Das Grundstück an Magdeburgs zentraler Geschäftsstraße hat eine bewegte Geschichte: Bis 1966 stand am Breiten Weg 31 die Ruine der im Krieg zerstörten Katharinenkirche, ab 1970 das 42 Meter hohe „Haus der Lehrer“. Lange stand es leer; jetzt hat es die städtische Wohnungsbaugesellschaft „Wobau“ zum zeitgemäßen Wohn- und Geschäftshaus erneuert und in „Katharinenturm“ umbenannt.
Das Hochhaus sollte wirtschaftlich optimiert und auch städtebaulich aufgewertet werden – und dafür ursprünglich um zwei Etagen auf 52 Meter aufgestockt werden. Um die Lastreserven der Konstruktion zu ergründen, wurde das Gebäude bis auf das tragende Skelett entkernt. Architekt Mario Lux aus dem Planungsbüro Obermeyer Planen + Beraten GmbH: „Die Erdgeschossdecken in der Eingangszone wurden zurückgebaut, um die Wirkung als Hochhaus zu bekräftigen. Rohbau und Tragstruktur des Hauses blieben bewusst erhalten und wurden modernisiert. Dabei stellte sich heraus, dass die Lasten aus der geplanten Aufstockung und die neue Knicklänge der Stützen im Erdgeschoss eine große statische Herausforderung darstellten.“
Erschwerend kam hinzu, dass viele der alten Bauunterlagen nicht mehr existierten. So war zum Beispiel die Anbindung der Decken an den aussteifenden Treppenhauskern mit den beiden Aufzugsschächten unklar. Einige Bereiche wurden deshalb zusätzlich freigelegt, um den Bestand genauer zu untersuchen. Ein Verbund der Geschossdecken mit dem Treppenhauskern fehlte, was selbst den Prüfstatiker überraschte. Die ersten Geschosse entstanden damals in Ortsbeton und die oberen in Fertigteilbauweise. Das hieß: Alle Geschossdecken mussten somit nachträglich am Treppenhauskern kraftschlüssig verankert werden. Weiterhin benötigten einige Stützen in den unteren Geschossen eine Stahlverstärkung, um die Lasten aus den oberen Geschossen aufnehmen und tragen zu können. Infolgedessen wurde auf die Aufstockung des Gebäudes verzichtet, auch aus Kostengründen. Denn durch die nicht vorhersehbaren nachträglichen statischen Maßnahmen sowie besondere Brandschutz-Anforderungen erhöhten sich die ursprünglich geplanten Investitionskosten um 3,5 Millionen Euro auf 13 Millionen. Alle Räume waren an eine Sprinkleranlage anzuschließen, wofür im Untergeschoss ein 160 Kubikmeter fassender Wasserbehälter installiert wurde. Außerdem war ein Feuerwehraufzug gefordert.
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Elemente der Fassade
Das Energiekonzept entspricht dem Neubaustandard der EnEV von 2009 mit besonderem Schwerpunkt „Sommerlicher Wärmeschutz“. Die speziell für das Projekt entwickelte Verglasung der Fassade ist eine Sonderkonstruktion mit Sonnenschutzgläsern als Isolierglas und Monoglas. Das Isolierglas bildet die zur Raumseite gerichtete Fensterebene und ist mit einer Sonnenschutzbeschichtung versehen. Die außen liegende Prallscheibe dient der Absturzsicherung und dem Schallschutz, besteht aus monolithischem Verbundsicherheitsglas und besitzt ebenfalls eine Sonnenschutzbeschichtung. Zusätzlich enthält der Scheibenzwischenraum eine automatisch gesteuerte Jalousie. Die Gläser wurden zuvor von der Metallbaufirma bereits werkseitig in das Fassadensystem eingebaut. Die kompletten Elemente konnten so auf die Baustelle geliefert und zügig montiert werden. Sie zeichnen sich neben dem
U-Wert von 1,1 W/(m²K) auch in ihren großen Abmessungen von 1.250 mal 3.800 Millimetern aus. Insgesamt 744 dieser großformatigen Elemente wurden in den elf Geschossen verbaut.
Die Lisenen der Fassadenelemente sind mit etwa 12.000 LEDs ausgestattet, die den Turm jeden Abend für zwei Stunden erleuchten. Mittlerweile zieht die Lichtshow viele Besucher an. Statt Werbung erscheinen 50 verschiedene Bilder. Selbst anfängliche Skeptiker hat das Konzept inzwischen nicht nur hinsichtlich der Optik überzeugt, denn die energiesparende Lichttechnik mindert auch die Betriebskosten.
Im Erdgeschoss erhielt das Wohn- und Geschäftshaus eine hinterlüftete Fassade aus Edelstahlblechen, die langlebig und wartungsfreundlich ist. Die Bekleidung spiegelt nicht, vermittelt aber einen lebendigen Eindruck. Dazu wurden die Bleche industriell dreidimensional überformt und oberflächenveredelt.
Bezug zur Historie
Während im Erdgeschoss ein Einkaufsbereich floriert, befinden sich in der ersten bis achten Etage Büros. In der 9. und 10. Etage sind hochwertige Wohnungen mit verglasten Loggien untergebracht, die sich balkonartig öffnen lassen. Das in München beheimatete Planungsbüro Obermeyer hat sein Magdeburger Domizil in der 7. Etage des Hauses. Um die kulturhistorische Bedeutung des Hochhauses für die Stadt hervorzuheben, integrierten die Architekten ebenerdig noch erhaltene Teile der einstigen Katharinenkirche. Aufgrund der Grundrissüberlagerung mit der Kirche existiert jetzt eine Art Piazza an der großen Freitreppe am Eingangsbereich. Ergänzt wurde der historische Bezug durch die Fotoausstellung im Foyer des Hauses, die über Vergangenheit und Gegenwart der Breiten Straße einschließlich des Katharinenturms in Bild und Wort erzählt.
Bärbel Rechenbach ist freiberufliche Baufachjournalistin in Berlin
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