Branding: Roland Stimpel
Lange nichts mehr von Graft gehört. Der Immobilienbedarf der Familie Pitt-Jolie scheint über Hollywood hinaus gedeckt, die Utopie einer Kunsthallen-Wolke über dem Berliner Schlossplatz ist seit Jahren verflogen, und vor der Graft zu verdankenden 1.000-Quadratmeter-Angebervilla auf der Insel Schwanenwerder hat man sich auf der Schiffstour intuitiv schon weggedreht, bevor sie ins Auge hauen kann.
Aber jetzt gibt es Neues: „die Branding Agentur GRAFT Brandlab, die an der Schnittstelle zwischen Architektur und Marken agiert“. Für unsere allzu deutschsprachigen Leser: Das hat nichts mit Brandschutz zu tun, sondern mit Marken, in New German eben „Brands“. Zu diesem Thema hat Graft jetzt einen erstaunlichen „Immobilienreport“ herausgegeben, oder wir dürfen vermuten: seine eigene Brand dafür geliehen. Die Schnittstelle zwischen Architektur und Marken ist jedenfalls werbetechnisch gründlich verlötet. Wir lernen zum Beispiel: „Die Luft verbessernde Wandfarbe des Herstellers Lakeland Paints absorbiert und neutralisiert Chemikalien und Verunreinigungen.“ Wir erfahren: „SageGlass LightZone von Sage Electrochromics ist ein neues Material, das drei verschiedene Tönungen ermöglicht.“ Und wir freuen uns: „Textile Bodenbeläge können den Feinstaub binden. Tretfords Eco-Fliese ist darin besonders gut, da sie aus einem hohen Anteil an Kaschmir-Ziegenhaar besteht.“ Aus allem schließen wir: Wer Graft als Architekten nimmt, der wird zu Wandfarben, Gläsern und Teppichen so kundig und vor allem herstellerneutral beraten, wie ein unabhängiger Bauherren-Treuhänder das nur eben tun kann.
Zwischen den Werbeblöcken beackert Graft ein Themenspektrum von der Mentalität des Mid-Age-Shoppers über Wohnraum für Assiniboine-Indianer und HoloLens-Brillen bis zur Frage „Mietpreisbremse – Segen oder Fluch?“. Vielleicht ist ja der Plan für ihr 108-Seiten-Konvolut auch so in die Welt gelangt, wie es diese exklusive Graft-Nachricht aus der Kreativszene vermuten lässt: „So findet man neuerdings auf den Toiletten der Innovationsfirma Ideo in San Francisco Post-it-Blöcke. Die Mitarbeiter sind dazu aufgefordert, ihre Ideen, die am stillen Örtchen entstehen, mit anderen zu teilen.“
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