom Typ 2 aus Ziegelsplitt.

In Berlin hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Die Humboldt-Universität als Bauherrin war gerne bereit, das Laborgebäude für Lebenswissenschaften mit dem innovativen Recyclingmaterial errichten zu lassen. Der Bauleiter zeigt sich begeistert vom neuen Material. Weder optisch noch in den Verarbeitungseigenschaften sieht er ein Defizit im Vergleich zu ­Beton aus primären Rohstoffen. Er bemerkt sogar bessere Verarbeitungseigenschaften.

Außen ist die Fassade des organisch geformten Baukörpers mit Glaspaneelen in changierenden Grüntönen verkleidet. Im Inneren ist der wiederverwendete Stoff als Sichtbeton verarbeitet. Die zum Teil in kleinen Radien gekrümmten Wände in den Gängen und Kommunikationszonen wurden alle mit Recyclingbeton hergestellt. Der planende Architekt Hansjörg Bodamer sieht keinerlei Einschränkung in Entwurf und Planung.

Berlins Senatsverwaltung hat in der Ausschreibung einen Bonus für die Nichtinanspruchnahme der Flächen für den Kiesabbau und die geringere Umweltbelastung durch eingesparte Transporte angerechnet. Jetzt plant das Land sogar, für öffentliche Hochbauvorhaben zukünftig verpflichtend Recyclingbeton auszuschreiben. Senatsmitarbeiter haben bereits im Pilotprojekt die Beteiligten an einen Tisch gebracht. Die Recyclingfirmen und die Betonwerke haben normalerweise keinerlei Anlass, miteinander zu sprechen – geschweige denn, ein experimentelles Projekt für den Ressourcen- und Umweltschutz zu initiieren.

Damit der umweltverträglichere Baustoff ein gängiges Produkt wird, braucht es mehr Nachfrage. Die Frage mit welchen Materialien gebaut wird, sollte als ein klassisches Querschnittsthema dringend auch in der Baukultur-Szene diskutiert werden. Die Entscheidung über das Baumaterial mit all ihren Auswirkungen gehört in die Hände derer, die sich für die Gestaltung der gebauten Umwelt einsetzen und buchstäblich diesen Stein ins Rollen bringen.

Architekten stellen auch die Weichen für den sortenreinen Abbau. Damit nicht mehr zu nutzende Bestandsgebäude selektiv, also nach Materialien getrennt, rückgebaut werden können, muss entsprechend geplant und dokumentiert werden. Verbundmaterialien sollten tunlichst vermieden werden, damit künftige Generationen die Baumaterialien später wiederverwenden können. Die Architektur wird damit selbst zur Strategie für einen funktionierenden Stoffkreislauf.

Veronika Brugger ist Publizistin, Kuratorin und Architekturvermittlerin in Berlin.


Ausführliche Informationen zum Beton-Recycling bietet das Umweltministerium Baden-Württembergs in einer Online-Broschüre.

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