Text: Markus Prause
Der Bereich des energetischen Planens und Bauens hat in der Vergangenheit eher ein Schattendasein in der Rechtsprechung geführt. Mittlerweile werden jedoch auch die Obergerichte zunehmend mit Fällen aus diesem Segment konfrontiert. In diesem Zuge hat sich kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in grundlegender Weise zum Verhältnis von Energieeinsparverordnung (EnEV) und vertraglich geschuldeter Bauleistung geäußert (Urteil vom 23.10.2015 – Az.: 22 U 57/15). Das OLG formuliert in seinem Leitsatz:: „Auch ohne ausdrückliche vertragliche Erwähnung gehören die Anforderungen der EnEV zur Sollbeschaffenheit einer Werkleistung.“
Was war geschehen? Ein Bauherr hatte mit seiner Klage Schadensersatzansprüche gegen den Fensterbauer, den Haustechnikunternehmer sowie den Trockenbauer wegen diverser Undichtigkeiten an seinem Neubau geltend gemacht. Der Schadensersatz bezog sich auf Kosten für mehrere Blower-Door-Tests sowie auf Ersatzvornahmen für die verschiedenen Handwerker.
Hinsichtlich der Frage, welchen Anforderungen die Leistungen der Handwerker genügen müssen, stellt das OLG klar, dass die Anforderungen der EnEV automatisch eine Mindestbeschaffenheit für die Leistungen der Werkunternehmer bilden. Hierzu bedarf es keiner ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen verschiedene Bereiche des Objektes (zum Beispiel Rollladenkästen, Leckagen im Spitzboden) nicht der EnEV entsprachen, wurde ein Schadensersatzanspruch bejaht.
Die Entscheidung ist folgerichtig. Die EnEV ist eine auf dem Energieeinsparungsgesetz (EnEG) basierende Rechtsverordnung und damit zwingend zu beachtendes Recht – einschließlich der in der EnEV benannten technischen Normen. Sie ist ebenso verbindlich wie beispielsweise die Landesbauordnungen oder das BauGB. In ähnlicher Weise hatte bereits 2008 das OLG Brandenburg (Urteil vom 02.10.2008 – Az.: 12 U 92/08) entschieden und klargestellt, dass eine Fußbodenheizung auch dann mangelhaft ist, wenn sie zwar dem Leistungsverzeichnis entspricht, aber gegen die EnEV verstößt. In dem Fall lag der Mangel darin, dass eine Fußbodenheizung in Übereinstimmung mit dem Leistungsverzeichnis mit normalen Thermostatventilen eingebaut wurde, jedoch nach § 12 Abs. 2 EnEV mit einer thermostatischen Raumtemperaturregelung hätte ausgestattet sein müssen.
Diese auf die Handwerker bezogene Rechtsprechung findet auch auf Planer Anwendung. Architekten und Fachplaner schulden eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Planung. Diese Anforderung gilt auch dann, wenn – wie in einigen Bundesländern der Fall – Nachweise zum Wärmeschutz nicht mehr geprüft oder gar nicht mehr als bautechnische Nachweise vorzulegen sind. Daher ist die Planung des Architekten mangelhaft, wenn sie nicht die Vorgaben der EnEV einhält. Solche Planungsmängel können auch dem Architekten gegenüber Schadensersatzansprüche auslösen. Zudem hat der Architekt im Rahmen der Objektüberwachung dafür Sorge zu tragen, dass die Unternehmer bei der Bauausführung die Vorgaben der EnEV einhalten. Hierzu genügt es nicht, nur die Unternehmererklärungen nach § 26 a EnEV abzufordern.
Das OLG Düsseldorf hat sich in seiner Entscheidung zudem noch zur Frage des Zeitpunktes der Durchführung von Blower-Door-Tests geäußert. Diese sind demnach grundsätzlich bereits nach Fertigstellung der Gebäudehülle durchzuführen, da durch die Messung zu diesem Zeitpunkt Undichtigkeiten regelmäßig einfacher nachgebessert werden können als nach Fertigstellung des Gebäudes.
Markus Prause ist Justitiar der Architektenkammer Niedersachsen
EnEV: Mindeststandard, Bußgeld und Befreiung
Nach § 27 EnEV stellt eine Missachtung ihrer Mindestanforderungen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeldern geahndet werden kann. Wird im Architekten- oder Bauvertrag ein höherer Standard (zum Beispiel KfW 55) vereinbart, so ist dieser geschuldet. Die EnEV bildet lediglich einen gesetzlichen Mindeststandard, der in der Regel nicht unterschritten werden darf. Es gibt aber eine Ausnahme von ihrer Verbindlichkeit: Auch wenn die EnEV eine verbindliche Mindestvorgabe darstellt, muss der Architekt hinterfragen, ob die Baumaßnahme durch deren Anforderungen unwirtschaftlich wird. Nach § 25 EnEV sind Befreiungen möglich, wenn die Anforderungen im Einzelfall zu einem unangemessenen Aufwand führen und dieser durch eintretende Einsparungen nicht erwirtschaftet werden kann. Der Architekt muss daher prüfen, ob eine Befreiung im konkreten Fall in Betracht kommt und diese Möglichkeit gegebenenfalls mit seinem Auftraggeber erörtern. Unterlässt er die Prüfung und ist die Maßnahme im Ergebnis unwirtschaftlich, so kann dieses Schadensersatzansprüche gegen den Architekten begründen.
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Sehr informativ,
Ich habe als Bauherr ein vertraglich vereinbartes KFW 70 Haus bauen lassen . Die vereinbarten U Werte sind viel schlechter
Das Haus erreicht nicht den KFW 70 Wert !!!