Text: Nils Hille
Bunte Strandkörbe, ein gebasteltes Schiffsmodell und ein Architekt, der mit nackten Füßen im Sand steht – wer sich auf der Internetseite von Uwe Brockhoff umtut, merkt schnell, dass dieser alles andere als einen gewöhnlichen Arbeitsort in Deutschland hat. Denn wenn Brockhoff zur Arbeit will, kann er sich nicht einfach aufs Rad, ins Auto oder in den Zug schwingen. Er muss ab Cuxhaven den Flieger nehmen oder mit dem Schiff fahren. Nur so erreicht der Inselarchitekt seine Arbeitsstätte Helgoland.
Weder geboren noch aufgewachsen ist Brockhoff auf Deutschlands einziger Hochseeinsel. Und doch hat es den Niedersachsen schon immer ans und aufs Meer gezogen. Er selbst sagt, dass er das einfach im Blut hat. Schließlich fuhr sein Opa schon zur See und sein Vater war sogar Kapitän. „Ich wollte die Tradition weiterführen, aber auf meine Weise.“ Und seine Weise ist, sich sämtliche Windstärken eher an der Küste auf Baustellen als auf See beim Fischfang um die Nase wehen zu lassen. Vor 20 Jahren bekam er die erste berufliche Gelegenheit dazu – aber nicht etwa mit dem Bau von Ferienhäusern und Urlaubsapartments, sondern von Toilettenanlagen. Sein Kollege, mit dem er damals ein Architekturbüro betrieb, hatte guten Kontakt zur Gemeinde Helgoland. Und die benötigte gerade neue Notdurft-Stätten für die vielen Tagestouristen. Die beiden Planer ließen sich von der architektonisch wenig reizvollen Aufgabe nicht abschrecken und übernahmen sie.
Das machten sie so gut, dass sie weitere Jobs von der Gemeinde bekamen, etwa die Renovierung der Nordseehalle. All dies sprach sich schnell herum unter den nicht einmal 1.500 Insulanern. Und es verschaffte Brockhoff, der mittlerweile als Einzelkämpfer arbeitet, immer wieder neue Aufträge. Das waren die typischen Aufgaben von der neuen Dachgaube bis zur Komplettsanierung. „Viele Unterkünfte und Zimmer hatten nicht mehr die von den Urlaubern erwartete Qualität. Da die Einheimischen aber vom Tourismus leben, mussten sie etwas tun.“ Das war teilweise gar nicht so einfach, wo doch die gemäß einem Masterplan entstandenen Nachkriegsbauten der Insel unter Denkmalschutz stehen. So konnte Brockhoff nach eigenen Aussagen „die Insel zwar nicht prägen“, aber sich einen Anteil daran auf die Fahne schreiben, dass die Übernachtungszahlen auf Helgoland wieder stiegen. Auch das berühmte farbenfrohe Entree der Insel, die Hummerbuden von Georg Wellhausen, half er vor rund 15 Jahren zu vitalisieren. Nun sind hier Kunst, Kultur und Kulinarik zu Hause. „Früher war hier am Hafen wenig bis gar nichts los, jetzt ist es ein beliebtes und belebtes Ziel“, erzählt Brockhoff begeistert.
Schlendern gehört zum Geschäft
Nicht nur da schlendert Brockhoff regelmäßig entlang, wenn er auf Helgoland ist. Auch sonst spaziert er durch die Gassen, hält hier einen Plausch, trinkt da einen Kaffee. „Ich muss mich regelmäßig bei den Insulanern zeigen. So kurios wie es klingen mag: Meine Kundschaft kriege ich genauso, auf der Straße und in den Kneipen.“ Auch seine bisherigen Bauherren besucht er regelmäßig. Immer wieder kommen dadurch Folgeaufträge zustande – bei ihnen oder auch bei ihren Nachbarn. So sei das halt auf einer Insel, sagt Brockhoff: „Ich muss als Architekt gut reinpassen. Das Schlimmste wäre, wenn ich hochnäsig agieren würde, nach dem Motto: Ich zeig euch mal, wie das besser läuft. Dann hätte ich gleich verloren.“
Trotzdem hat der 55-Jährige sein Büro in Jork, auf dem Festland. Nur hier findet er die Ruhe, um zu planen und alles zu koordinieren. Denn „Just in time“-Lieferungen von Baumaterial erst dann, wenn sie benötigt werden, sind für Brockhoff keine Option: „Der Frachter vom Festland kommt nur zweimal die Woche. Und das auch nur, wenn gerade kein Sturm oder Nebel ist. Da muss ich einfach großzügiger vorplanen, sonst gerät die Arbeit auf der Baustelle ständig ins Stocken.“ Zudem sind die Handwerker vor allem vom Spätherbst bis zum Frühling gefragt – die Bauherren wollen schließlich dann ihre Feriendomizile umbauen, wenn die Nachfrage der Touristen am geringsten ist. Das bedeutet für alle am Bau Beteiligten im Winter unter der Woche eine starke Belastung. „Handwerkerschiff“ nennen die Insulaner die Fähre, die die Festlands-Gastarbeiter am Freitagnachmittag nach Cuxhaven bringt.
Im Sommer sind es meist eher kleine Aufträge, die Brockhoff auf der Insel beschäftigen. „Da kann ich dann dort arbeiten, wo andere Urlaub machen, und mir direkt anschauen, ob meine Projekte aus dem Winter von den Urlaubern angenommen werden.“ Eine persönlichere Qualitätskontrolle kann es wohl kaum geben. Mittlerweile zählt Brockhoff auch selbst zu den Vermietern von Ferienhäusern und -apartments. Auch hier scheint er die Ansprüche der Gäste zu erfüllen: „Im Sommer sind sie gut vermietet. Da weiß ich, wenn ich nach Helgoland reise, oft gar nicht, wo ich selbst schlafen werde. Aber mittlerweile kenne ich so viele Insulaner-Bauherren. Bei einem von ihnen finde ich immer einen Übernachtungsplatz.“