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Gepflanzte Module

Deutschlands Weltausstellungs-Pavillon in Mailand zeigt organische Photovoltaikzellen in einem leichten Seilnetz-Tragwerk.

28.04.20154 Min. Kommentar schreiben
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Der Sonne entgegen: Das Dach aus Photovoltaik-Modulen bildet die Kronen der „Solarbäume“, die wirken wie aus dem Pavillon emporgewachsen.

Text: Elke Kuehnle

Organische Photovoltaik-Module, integriert in die „Solarbäume“ des deutschen Expo-Pavillons in Mailand von Schmidhuber Architekten aus München – das sollte ursprünglich nur ein kleines Demonstrationsprojekt auf der aktuellen Weltausstellung sein. Überraschend wurde daraus ein buchstäbliches Highlight in puncto Energie und Material. Die „Solarbäume“ sind stilisierte Pflanzen mit organischen Photovoltaik-Modulen, die aus der Ausstellung emporwachsen und ein futuristisches Membrandach entfalten. Damit spenden sie den Besuchern Schatten und produzieren gleichzeitig Energie, die – in einem Lithium-Ionen Akku zwischengespeichert – abends zur Beleuchtung des Bauwerk genutzt wird.

Damit die organischen Photovoltaikzellen (OPV) den freien Formen der Solarbäume folgen, wurden sie in ein neuartiges, leichtes Seilnetz-Tragwerk eingebettet. Entwickelt wurde das Befestigungsprinzip von der Carl Stahl GmbH aus Süßen mithilfe parametrischer Software und in Kooperation mit den Architekten sowie dem Hersteller der Solarfolien Belectric OPV aus Nürnberg. Damit eröffnet sich eine gestalterische Freiheit, wie sie Architekten bei der Anwendung von photovoltaischen Materialien an Bauwerken schon lange fordern. Längst geht es nicht mehr um das schlichte Anschrauben von Solarpaneelen auf Dächern oder an Hauswänden, sondern um attraktive und funktionale Materialien – einem architektonischen Konzept folgend, nicht nur appliziert und die Optik störend. Potenzial dafür gäbe es für die OPV-Anwendung hierzulande mit einer geschätzten Fläche von rund 300 Quadratkilometern genug.

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Wabenstruktur: Dank der Einbettung in ein leichtes Seilnetz-Tragwerk ist die Form des Solardachs frei gestaltbar – Ökologie trifft Parametrie.

Lennart Wiechell, leitender Architekt und Managing Partner bei Schmidhuber, wagt große Worte: „Mit dem OPV-System wurde ein Meilenstein in der Welt der nachhaltigen Energien geschaffen.“ Seilnetz und Solarzellen wiegen auf einer Fläche von 25 mal 11 Metern – so groß ist etwa das Blätterdach eines Baumes – gerade einmal 70 bis 90 Kilogramm. Verwendet wurden hier blaue Zellen; verfügbar sind sie aber auch in Rot und Gelb. Solche Installationen können durchaus wirtschaftlich sein. Hermann Issa, Director Business Development & Sales bei Belectric OPV: „Bisher standen bei gebäudeintegrierten Anwendungen meist die Zusatzkosten im Vordergrund. Inzwischen überwiegen jedoch die Vorteile dieser Technologie.“ Solche Installationen benötigen nur 100 Volt, liegen also unter der 120-Volt-Gleichstrommarke. Damit gelten sie als ungefährlich, sind nicht anfällig für Kurzschlüsse, Hitze, Kälte oder Wasser. Solche Flächen kann man problemlos berühren. Außerdem sind die OPV-Zellen verschattungsresistent. Dadurch produzieren sie auch bei schlechtem Wetter oder bei Dämmerlicht gleich viel oder sogar mehr Energie, als herkömmliche Solarzellen.

Landschaft aus Holz, Beton und Stahl

Lennart Wiechell erläutert die Idee des Pavillons: „Architektur als gebaute Landschaft, die licht ist, luftig und durch die man hindurchwandeln kann.“ Dazu gehört auch, möglichst wenig Material mit dem größtmöglichen Nutzeffekt zu verwenden. Zum Pavillon führt eine eingeschossig ansteigende Rampe. Das Gebäude selbst ist zwei- und an manchen Stellen dreigeschossig angehoben. Die Stahlkonstruktion ist nach Brandschutzrichtlinie F60 und nach italienischen Normen für Theaterbauten ertüchtigt. Die gestaltprägende Haut bildet eine Holzkonstruktion, die auf der Stahl-Beton-Verbundkonstruktion aufsitzt und sich über das gesamte Oberdeck zieht. Aus dem Untergeschoss sprießen die futuristischen „Ideen-Keimlinge“ empor. Das frei zugängliche Oberdeck mutet wie eine modern interpretierte Flurszenerie an und dient als Picknicklandschaft beziehungsweise als Plaza mit ansteigenden Grünterrassen und Blick über das Ausstellungsgelände.
38 Artikel5Besucher werden dort zum Ausruhen und Verweilen eingeladen. Dabei können die Gäste entlang der Stämme der Solarbäume in das Innere des Pavillons blicken, was die Neugier für die Ausstellung über nachhaltige Ernährung und die Show wecken soll.

Die Architekten verkleideten die Stahlkonstruktion innen nicht mit weiteren Materialien. Es kommen auch keine zusätzlichen Wand- oder Bodenmaterialien zum Einsatz. Beeinträchtigungen durch Schall, Wind und Wetter werden in diesem Fall bewusst in Kauf genommen. Lennart Wiechell: „Wir halten das bei temporären Bauten für sinnvoll, weil es das Bauvolumen und damit den Verbrauch von Rohstoffen senkt.“

Das Gebäude ist natürlich belüftet. Den Wärmeeintrag durch die Sonnenstrahlung hält die vorgehängte Lamellen-Fassade aus Faserbeton ab. Dahinter befindet sich eine offenporige Membran, die wie ein Fliegenschutzgitter funktioniert und durch die die Luft frei ventiliert. Bei Spitzenbesuchszeiten und hohen Außentemperaturen wirkt die natürliche Kühlung des Bauwerks, indem die Luft bodennah in das Gebäude strömt und von dort durch die offenporige Fassade nach oben abzieht. Bereits bei der Planung des Gebäudekonzepts wurde der Rückbau bedacht.

Elke Kuehnle ist freiberufliche Journalistin in Düsseldorf

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