Ob ein Park über dem Einkaufszentrum oder ein Naturdach mit Biotopcharakter: Mit den heutigen Systemen lassen sich auch ausgefallene Gründächer realisieren.
Attraktive Dachbegrünungen sind ein fester Bestandteil moderner Architektur. Ob Extensivbegrünung oder Dachgarten: Bei der Planung sind vor allem die statischen Anforderungen an das Bauwerk möglichst frühzeitig festzulegen. Für nachträgliche Maßnahmen beim Bauen im Bestand ist vorab die Tragfähigkeit der Dachkonstruktion zu prüfen. Das Flächengewicht des Gründachaufbaus wird wesentlich durch das Substrat bestimmt. Pro Zentimeter Schichtdicke können etwa 10 bis 13 kg/m2 für die Mineralsubstrate in wassergesättigtem Zustand angesetzt werden. Das Flächengewicht des gesamten Aufbaus beträgt bei einer Sedumbegrünung mit einer Schichtdicke von sechs Zentimetern Substrat inklusive Vegetation, Filter- und Dränschicht circa 80 bis 100 kg/m2. Mit speziellen Leichtsystemen kann die Substratschichtdicke auf vier bis fünf Zentimeter und damit das Flächengewicht des Gründachaufbaus auf 60 bis 70 kg/m2 reduziert werden. Intensivbegrünungen verlangen wesentlich höhere Schichtdicken. Einfache Aufbauten sind ab 20 Zentimeter Substrat mit Flächengewichten von insgesamt etwa 300 kg/m2 realisierbar. Größere Gehölze benötigen Substratschichten ab 50 Zentimeter. Entsprechend erhöht sich das Flächengewicht und kann mehr als 1.000 kg/m2 erreichen. Wird die Dachfläche genutzt, sind zusätzlich die Verkehrslasten zu berücksichtigen.
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Geprüfter Wurzelschutz
Gründächer lassen sich auf allen gängigen Unterkonstruktionen realisieren; die Tragfähigkeit von Leichtdächern ist hier allerdings oft begrenzt. Der Durchwurzelungsschutz ist bei zweilagigen Bitumendächern in die Oberlage integriert. Auch Kunststoffbahnen für einlagige Abdichtungen mit dauerhaft funktionierendem Durchwurzelungsschutz sind mittlerweile in großer Auswahl verfügbar. Bei der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung (FBB) kann eine Übersicht von geprüften Dachbahnen und Dachbeschichtungen angefordert werden. Als Standardnachweis gilt das von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) bereits 1984 entwickelte Verfahren zur Untersuchung der Wurzelfestigkeit. 2008 wurde mit der DIN EN 13948 zudem eine europäische Prüfnorm eingeführt, die weitgehend auf dem FLL-Test basiert.
Schicht auf Schicht
Als Regelaufbau für Dachbegrünungen haben sich mehrschichtige Bauweisen mit Funktionstrennung der Vegetationsschicht, Filterschicht und Dränschicht durchgesetzt. Überschusswasser, das nicht von den Pflanzen aufgenommen werden kann, ist über eine Dränschicht schnell und sicher abzuführen. In dieser Schicht können auch Wasserspeicher und Dränage kombiniert sein. Zwischen Substrat und Dränschicht verhindert ein Filtervlies, dass Feinteile aus dem Substrat die Dränage verstopfen. Die Vegetationsschicht als intensiv durchwurzelter Raum versorgt die Pflanzen mit Nährstoffen und Wasser. Für Dachbegrünungen werden mineralische Substrate mit geringen Anteilen organischer Substanz eingesetzt. Mineralische Rohstoffe sind zum Beispiel Lava, Bims, Tonschiefer oder Blähschiefer. Neben den vegetationstechnischen Eigenschaften der Substrate als Wurzelraum, Wasser- und Nährstoffspeicher ist die Struktur- und Lagerungsstabilität ein weiterer wichtiger Faktor. Die Lagesicherheit ist vor allem von der Kornstruktur und dem Trockengewicht abhängig. Starke Sackungen lassen sich durch eine gleichmäßige Kornverteilung und einen geringen Anteil organischer Substanz vermeiden.
Als bestandsbildende Pflanzen werden bei Extensivbegrünungen in der Regel Sedumarten eingesetzt. Die Sedumpflanzen bevorzugen nährstoffarme Standorte, halten Frost, Wind, Hitze sowie Trockenheit stand und benötigen nur wenig Pflege. Ist genügend Wurzelraum vorhanden, lassen sie sich auch mit trockenresistenten Kräutern mischen. Zahlreiche Untersuchungen belegen mittlerweile, dass Dachbegrünungen Kleinlebewesen einen weitgehend ungestörten Standort bieten. So ist als Sonderform das Dachbiotop entstanden. Bereits eine extensive Begrünung lässt sich mit relativ wenig Aufwand – zum Beispiel mit modellierten Substratschüttungen, Grobkies und scheinbar willkürlich aufgeschichtetem Totholz – in ein Dachbiotop mit erstaunlicher biologischer Vielfalt verwandeln. Intensivbegrünungen setzen der Pflanzenauswahl kaum Grenzen. Bei ausreichend Wurzelraum und Bewässerung sind sogar Gartenanlagen möglich. Und mit den Nutzgärten, die als Urban Farming auch schon international Karriere machen, ist ein neuer Trend auf Dächern entstanden.
Abflussverhalten und Lagesicherheit
Gründächer wirken wie ein Wasserstopp. Ein großer Teil der Niederschläge verdunstet an der Oberfläche von Substrat und Vegetation. Selbst in wassergesättigtem Zustand bietet der Schichtaufbau einer Dachbegrünung ausreichend Grobporenvolumen als Puffer, um bei zunehmendem Starkregen die entwässerungstechnisch problematischen Abflussspitzen merklich zu reduzieren. Schon dünnschichtige Extensivbegrünungen verringern den Spitzenabfluss um 50 bis 70 Prozent. Die FLL-Dachbegrünungsrichtlinie enthält hierzu Angaben zum Abflussbeiwert in Abhängigkeit von der Schichtdicke.
Danach kann zum Beispiel bei mehr als zehn Zentimeter Schichtdicke mit einem Abflussbeiwert C = 0,5 gerechnet werden. Mit speziellen Substraten lassen sich noch deutlich bessere Ergebnisse erzielen. Einzelnachweise können mit der FLL-Methode zur Bestimmung des Abflussbeiwertes geführt werden. So lassen sich auch bei weniger als zehn Zentimeter Schichtdicke Abflussbeiwerte kleiner 0,3 realisieren. Bei Intensivbegrünungen reduziert sich der Abfluss noch weiter: ab 50 Zentimeter Schichtdicke auf 0,1. Da Dachbegrünungen in der Regel als Ausgleichsmaßnahme für Flächenversiegelungen anerkannt werden, lassen sich zudem Gebühren sparen.
Dachsubstrate bestehen aus Stoffen mit guter Verzahnung und gebrochener Kornstruktur. Ab einem Trockengewicht von 800 kg/m3 besteht deshalb bis 20 Meter Gebäudehöhe und Windzone 2 keine Erosionsgefahr. Mögliche Substrat-Verwehungen bei hohen Windgeschwindigkeiten sind in der Regel lokal begrenzt und können im Rahmen der Pflege leicht korrigiert werden. Im begrünten Zustand ist die Lagesicherheit noch besser, denn die Rauigkeit der Oberfläche verringert die Windgeschwindigkeiten und durch die Verwurzelung wird der Gründachaufbau im Vergleich zur Einzelkornlagerung bei Kies großflächig festgelegt. Die etwas erhöhte Anfälligkeit für Winderosion im unbegrünten Zustand wird also durch die hohe Lagestabilität in begrüntem Zustand mehr als ausgeglichen.
Pflegemaßnahmen festlegen
Extensivbegrünungen sind pflegeleicht, jedoch nicht pflegefrei. Um Differenzen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer hinsichtlich des Leistungsumfangs der Pflege zu vermeiden, empfiehlt sich eine eindeutige Beschreibung der Pflegeleistungen und des Begrünungsziels. Allgemein ist bei Extensivbegrünungen von einer natürlichen Vegetationsdynamik auszugehen. Das bedeutet, dass zum Beispiel die standortgerechte Fremdvegetation von Kräutern und Moosen keinen Mangel darstellt, sondern zu tolerieren ist. Meist stellt das sogar eine Bereicherung dar. Intensivbegrünungen erfordern eine entsprechende intensivere Pflege. Die Maßnahmen und Pflegeintervalle sind jeweils objektbezogen festzulegen. Zur Orientierung eignen sich vergleichbare Gartenanlagen.
Stefan Ruttensperger ist Fachbereichsleiter Gründach bei der Paul Bauder Gmbh & Co. KG in Stuttgart.
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