Text: Sinah Marx
Das Oberlandesgericht Celle hat jüngst entschieden, dass ein Architekt trotz einer entsprechenden schriftlichen Niederlegung in der Vertragsurkunde keinen Anspruch auf einen erhöhten Honorarsatz hat, wenn die Erhöhung nicht schon „zum Zeitpunkt der Auftragserteilung“ schriftlich vereinbart worden ist (OLG Celle Urteil vom 24.09.2014, Az: 14 U 114/13; BGH Beschluss vom 30.07.2015, Az: VII ZR 244/14). Damit wendet das Gericht die Regelung aus § 4 Absatz 4 der HOAI von 1996/2002 konsequent an. Dort wird zur Honorarvereinbarung geregelt, dass die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart gelten, sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist. Das Gleiche gilt mit kleinen sprachlichen Änderungen auch nach § 7 Absatz 6 Satz 1 der HOAI 2009 und § 7 Absatz 5 der HOAI 2013 weiter fort – siehe DAB 2/2014, Seite 44. „Auftragserteilung“ steht im juristisch ungenauen Wortgebrauch der HOAI für „Abschluss eines Architektenvertrages“ (BGH Urteil vom 17.04.2009, Az: VII ZR 164/07).
Um diese Regelung in ihrer Konsequenz zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass Architektenverträge auch mündlich und durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden können und damit eine Auftragserteilung im Sinne der HOAI vorliegt. Ein Schriftformerfordernis gibt es beim Abschluss von Architekten-, also Werkverträgen in der Regel nicht – anders als zum Beispiel bei der Kündigung von Miet- oder Arbeitsverträgen. Ausnahmen gelten etwa bei Kommunen als Auftraggebern. Und auch über das Honorar muss nicht zwingend eine Vereinbarung getroffen werden; es gilt grundsätzlich die HOAI. So kommt es häufig vor, dass gerade private Auftraggeber mit dem Architekten „per Handschlag“ den Vertrag schließen. Wird dabei eine Erhöhung des HOAI-Mindestsatzes vereinbart, verpufft diese Vereinbarung allerdings, wenn die Vertragsurkunde erst später aufgesetzt und von den Parteien unterschrieben wird. In einem solchen Fall kann eine Mindestsatzerhöhung nicht mehr wirksam vereinbart werden. Denn dazu ist neben der Schriftlichkeit – eigenhändige Unterschrift! – auch Voraussetzung, dass die Vereinbarung zum Zeitpunkt der Auftragserteilung erfolgt. Der zeitlichen Komponente kommt also eine ebenso große Bedeutung zu wie dem Schriftformerfordernis. Dabei ist zu beachten, dass es der allgemeinen Rechtsauffassung entspricht, das Zeitmoment eng zu verstehen und es nicht genügen zu lassen, wenn zwischen Auftragserteilung und Verschriftlichung einer Mindestsatz-erhöhungs-Vereinbarung ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Wenn sie schriftlich erst nach Auftragserteilung festgehalten wird, sieht sich der Architekt auf den Mindestsatz zurückgeworfen. So stellt auch das OLG Celle fest: „Ein Architektenvertrag kann bereits vor seiner Unterzeichnung durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. In einem solchen Fall gelten die jeweiligen Mindestsätze der HOAI als vereinbart, weil bei Auftragserteilung nichts anderes schriftlich vereinbart worden ist.“
Das Gericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die klagenden Architekten von den beklagten Bauherren Zahlung von Architektenhonorar für Tätigkeiten aus den Leistungsphasen 1 bis 8 der HOAI für die Errichtung von zwei Einfamilienhäusern begehrten. Gestritten wurde vor allem darüber, ob bereits vor Unterzeichnung der schriftlichen Verträge mündliche oder auch schlüssige Beauftragungen erfolgt waren. Die Bauherren bejahten das. Ob dabei eine Mindestsatzerhöhung vereinbart worden war, konnte, unglaublich, aber wahr, unerörtert bleiben. Denn selbst wenn, wäre dies mangels Schriftlichkeit unwirksam gewesen. Es kam lediglich auf den Zeitpunkt der verbindlichen Beauftragung an. Die Architekten vertraten die Auffassung, diese sei erst durch die schriftlichen Verträge erfolgt. Zuvor seien sie lediglich akquisitorisch tätig geworden, die Absichten der Beklagten seien noch nicht hinreichend konkret gewesen.
Das Gericht sah das anders. Die Rechtsprechung habe zwar wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass Leistungen bis hin zur Genehmigungsplanung noch in den Bereich der nicht vergütungspflichtigen Akquise fallen können (OLG Hamm Urteil vom 09.09.2008, Az: 19 U 23/08; mehr zum Thema in DAB 2/2015 Seite 44). Unter anderem weil die Kläger den Beklagten bereits vor Unterzeichnung der Vertragsurkunden eine Abschlagsrechnung übersandt hatten, kam das Gericht aber zu dem Ergebnis, es habe bereits zu einem frühen Zeitpunkt ein Vertragsschluss/eine Auftragserteilung im Sinne von § 7 Absatz 5 HOAI stattgefunden. Dafür spreche das Stellen und das Bezahlen von Abschlagsrechnungen und das Verwerten von erbrachten Leistungen, da diese Handlungen nach Auffassung des Gerichts regelmäßig auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen schließen lassen.
Der rechtzeitige Abschluss eines schriftlichen Vertrages ist also dringend anzuraten, weil ohne ihn eine Mindestsatzerhöhung nicht wirksam ist. Auch darüber hinaus dient der schriftliche Vertrag bei Streitigkeiten als Beweis über den Vertragsschluss an sich und einzelne Regelungen. Orientierungshilfen zur Erstellung von Architekten- einschließlich Vorplanungsverträgen werden von den Architektenkammern ständig aktualisiert und den Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
Sinah Marx (M. A.) ist Rechtsreferentin bei der Hamburgischen Architektenkammer.
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Wie sieht es bei den vorgenannten Urteilen aber mit der Vertragsfreiheit aus? Wird diese durch die HOAI grundsätzlich ausgehebelt. Was, wenn ich nach der Grundlagenermittlung als Architekt festststelle oder es sich aus den Wünschen des Architekten einfach ergibt, dass die Leistungen anders bzw. höher zu bewerten sind?
Wie kann der Architekt bei der strikten Anwendung des Wortlauts des Gesetzestextes dann sein Honorar entsprechend anpassen, so dass es auskömmlich ist? Oftmals ist ja die Grenze zwischen Aquisition und Auftrag fließend, so dass es auf der einen Seite wohl für den Bauherrn schwierig ist, die Vergütung zu zu verweigern, weil die Grenze der Aquise rasch überschritten ist, auf der anderen Seite allerdings ist es für den Architekten gem. Ihres Artikels wohl schwierig den richtigen Zeitpunkt für die schriftliche Fixierung des Architektenvertrages vorzunehmen. Im Zweifel bleibt immer noch die Frage, welche Leistungen bzw. welche Leistungsphasen überhaupt beauftragt sind? Kann man gewisse Teilleistungen der HOAI – sofern sie für den Erfolg nicht erheblich sind (bspw. Fortschreiben des Terminplans oder ähnliches) – im nachhinein verweigern, weil sie für den Werkerfolg überhaupt nicht erforderlich sind? Schließlich ist die HOAI ja eine Honorarordnung und geschuldet ist, was vereinbart ist. D.h. es kann doch durchaus eine Beauftragung für die Leistungsphasen 1-2 geben, die mündlich erfolgt ist und sich an den Mindeststätzen der HOAI orientiert und eine weitere Vereinbarung, die schriftlich fixiert ist, die diese Mindestsätze überschreitet.
Hierzu hätte ich mir – angesichts des heiklen Themas – eine vertiefte Auseinandersetzung gewünscht. Sensibilisiert hat mich der Artikel. Mein Dank dafür.