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Hängepartie

Wenn der Bauherr vereinbarte Leistungen nicht abruft, muss er oft trotzdem Honorar zahlen

01.09.20156 Min. Kommentar schreiben

Text: Susanne Bergmann-Drees

Was tun, wenn ein Bauherr vertraglich ursprünglich beauftragte Leistungen nicht mehr abruft? Aus Sicht des Architekten entsteht zunächst eine „Hängepartie“, ein sogenannter unbeendeter Architektenvertrag. In dieser Situation gehen die Honoraransprüche des Architekten für die noch nicht erbrachten Leistungen nicht einfach unter. Er muss aber darlegen und belegen können, welchen Umfang das vertraglich vereinbarte Architektenwerk hatte und wie das Verhalten des Bauherrn rechtlich einzustufen ist.

Nicht abgerufene Leistungen: beauftragt oder nicht?

Zunächst muss der Architekt klären, ob er mit den nicht abgerufenen Leistungen tatsächlich beauftragt war. Das ist mittels Blick in den Vertrag zu ermitteln, bei Unklarheiten im Wege der Auslegung. Dabei ist zu beachten, dass es grundsätzlich keine Vermutung für einen Vollauftrag gibt und insbesondere die öffentliche Hand im Regelfall stufenweise so beauftragt, dass der Architekt keinen Anspruch auf Weiterbeauftragung mit der nächsten Stufe hat. Nur zu nachweislich beauftragten Stufen/Abschnitten oder Leistungsphasen kann der Architekt überhaupt Ansprüche an den Bauherrn haben. Sollte der Architekt laut Auftrag allerdings eine Baugenehmigung einholen, wird regelmäßig eine Beauftragung mit den Leistungsphasen 1 bis 4 vermutet. Ob und in welchem Umfang ein Architekt beauftragt wurde, muss er im Zweifel selbst belegen. Deswegen sollte er insbesondere bei mündlicher oder konkludenter, das heißt durch das Verhalten des Bauherrn belegbarer Beauftragung, stets besonderes Augenmerk auf deren Dokumentation legen.

Freie Kündigung: Das Verhalten des Bauherrn zählt

Im nächsten Schritt muss der Architekt klären, ob sein Vertrag vom Auftraggeber gekündigt ist. Nach dem maßgeblichen Werkvertragsrecht aus dem BGB kann ein Auftraggeber dies jederzeit ohne Angabe von Gründen tun. Einer bestimmten Form bedarf diese sogenannte freie Kündigung nach dem Gesetz nicht; das Wort „Kündigung“ muss nicht benutzt werden. Es reicht, wenn aus den Umständen zu entnehmen ist, dass der Auftraggeber aus seiner Sicht den Vertrag gekündigt hat.

Wenn der Auftraggeber also einen vereinbarten Bauabschnitt oder Projektteil, zum Beispiel ein ursprünglich geplantes Geschoss, nicht realisiert oder wenn er sonstige Leistungen nicht weiter abruft, dann muss der Architekt prüfen, ob dieses Verhalten als konkludente Kündigung anzusehen ist. Das ist grundsätzlich anzunehmen, wenn zum Beispiel der Auftraggeber nach vorheriger Ankündigung die ausstehenden Leistungen selbst ausführt und den Architekten nicht mehr hinzuzieht. Gleiches gilt, wenn der Auftraggeber einen anderen Architekten exklusiv mit der weiteren Abwicklung des Bauvorhabens beauftragt. Ebenfalls von einer konkludenten Kündigung kann ausgegangen werden, wenn der Bauherr die Fortführung der Vertragsverhältnisse ernsthaft und endgültig verweigert.

Allerdings kann eine konkludente Kündigung bei rein passivem Verhalten des Bauherrn nicht angenommen werden. Sie ist auch dann nicht möglich, wenn im Vertrag vereinbart ist, dass eine Kündigung nur schriftlich ausgesprochen werden kann. Deswegen ist für den Architekten Vorsicht geboten, will er sein Verhalten auf der Annahme einer konkludenten Kündigung aufbauen. Stellt er nämlich seine Leistungen ein, ohne dazu berechtigt zu sein, weil tatsächlich keine Kündigung vorliegt, existiert nach wie vor ein unbeendeter Architektenvertrag. Der Architekt wäre dann nur berechtigt, Abschlagszahlungen für die bereits erbrachten Leistungen zu verlangen. Ein Ausgleich für entgangenen Gewinn stünde ihm nicht zu. Im Zweifel ist der Kontakt mit dem Auftraggeber zu suchen. Eventuell kann ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden, mit dem zum Beispiel die Honorierung geregelt und alle weiteren wechselseitigen Ansprüche ausgeschlossen werden können.

Liegt aber eindeutig eine konkludente Kündigung vor, kann der Architekt neben dem Honorar für die bereits erbrachten Leistungen auch das Resthonorar für die infolge der Kündigung nicht mehr zu erbringenden Leistungen geltend machen. Er müsste allerdings gemäß § 649 BGB die infolge der Kündigung ersparten Aufwendungen und den anderweitigen Erwerb von der geforderten Summe abziehen. Das Gesetz stellt die Vermutung auf, dass nach dem Abzug noch fünf Prozent des Honorars übrig bleiben, das ursprünglich für den nun nicht mehr geforderten Teil der Leistungen vereinbart worden war. Dies ist aber nur eine Vermutung. Einen höheren entgangenen Gewinn kann der Architekt selbstverständlich auch geltend machen, wenn er ihn ausreichend dokumentiert hat.

Wann der Architekt kündigen kann – und entgangenen Gewinn bekommt

Der Architekt als Auftragnehmer hat kein Recht zur freien Kündigung. Allgemein anerkannt ist aber, dass er ausnahmsweise den Vertrag kündigen kann, wenn ihm ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Dafür muss ein wichtiger und belegbarer Grund vorliegen. Ein solcher kann darin bestehen, dass der Architekt seine Leistung mangels erforderlicher Mitwirkung des Auftraggebers nicht erbringen kann. Er hat nach der Kündigung dann stets einen Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistung.

Häufig dürfte der Auftraggeber dies verschuldet haben, schließlich hatte er es in der Regel in der Hand, seine Mitwirkungsleistungen zu erbringen – etwa den Abruf von Leistungen, das Beantragen der Baugenehmigung, das Bereitstellen des Grundstücks oder von Unterlagen wie die Baugenehmigung und etwaige Förderbescheide‚ Planungsleistungen oder Planungsfreigaben sowie Entscheidungen, wenn der Architekt Bedenken angemeldet hat. Liegt ein solches Verschulden vor, kann der Architekt darüber hinaus auch Schadensersatz geltend machen – in Höhe des Gewinns abzüglich ersparter Aufwendungen zuzüglich weiterer Schäden. Dies hat zuletzt das OLG Frankfurt entschieden (Urteil vom 27.11.2013; Az. 23 U /12) Danach verweigert der Auftraggeber die gebotene Mitwirkungshandlung, indem er die erforderlichen Gespräche mit dem Architekten ablehnt und dadurch eine Abklärung der weiteren Vorgehensweise auf der Baustelle unmöglich macht.
Dem Architekten ist daher anzuraten, bei Verschulden des Bauherrn zunächst eine Frist zur Erbringung von Mitwirkungshandlungen zu setzen und mit Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund zu drohen, wenn der Bauherr wegen unterlassener Mitwirkung dazu beiträgt, dass der Architekt seine Leistung nicht erbringen kann.

Annahmeverzug: Architekt kündigt – kein Schadenersatz

Ebenfalls wegen mangelnder Mitwirkung kann der Architekt den Vertrag auch nach einer gesetzlichen Regelung beenden, dem sogenannten „Annahmeverzug“. Dies ist aber die schlechtere Alternative im Vergleich zur oben dargestellten Kündigung wegen Unzumutbarkeit. Der Auftraggeber ist in Verzug der Annahme geraten, wenn der Architekt ihn ausdrücklich zur Vornahme der unterlassenen Mitwirkungshandlung aufgefordert und seine eigenen Leistungen dem Bauherrn tatsächlich angeboten hat, dieser jedoch die Leistungen nicht annimmt. Durch das Setzen einer angemessenen Nachfrist mit Kündigungsandrohung gilt der Vertrag als aufgehoben, wenn die Frist ohne Erfolg abgelaufen ist. Auch wenn hier von Gesetzes wegen keine Form vorgeschrieben ist, sollte der Architekt auf eine Belegbarkeit der Vorgänge achten. Infolge der Aufhebung steht ihm – nach § 643 S. 2 in Verbindung mit § 645 Abs. 1 BGB – ein Anspruch auf einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung zu, außerdem der Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen zur Vorbereitung der ursprünglich beauftragten, nun aber nicht mehr ausgeführten Leistungen.

Dr. Susanne Bergmann-Drees ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht und Rechtsanwältin bei der bbt+ Rechts- und Steuerkanzlei in Hannover.

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