Text: Axel Plankemann
Bereits seit einiger Zeit gibt es einen starken Trend, Architekten vertraglich eine nahezu grenzenlose Verantwortung für die Entwicklung von Baukosten zu übertragen. Gewerbliche und insbesondere öffentliche Auftraggeber versuchen, sich auf diese Weise eines Bauherrenrisikos zulasten ihrer planenden Auftragnehmer zu entledigen.
Mangelfreiheit
Dass Architekten auch in puncto Kosten eine mangelfreie Architektenleistung abliefern müssen, ist weder überraschend noch neu. Die Rechtsprechung dazu ist vielfältig. Planungsfehler, mangelhafte Ausschreibungen, Verstöße gegen die Pflicht zum wirtschaftlichen Planen und Bauen oder die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten im Kostenbereich können zu einem mangelhaften Architektenwerk führen, für dessen Folgen der Architekt einzustehen hat (siehe auch DAB 9/2012, Seite 36).
Nach § 633 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist das Werk des Architekten mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit eine solche Beschaffenheit nicht ausdrücklich vereinbart ist, muss sich das Werk (die Planung und Überwachung) für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
Baukostenobergrenze
Von aktuell steigendem Interesse ist die ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit einer Baukostenobergrenze, wie sie sich inzwischen zunehmend in Vertragsmustern von gewerblichen und öffentlichen Auftraggebern findet. Überschreitet der Architekt in Umsetzung der Planung diese Obergrenze, so ist das Architektenwerk – trotz Mängelfreiheit im technischen Bereich – mangelhaft. Dafür muss der Architekt grundsätzlich einstehen.
Der Auftraggeber kann in einem solchen Fall nach § 634 BGB Nacherfüllung verlangen (Mangelkorrektur oder Neuplanung, vgl. § 635 BGB), unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag zurücktreten oder die Vergütung mindern und, soweit der Architekt seine Pflicht aus dem Architektenvertrag auf eine von ihm zu vertretende Weise verletzt hat, Schadensersatz verlangen. Der Maßstab für das „Vertretenmüssen“ ist ein Verschulden des Architekten (Vorsatz oder Fahrlässigkeit).
Vor diesem Hintergrund übernehmen insbesondere öffentliche Auftraggeber Beschaffenheitsvereinbarungen über die Baukosten nahezu automatisch in ihre Verträge und Vertragsmuster. Auf diese Weise lassen sich eine Vielzahl von Bauherrenrisiken vermeintlich ohne Weiteres auf den Architekten verschieben, selbst dann, wenn der Architekt die Kostenrisiken selbst weder beeinflussen kann noch zu vertreten hat. Das gilt insbesondere auch für geschönte Kostenannahmen vor Gremienentscheidungen über die Durchführung eines Projektes. Es gilt aber auch für die bei Vertragsschluss objektiv noch nicht sicher zu beurteilende Kostenentwicklung, auch wenn diese eine eigene Dynamik im Sinne einer „Baukostenlotterie“ gegen den Architekten gewinnen kann – etwa durch zusätzliche Auftraggeberwünsche und andere vom Architekten nicht zu beeinflussende Entwicklungen und Kostenarten. Dies ist natürlich auch den Auftraggebern bekannt.
Risiken des Architekten
Wer sich als Architekt gleichwohl auf solche Beschaffenheitsvereinbarungen über die Kosten einlässt (oder einlassen muss), übernimmt damit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwei Risiken: Zum einen muss er bei Verfehlen des Kostenziels den Auftraggeber informieren und seine Planungen so lange ohne zusätzliche Vergütung überarbeiten, bis das Kostenziel erreicht wird oder der Auftraggeber einer Änderung des vertraglichen Kostenziels zustimmt. Zum anderen droht bei Kostenüberschreitungen ein Honorar, das auf der vertraglich vereinbarten Kostenobergrenze und nicht auf den tatsächlichen anrechenbaren Kosten beruht.
Berufshaftpflichtversicherung
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Architekten bei vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarungen über eine Kosten-obergrenze auch nicht sicher auf ihre Berufshaftpflichtversicherung verlassen können. Besonders klar (wenn auch für die Architekten nicht erfreulich) sind seit 2014 die Bedingungen der AIA. Sie schließen Ansprüche aus Beschaffenheitsvereinbarungen über Termine, Fristen und Baukosten, die der Versicherungsnehmer oder Dritte getroffenen haben, grundsätzlich vom Versicherungsschutz aus.
Zumindest dem Wortlaut nach missverständlich sind die BBR-/Arch-Standardklauseln anderer Versicherer. Danach sind Ansprüche wegen Schäden aus der Überschreitung von Kostenschätzungen, Kostenberechnungen oder Kostenanschlägen im Sinne von DIN 276 oder gleichartigen Bestimmungen anderer Länder ausgeschlossen, soweit es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die bei ordnungsgemäßer Planung und Erstellung des Objektes ohnehin angefallen wären. Dies gilt nach der Klausel auch für Ansprüche aus der Überschreitung von Baukostenobergrenzen sowie für Ansprüche aus Bausummengarantien oder Festpreisabreden. Die Klausel ist schon deshalb irritierend, weil der Ausschluss der sogenannten „Sowieso-Kosten“ in der Natur der Sache liegt. Denn in Höhe der Sowieso-Kosten entsteht gar kein Schaden, der über die Berufshaftpflichtversicherung zu regulieren wäre. Gleichwohl gibt es Erklärungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aus dem Jahre 2014, wonach eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Baukosten im Sinne einer Baukostenobergrenze zwar eine gesetzliche Haftpflicht auslösen könne, die jedoch wegen der genannten Kostenklausel nicht versichert sei. Entsprechende Auskünfte erhalten nicht selten auch Architekten, die zu diesem Thema bei ihrer Versicherung nachfragen. Damit droht ein Versicherungsausschluss bei Beschaffenheitsvereinbarungen zu Kostenobergrenzen in gleicher Weise wie bei vertraglich vereinbarten Bausummengarantien, die, wie andere vertragliche Garantien, grundsätzlich von der Berufshaftpflichtversicherung nicht gedeckt sind. Ebenfalls keine Einstandspflicht der Versicherung besteht im Erfüllungsbereich, das heißt für den Nacherfüllungsaufwand der Umplanung zur Einhaltung der Kostenobergrenze (oder die entsprechenden Selbstvornahmekosten des Auftraggebers nach Kündigung).
Schadensersatz
Als eher schwacher Trost kann derzeit allenfalls gelten, dass zumindest ein Schadensersatzanspruch wegen Nichteinhaltung der Kostenobergrenze nach den gesetzlichen Vorgaben vom „Vertretenmüssen“ des Architekten abhängt. Kostensteigerungen, die von ihm nicht zu vertreten sind, können danach nicht zu einem ersatzpflichtigen Schaden führen. Allerdings muss der Architekt ohne Zusatzvergütung nachbessern und auch sonstige Honorarnachteile in Kauf nehmen. Nicht als Schadensposten gelten auch die Sowieso-Kosten. Erhält der Auftraggeber – trotz der Kostenüberschreitung – einen zusätzlichen wirtschaftlichen Gegenwert, so kann auch dies im Rahmen des Vorteilsausgleiches zu einer Schadensminderung führen.
Alles in allem bleibt die Situation im Hinblick auf die Positionen von Auftraggebern und Berufshaftpflichtversicherern für Architekten äußerst unbefriedigend, soweit der Verzicht auf solche Beschaffenheitsvereinbarungen in Architektenverträgen nicht erreicht werden kann und die Berufshaftpflichtversicherer im Hinblick auf die tatsächliche versicherungsrechtliche Situation nicht für die erforderliche Klarheit sorgen.
Kostenklauseln
Möglicherweise besteht in Einzelfällen die Chance, mit dem Auftraggeber zumindest über eine angemessene Formulierung von Kostenklauseln im Architektenvertrag zu verhandeln. Eine sachgerechte Klausel könnte zum Beispiel lauten:
„Die Vertragspartner vereinbaren die Einhaltung maximaler Baukosten in Höhe von … Euro netto (Gesamtkosten ohne Baunebenkosten gemäß Kostengruppen 200 bis 500 DIN 276). Die Erreichung der Kostenziele hat Priorität gegenüber den weiteren Projektzielen. Die bisher ermittelten voraussichtlichen Baukosten betragen für die Kostengruppen 200 bis 500 DIN 276 … Euro netto. Zur Erreichung der Kostenzielvorgabe unterbreitet der Auftragnehmer Vorschläge, wenn zu erkennen ist, dass die geplanten Baukosten nicht einzuhalten sein werden. Der Auftragnehmer haftet für Überschreitung der Kostenobergrenze, wenn und soweit er diese zu vertreten hat.“
Eine Kostenklausel, die Abschnitt 3.2.2 der DIN 276 (Prüfug der Realisierbarkeit der Kostenvorgabe vor ihrer Festlegung) angemessen berücksichtigt, könnte zum Beispiel lauten: „Die Vertragspartner vereinbaren bereits jetzt die Gesamtkosten ohne Baunebenkosten gemäß Kostengruppen 200 bis 500 DIN 276 als Kostenobergrenze, wie sie sich in Summe aus der in Leistungsphase 3 zu erstellenden Kostenberechnung in der vom Auftraggeber gebilligten Fassung ergeben werden. Zur Einhaltung der Kostenobergrenze unterbreitet der Auftragnehmer Lösungsvorschläge, wenn im Verlauf der Umsetzung der Planung erkannt wird, dass die vereinbarten Baukosten nicht einzuhalten sein werden. Der Auftragnehmer haftet für Überschreitung der Kostenobergrenze, wenn und soweit er diese zu vertreten hat.“
Anstelle einer Beschaffenheitsvereinbarung über die Kosten ist folgende Vertragsklausel zu erwägen, die die Aufklärungs- und Beratungspflichten des Architekten betont, aber der denkbaren Dynamik der Kostenentwicklung Rechnung trägt:
„Im Rahmen seiner vertraglichen Aufgaben hat der Auftragnehmer gegenüber dem Bauherrn eine umfassende Unterrichtungspflicht. Wenn erkennbar wird, dass die ermittelten Baukosten oder der vom Bauherrn bekannt gegebene wirtschaftliche Rahmen überschritten werden, ist der Auftragnehmer verpflichtet, den Bauherrn unverzüglich zu informieren und Vorschläge zur Änderung der Planung oder der Kostenvorgabe zu unterbreiten. Gleichzeitig kann der Auftragnehmer dem Bauherrn eine angemessene Frist zur schriftlichen Erklärung setzen, ob die neu ermittelten Kosten Grundlage der weiteren Leistungen des Auftragnehmers sein sollen.“
Im Übrigen kann nur dringend empfohlen werden, bei anstehenden Kostenklauseln qualifizierten Rechtsrat einzuholen und auch das Gespräch mit der Berufshaftpflichtversicherung zu suchen.
Axel Plankemann ist Rechtsanwalt in Hannover.
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