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Geschenk an sich selbst

Was läge Architekten näher als das Engagement fürs eigene Heim? Immer wieder werden sie dafür als Bauherren von der KfW preisgekrönt.

27.07.20157 Min. Kommentar schreiben
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Dezenter Einbau: Von draußen deutet nur der Bogen des Scheunentors in Frankenthal an, dass Anja Klinger ins Innere ein Wohnhaus gesetzt hat.

Text: Roland Stimpel

Jedes Jahr lobt die KfW einen Preis für Bauen und Wohnen aus. Mit ihm will die staatliche Förderbank „Impulse für nachhaltiges privates Bauen geben sowie zukunftsweisende Trends in Deutschland aufzeigen“. Prämiert werden Bauherren. Aber mehr als die Hälfte von ihnen waren in jüngerer Zeit Architekten, die für sich, für nahe Angehörige oder zum Selbstvermieten Wohnraum geplant und geschaffen haben. So unterschiedlich ihre Häuser sind, so sehr eint sie Baulust, Experimentierfreude und nicht zuletzt architektonische Eigenleistung in einem Ausmaß, das kein gewöhnlicher Privat-Bauherr nach HOAI-Sätzen entlohnen könnte. Für alle Architekten sind die Häuser ideell wie materiell kostbare Geschenke an sich selbst. Gute Gaben für die Baukultur sind sie allemal.

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Scheunen-Viertel

Äußerlich extrem dezent ist das Geschenk, das Anja Klinger sich, ihrer Familie und ihrem Wohnort Frankenthal östlich von Dresden gemacht hat. Dort hat sie ihr Familienheim in eine mehr als 100 Jahre alte Scheune implantiert, wofür sie kürzlich den 1. Preis beim KfW-Award 2015 erhielt. Der Agrarbau mit 600 Quadratmetern Fläche auf zwei Etagen war für einen vollständigen Ausbau viel zu mächtig. Also realisierte Klinger ein Haus im Haus: eine schlichte weiße Kiste im Inneren der Scheune, von draußen nur an der Verglasung zweier großer Torbögen zu erahnen. Das historische Ortsbild am exponierten Hang über der Hauptstraße ist erhalten geblieben.

Drinnen, an den Längsseiten der Scheune, berühren sich der Alt- und der Neubau fast. An den Querseiten ist der Neubau dagegen mehrere Meter nach innen gerückt; die Flächen dienen als Spielplatz für die beiden Kinder, Garage, Lager und Ausbaureserve – zum Beispiel für Anja Klingers Architekturbüro. Der Scheunenboden zwischen Erd- und Obergeschoss ist teilweise durchbrochen; die stützenden Holzbalken sind freigelegt und kontrastieren mit dem Weiß der neuen Wände und Decken. Licht fällt durch Fenster an den Längs- und Giebelseiten in den Neubau.

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Sensibler Neubau: Stefan Kohlmeiers Haus in Amsham hat die Grundform alter Agrarbauten, füllt diese aber zeitgenössisch aus.

Sensibel geholzt

Zwei weitere Architekten-Bauherren-Preisträger dieses Jahres zeigen Lösungen der Aufgabe „Zeitgenössischer Holzbau im bayerischen Dorf-Kontext“. Stefan Kohlmeier im niederbayerischen Amsham realisierte auf einem Wiesenhang in der Nähe dreier denkmalgeschützter Hofgebäude eine aktuelle Version des traditionellen Mehrseithofs. Das lang gestreckte Wohnhaus und der dank Holzverkleidung optisch verträgliche Carport nehmen die Proportionen der Nachbar-Denkmäler auf; für den Vierseit-Charakter sorgen Holzzaun und -pergola zwischen den Gebäuden. Große Glasfenster und Minimal-Traufe stehen für das 21. Jahrhundert, Materialien und Baukörper-Gliederung für Traditionsfestigkeit im Landkreis Passau. Der große Wohnraum im ersten Stock feiert ländliche Wohnqualität mit Holzverkleidung, frei stehender Stampflehmwand und Ausblicken auf Dorfsilhouette und Denkmal-Ensemble. Stefan Kohlmeier hat mit dem Haus für sich und seine Partner im Bad Birnbacher Büro Arc Architekten bisher fünf Auszeichnungen geerntet. Und er ist 28_Architekten-Eigenheime_Artikel4darüber auch zum kommunalpolitischen Engagement gekommen: Angetan vom Projekt, fädelte der Bürgermeister Kohlmeiers Wahl in den Gemeinderat ein.

„Kontext in Holz“ war auch das Thema des von der KfW prämierten Hauses, das Wieland Egger für seine Schwester und deren Familie im Allgäu entworfen hat (Foto nächste Seite). Egger ist Partner von K + H Architekten in Stuttgart; für den Privatbau in seinem Heimatort Bad Hindelang schwebte ihm zunächst ein modernes Design vor. Da war jedoch der traditionsbewusste Gemeinderat vor. Die schließlich gefundene Lösung gab jedem seins: Zur Straße und zum Ort hin gibt sich das Haus ganz traditionell mit hellem Putzsockel, Holzverkleidung und großem Dachüberstand. In Richtung Wiese und Berghang dominieren geschosshohe Glasfenster; fast das gesamte Erdgeschoss mit dem Wohnzimmer ist damit optisch geöffnet.

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Alpin-transparent: Am Haus in Bad Hindelang vereint Wieland Egger traditionelles Holz und bodentiefes Glas.

Unspießiges Doppelhaus

Preisgekrönt wird von der KfW-Jury unter dem Vorsitz von Hans Kollhoff nicht nur Ländlich-Idyllisches: 2014 siegte die aus Irland stammende Berliner Architektin Michelle Howard, einst Projektleiterin bei Rem Koolhaas für dessen niederländische Botschaft am Spreeufer. Den Preis erhielt sie für ein äußerst eigenwilliges Doppelhaus für sich und Freunde. Es füllt eine Lücke in einer Vorstadtstraße in Berlin-Weißensee, deren Charakteristikum ein Potpourri von alt und neu, hoch und niedrig, gepflegt und vergammelt, Wohnen und Gewerbe ist. Die unverputzten Porotonziegel der Fassade signalisieren raue Ehrlichkeit. Auch auf der Hofseite und im Hausinneren liegen Beton, Ziegel, Stahl und Industrieboden offen. Das Eigenwilligste am Haus ist jedoch der Grundriss: Die beiden Doppelhaushälften sind nicht 28_Architekten-Eigenheime_Artikel6mit einer durchgehenden Wand getrennt, sondern ineinander verzahnt. So hat jede Hälfte ziemlich große und ganz kleine Räume; beim Erforschen des Hauses über die mehrfach versetzten Treppen überrascht jede Etage mit anderen Dimensionen und Raumkonfigurationen.

Offene Moderne

Ebenfalls Preisträger 2014 war der Tübinger Architekt Bernd Wezel. In einem der ortstypischen Baugruppen-Quartiere, dem Mühlenviertel im Süden der Stadt, entwarf er zwei Häuser nebeneinander: einen Geschossbau für acht Haushalte und ein Reihenhaus für seine Familie, das mit seinen durchgehenden Fensterfronten und weitgehend offenen Innenstrukturen für Raum-Entgrenzung und Transparenz steht. Zum begrünten Platz hin zeigt Wezels Haus gemeinsam mit den anderen Neubauten, dass der Neubau von lebendigen Stadträumen auch mit gegenwärtigen Mitteln möglich ist, wenn Stadt und Bauherren nur wollen.

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Historisch und pfiffig: In dem einstigen Getreidespeicher in Halle (Saale) schuf Claudia Cappeller sieben Wohnungen mit unkonventionellen Grundrissen.

Eines modernen Denkmals nahm sich der Vorjahres-Preisträger Cornelius Boy in Frankfurt-Praunheim an: Er richtete ein Reihenhaus von Ernst May aus dem Jahr 1928 behutsam zum Familienwohnen her. Dabei ging es selbstverständlich um die Aura der Bauzeit. Boy bewahrte sie, wo sie erhalten war – etwa in einem charakteristischen Schrankelement der legendären Frankfurter Küche. Oder er näherte sich mit Farbgebung, Detailpflege und Rücksicht wieder dem Urzustand an, wo dieser stark überformt war. Er erlaubte sich nur zwei größere Veränderungen des alten Konzepts: Zuvor halbhohe Fenster sind jetzt bodentief und bescheidene Erdgeschoss-Kammern der Bauzeit sind zu einem Wohnraum zusammengefasst, der sich heute üblichen Maßen annähert. Aber natürlich tut auch dieser Raum vom Möbel bis zur Leuchte alles, um Frankfurts frühmodernen Baumeister zu würdigen.

Domplatz und Nobel-Meile

Im Jahr 2013 zeichnete die KfW-Jury zwei Architekten für die Restaurierung großer innerstädtischer Denkmäler aus. Den ­ersten Preis gewann Claudia Cappeller aus Halle an der Saale für die Neubelebung ­eines 250-jährigen Speicherbaus am Domplatz, der zuletzt der Reinigung von Bettfedern und der Produktion von Daunen gedient hatte. Das war mit einigen Eingriffen in den Altbau verbunden, aber ausgerechnet diese verhalfen Cappeller zu ihrem neuen Nutzungskonzept: Dank des eingebauten Lastenfahrstuhls eignete sich das barocke Fachwerkhaus zum Einbau von sieben barrierefreien Mietwohnungen. Natürlich mit unkonventionellen Grundrissen: Im Zentrum liegen weitläufige Dielen mit bis zu 38 Quadratmetern, außen teils sehr kleine separate Zimmer. Das zog vor allem jüngere Familien und Studenten-Wohngemeinschaften an.

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Im Fundament mittelalterlich und an der Fassade klassizistisch ist das Haus in der Lübecker Königstraße, das die Architekten Christian Rosehr und Kai Schümann von Schümann Sunder-Plassmann und Partner mit weiteren Partnern restaurierten. Hier beleben jetzt elf Wohnungsmieter und ein von Behinderten bewirtschaftetes Café die Stadt. Der Durchgang zum Garten ist öffentlich; dort verfolgen Schümann, Rosehr und ihre Partner das Projekt, die grünen Oasen mehrerer Altstadthäuser zu einem „Bürgergarten“ zusammenzufassen. Die Preisträger fühlten sich an diesem Ort den Gewinnern einer noch viel prominenteren Auszeichnung verpflichtet: In nächster Nähe gibt es Museen und Gedenkorte für Thomas Mann, Willy Brandt und Günter Grass, die drei Nobelpreisträger der Stadt.

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