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Ein Drittel oben drauf

Wie groß sind die Nachverdichtungs-Potenziale innerstädtischer Siedlungen? Ein großes Wohnungsunternehmen schätzt sie auf 30 Prozent des Bestands

01.02.20165 Min. Kommentar schreiben

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Text: Roland Stimpel

Durch Frankfurt weht der Geist Ernst Mays. Hier steht seine legendäre Heimatsiedlung; östlich davon entstanden zeitgleich in den Jahren um 1930 schlichte Kamm- und Zeilenbauten heute unbekannter Baumeister: lang gezogen, äußerlich schlicht, mit Flachdächern versehen und nicht unter Denkmalschutz stehend. Jetzt wurden und werden sie durchweg um eine Etage erhöht. Zu den 110 Wohnungen kamen und kommen weitere 38.

Für sich genommen ist das kein spektakuläres Projekt, weder gestalterisch noch wohnungswirtschaftlich. Aber es soll Auftakt einer weitreichenden Nachverdichtung sein, die Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia plant. Ein Großteil seiner Wohnungsbestände ist aus der Zwischen- und Nachkriegszeit. Hier sieht das Unternehmen jetzt die Chance, viele Siedlungen wie die in Frankfurt um knapp ein Drittel zu verdichten.

Verantwortlich dafür ist Pascal Atzert, der Architektur studiert hat und jetzt das Projektmanagement Neubau von Vonovia in Frankfurt leitet. Das Unternehmen will Neubau bis auf Weiteres nur per Aufstockung und Nachverdichtung bestehender Siedlungen auf eigenem Grund betreiben, nicht auf freiem Bauland in den Städten oder außerhalb. Das Unternehmen hat die Potenziale deutschlandweit untersucht. Die Bedingungen unterscheiden sich von Siedlung zu Siedlung. Für Frankfurt hat Atzert festgestellt: „Im Durchschnitt wäre ein Plus von rund 30 Prozent Wohnungen technisch und räumlich möglich.“ Am häufigsten kommt das Aufstocken infrage, manchmal aber auch Anbauten an den Köpfen von Häuserzeilen oder Ergänzungen in sehr locker bebauten Siedlungen.

An der Mörfelder Landstraße entstanden und entstehen alle neuen Wohnungen auf dem Dach und nach Plänen des örtlichen Architekturbüros Scheffler + Partner. Technisch geht es unaufwendig zu: Auf die Außenmauern kommt ein Ringbalken, der den Boden der neuen Etage trägt. So müssen die statisch nicht ausreichenden Holzbalken- und Teerpappe-Dächer der Bestandsbauten nicht angefasst werden; die Grundrisse lassen sich unabhängig von den tragenden Innenwänden der unteren Geschosse gestalten. Die aufgesetzten Wände sind vorgefertigte, relativ leichte und gut dämmende Holzelemente, deren Aufbau nur wenige Tage benötigt. Leitungen und Rohre müssen lediglich verlängert, aber nicht verstärkt werden – die Kapazität reicht aus. Wenn ein Bestandsbau vier oder mehr Etagen hat, werden Aufzüge angebaut. Auch neue Nottreppen sind nicht nötig: Zweite Rettungswege führen über durchgehende Fluchtbalkone zu den Abholpunkten der Feuerwehr. Ausstattungsqualität und Mieten der neuen Wohnungen liegen im gehobenen Frankfurter Mittelfeld. Sie kosten ab etwa 13 Euro pro Quadratmeter und Monat. Ein Teil von ihnen liegt an der Ausfallstraße zum Flughafen, aber diese Wohnungen sind auch zu den ruhigen Höfen orientiert – und die Wohnungen an den Querbauten der Kamm-Anlage sind es vollständig. Innerhalb der Stadt ist die Lage nahe dem Südbahnhof in Sachsenhausen noch fast zentral und der Blick auf die Banken-Skyline teils spektakulär. Die Größen sind mäßig: ein bis drei Zimmer, meist 50 bis 75 Quadratmeter. Atzert: „Wir bauen keinen Luxus für doppelt gut verdienende Paare, sondern Wohnungen für normale Frankfurter Nachfrager.“

Neue serielle Konzepte für alte serielle Architektur

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Nachverdichter: Pascal Atzert hebt Potenziale Im Bestand, so wie in der Mörfelder Landstraße in Frankfurt (oben).

Oft stoßen Nachverdichtungen auf Protest der weiter unten lebenden Mieter, die Baustress, dauerhaften Lärm, Lichtverlust und unpassende Nachbarn fürchten. Doch will Atzert den Bestand nicht entwerten: „Auch diese Mieter sind unsere Kunden. Und wir sorgen schon aus eigenem Interesse dafür, dass der Wohnwert nicht sinkt.“ Mit den Aufstockungen in der Mörfelder Landstraße werden Fassaden gedämmt, Treppenhäuser renoviert sowie Grünflächen und Spielplätze saniert. „Das Nachverdichten geschieht nicht isoliert, sondern ist immer in ein ganzheitliches Quartierskonzept eingebettet.“ Während der Bauzeit verbleiben die Mieter in ihren Wohnungen.

Stil-Puristen mag stören, dass das Fassadenbild mit seinen horizontalen Fensterreihen jetzt oben durch modisch-bodentiefe Fenster beeinträchtigt ist. Doch man kann das auch belebend finden und den klaren Dach-Abschluss der Häuser schätzen. Eine feine Horizontalfuge dokumentiert zudem die Schnittstelle von Alt und Neu. Auch die Dämmung wirkt hier nicht aggressiv; sie vermag das Bild der sehr schlichten Fassaden kaum zu beeinträchtigen. Die Putzfarben lehnen sich an Muster der Entstehungszeit an. Nach dem Pionierprojekt sieht Atzert jetzt Verdichtungspotenziale in rund 20 weiteren Frankfurter Siedlungen des Unternehmens für je zehn bis fünfzig Wohnungen – auch hier im Schnitt ein knappes Drittel des Bestands. In ihren Münchener Gebieten sieht Vonovia das Potenzial für rund 1.000 neue Wohnungen. Das Ganze ist aber nicht nur eine Frage von Statik, Dichte und Baurechten, sondern auch des lokalen Mietniveaus. Unsubventioniert rechnet sich eine solche Nachverdichtung vorerst nur an Orten mit hohem Mietniveau. Dort aber könnte der Nachverdichtungs-Bau zur Industrie werden. Vonovia denkt an System-Bautypen aus Holz, die im Grundsatz immer gleich aufgebaut sind, sich aber an jedes vorhandene Haus anpassen lassen – serielle Nachverdichtung in oft seriell geplanten und gebauten Siedlungen.

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