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Lobpreis für MPreis

Eine Einzelhandelskette in Tirol setzt seit langem auf Individualität und Ortsbezug – mit überwiegend jungen Architekten und großem Erfolg

29.09.20158 Min. Kommentar schreiben

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Text: Christoph Gunßer

Ich bin froh, dass es MPreis gibt“, bekennt Erich Strolz. Der Inhaber des Innsbrucker Architekturbüros Unverblümt hat vor vielen Jahren selbst zwei Supermärkte für das Unternehmen geplant, ist aber längst unabhängig von dessen Aufträgen. Doch er lobt die Strategie, jungen Architekten eine Chance zu geben und von ihren Ideen vielfältig zu profitieren. Ob die „frische“ Architektur nun der Hauptgrund ist oder nicht – im harten Verdrängungswettbewerb der Lebensmittelmärkte hat sich das Tiroler Familienunternehmen auf diese Weise jedenfalls wacker entwickelt. Was in den Zwanzigerjahren mit einer Bäckerei und einem Tante-Emma-Laden begann, zählt heute 240 Filialen, 30 davon allein in Innsbruck, einzelne auch in Salzburg, Südtirol, Kärnten und Vorarlberg. Es sind weder Discounter noch Feinschmeckerläden, sondern Nahversorger, etwa vergleichbar mit Edeka oder Rewe in Deutschland, nur mit einem deutlich größeren Regional-Sortiment. In Tirol ist die Firma nach eigenen Angaben Marktführer bei Supermärkten und mit 5.500 Mitarbeitern größter privater Arbeitgeber.

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Gipfeltreffen: Der Innsbrucker Architekt Peter Lorenz entwarf den MPreis-Markt in Telfs. Das Panorama ist so wichtig wie die Waren.

Warentheater zum Wohlfühlen

Schon von Weitem sind viele MPreis-Filialen echte Hingucker: Gestalterisch sind sie indes nicht unter einen Hut zu bekommen. Es finden sich weit auskragende Dächer, filigrane Konstruktionen, platte Supergrafik oder verspieltes Klein-Klein, edle Oberflächen ebenso wie Laubsägearbeiten aus rauem Holz. Oft nehmen Form und Material dabei Elemente der Landschaft auf.

Die größten Qualitäten entfalten die Märkte jedoch erst im Inneren: Hohe, von Tageslicht erhellte Verkaufsräume, besonders viel Glas in den Eingangsbereichen, zusätzliche, auch öffentliche Einrichtungen nach dem Prinzip „Shop in Shop“ machen die Märkte an nicht wenigen Standorten zum wichtigsten Treffpunkt der Gemeinde. Es gehe dem Unternehmen um „Orte zum Wohlfühlen“, betont Pressesprecherin Ingrid Heinz, „auch für die Mitarbeiter.“ Diese würden eigens in Warenpräsentation geschult. „Warentheater“ heißt das im Unternehmen ganz offiziell. Pro 100 Quadratmeter Verkaufsfläche beschäftigt MPreis 3,4 Vollzeitkräfte. Beim Konkurrenten Lidl sind es nur 0,77.

Die Architektur hat indes nicht nur zu dekorieren, sondern gefragt ist jedesmal Planung von Grund auf. Jeder Filial-Neubau wird individuell vergeben; In dreißig Jahren hat das Unternehmen mehr als 40 Architekten beauftragt. Es gibt bei MPreis keine Standardmodule, die lediglich zu verkleiden wären, und keine Zwangswege-Schemata. Allein der rote Würfel mit dem „M“ als Markenzeichen ist konstant, aber auch er darf hin und wieder schief in der Landschaft stehen, wenn es zur Architektur passt.

Das betont auch Christof Hrdlovics aus Zirl, der im letzten Jahrzehnt mit seiner Partnerin Julia Fügenschuh rund ein Dutzend Filialen für MPreis entwickelt hat. Alle unterscheiden sich stark voneinander. So fügt sich in Nauders am Reschenpass ein kompakter Markt von 2005 im touristischen Kerngebiet mit einer Holzlamellenfassade nahtlos in die Straßenkrümmung. In Ellmau im Kaisergebirge breitet sich seit 2011 ein flacher, großflächig verglaster Komplex pavillonartig in der Natur aus. Beide Filialen wurden seinerzeit mit Architekturpreisen bedacht.

Bereits 2003 hatte MPreis seine Bauten als österreichischen Beitrag auf der Architekturbiennale in Venedig präsentieren dürfen. Seither expandierte das Unternehmen kräftig. Offenbar funktioniert die Strategie, mit innovativer Architektur Kunden auf sich aufmerksam zu machen.

Nur keine Wettbewerbe

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Kurvenreich: Julia Fügenschuh und Christof Hrdlovics sind für den Markt in Nauders am Reschenpass verantwortlich.

Die Architektur bewege sich „immer noch am oberen Rand“, urteilt Christof Hrdlovics, der weiter für MPreis tätig ist. Den Grund sieht er in der Struktur des Familienbetriebes, der mittlerweile in der vierten Generation von Familie Mölk geführt wird. Die Entscheidergruppe sei hier relativ klein, die Affinität zur Architektur hoch. So saß Geschäftsführer Hansjörg Mölk in diesem Jahr in der Jury des Mies-van-der-Rohe-Preises und reiste dafür quer durch Europa. „Es gibt hier gleich großes Interesse an neuen Materialien“, sagt Hrdlovics. „Und selbst wenn etwas in die Hose geht, stehen nicht gleich die Anwälte vor der Tür.“ Es gebe ein „gemeinsames Wollen“.

Auch die hausinternen Fachplaner zeigten sich durchweg offen für Veränderungen, wenn es beispielsweise um die Umgruppierung von Kühlsystemen gehe. Von Beginn an werden auch die jeweiligen Marktleiter in die Planungen einbezogen. Die grafische Gestaltung der Märkte liegt übrigens in der Hand eines Familienmitgliedes des „Mölk-Clans“, so dass die Vielfalt als Unternehmensprinzip in gewissen Grenzen gehalten wird.

Zu den von MPreis gezahlten Architektenhonoraren haben Architekten unterschiedliche Meinungen. Erich Strolz spricht von „gewissen Abschlägen“, welche die Architekten hinzunehmen hätten. Dagegen mag Christof Hrdlovics nicht klagen: „Wenn die ganze Architekturbranche so funktionieren würde, hätten die Architekten sicher ein besseres Auskommen und müssten sich nicht in Wettbewerben verschleißen.“ Denn Wettbewerbe schreibt MPreis nicht aus. Die Firma geht selbst auf die Architekten zu. Mit der Ausnahme von Dominique Perrault, den man mit zwei Filialen betraute, als er gerade in Innsbruck das Rathaus umbaute, kommen durchweg einheimische Architekten zum Zuge.

Arbeiten an der „Tirolisierung“

Der Ortsbezug sei dem Unternehmen wichtig, betont Pressesprecherin Heinz, so wie man auch bevorzugt regionale Produkte ins Sortiment nehme und mit globalisierungskritischen Organisationen zusammenarbeite: MPreis kooperiert beispielsweise mit den Tiroler Bergbauern. Bei den Kunden hat Regionalität einen hohen Stellenwert, anders als in Deutschland mit seiner ausgeprägten Fixierung der Kunden auf den Preis. Die Tiroler sind offenbar anspruchsvoll, bei den Produkten wie bei der Atmosphäre, in der man einkauft. Eine Rolle spielt sicher auch der Tourismus.

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Grün und Glas: Ebenfalls von Fügenschuh und Hrdlovics ist der transparente Eingangspavillon des Marktes in Ellmau.

Der Innsbrucker Historiker Horst Schreiber hat 2007 die Unternehmensgeschichte unabhängig analysiert. In einer Zeit, in der „Erlebniskonsum“ immer wichtiger werde, habe MPreis die Gesamtarchitektur des Supermarktes revolutioniert: „Sie verleiht dem Unternehmen internationales Format und Aufmerksamkeit, während das Land Tirol und seine Menschen durch anspruchsvolle und kreative, auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmte Lösungen bereichert werden. So steht MPreis für die Globalisierung des Lokalen und die Lokalisierung des Globalen.“ Diese „Glokalisierung“ bedeute, „dass in vielen Bereichen das Globale und das Lokale nicht Gegenspieler sind, sondern zwei Seiten derselben Medaille“.

Gerade weil sich die Marke MPreis stark mit der „Marke Tirol“ identifiziert, will das Unternehmen künftig vor allem in der Nahversorgung auf dem Lande expandieren: Mit kleineren Filialen will man „jedem Ort sein Geschäft“ (wieder-)geben. Das hat dann vielleicht nur 200 Quadratmeter Verkaufsfläche und bietet nicht so viel Service, aber dieselben Preise wie die großen Filialen.

Der beste Umgang mit dem Auto ist auch für MPreis ein Dauerthema. Damit Flächen gespart werden und die sehenswerte Architektur nicht im geparkten Blech untergeht, stapelt man die Funktionen häufiger aufeinander: Mal wird auf, mal unter dem Markt geparkt, was im schneereichen Tirol zusätzlich Sinn macht, weil dann das lästige Räumen wegfällt. Außerdem sind die Wege kürzer, wenn das Blech im Bauch der Märkte verschwindet.

Die Großen ziehen nach

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Schwindelfrei: Der Markt in Sölden von Raimund Rainer (Innsbruck) wirkt wie ein Felsennest. Der Eingang ist aber auf Straßenniveau.

Rein hypothetisch denkt das Team von Christof Hrdlovics beim Planen auch an eine mögliche Nachnutzung der Märkte. Er möchte, dass sie so offen konzipiert sind, dass eine Gemeinde sie später einmal für eigene Zwecke rückmieten könnte. Eine solche Flexibilität wird zum Beispiel mit Raumhöhen von fünf bis sechs Metern gefördert, die MPreis-Märkte durchaus erreichen. Hier geht es um eine Nachhaltigkeit, die über pure Energiebilanzen hinausweist.Klar, dass man auch mit „normalen“ Energiesparkonzepten experimentiert: Zwei Pilotprojekte erfüllen den Passivhausstandard, was eine Einsparung von 10.000 Litern pro Jahr und Markt bedeutet. Doch architektonisch machen die kompakten Gebäude eher wenig her; sie wirken ziemlich zugeknöpft. Seit Langem wird die Abwärme der Kühltheken für die Heizung benutzt, und die Gefrierfächer sind durch transparente Türen verschlossen.

Bei der großzügigen Verwendung von Glas in den Fassaden sei man heutzutage etwas zurückhaltender, meint die Pressesprecherin, wegen der sommerlichen Energieeinträge. Dagegen macht sich offenbar vermehrt raues Holz an den Fassaden breit, ganz im Sinne des „natürlichen“ Tiroler Markenkerns. Doch auch High-tech hat nicht ausgedient: Derzeit arbeiten Architekten wie Christof Hrdlovics daran, wie sich Photovoltaik sinnvoll in die Fassaden integrieren lässt – als Sonnenschutz für Glasfassaden.

Welche Anziehungskraft speziell die Architektur entfalten kann, hat inzwischen auch die Konkurrenz von MPreis erfasst: Spar und Billa (Rewe) lassen einige Filialen nun ebenfalls von Architekten planen. Die Discounter-Multis bepflastern ihre immer gleichen Kisten immerhin symbolträchtig mit Solarmodulen. Und alle sprechen viel von Nachhaltigkeit. MPreis zeigt aber bisher keine Ambitionen, Deutschland zu „tirolisieren“ – schade.

Christoph Gunßer ist freier Fachautor in Bartenstein (Baden-Württemberg).


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