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Landesgartenschau Öhringen: Teure Blüte

Öhringen in Baden-Württemberg hatte einen stillen Park mit alten Bäumen. Zur Gartenschau kamen die Sägen, es wurde laut und teuer – und hinterher wird ein Großteil zurückgebaut.

01.05.20166 Min. Kommentar schreiben

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Text: Christoph Gunßer

Alle Jahre wieder buhlen baden-württembergische Kommunen um die Gunst der Vergabekommission für eine Landesgartenschau; auch in Bayern finden die Schauen inzwischen jährlich statt, in anderen Bundesländern seltener. Wer den Zuschlag erhält, dem öffnen sich öffentliche Fördertöpfe in Millionenhöhe. Dem Veranstalter blühen mit der Schau aber auch erhebliche finanzielle Risiken und Folgekosten. Trotzdem ist der Bewerberandrang jedes Jahr groß. Das kleine Öhringen im Hohenloheschen schaffte es denn auch erst im dritten Anlauf, sich 2009 gegen 17 Mitbewerber durchzusetzen – und das auch nur, weil der scheidende Bürgermeister noch einmal alle seine Verbindungen in die Landespolitik nutzte. Dringende planerische Anliegen, die für das Grün-Spektakel sprachen, gab es vor Ort nämlich nicht.

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Schuh und Boden: Die Hofgartentreppe soll an einen Stiletto erinnern…

Andere Städte verwandelten spektakulär Verkehrsschneisen in neue Parks, wie 2014 Schwäbisch Gmünd. Sie vernetzten Deutschland und Frankreich, wie Kehl und Straßburg 2004, oder wollen Industriebrachen recyceln, wie Heilbronn zur Bundesgartenschau 2019. Öhringen hatte nur die „Neuordnung“ bereits vorhandener Grünflächen im Sinn. Zu Recht wurde da gefragt, ob es in Zeiten weiterhin rasanten Landschaftsverbrauchs der Sinn einer hoch subventionierten Schau sein könne, vorhandenes Grün zu stutzen und einen Sommer lang mit Blümchen zu schmücken. Doch ebendies geschieht nun. Städtische Grünflächen sind meist öffentliche Flächen, eine Schau auf diesem Gelände ist also leicht zu realisieren. Den an der Planung und Durchführung stark beteiligten Verbänden von Gartenbau, Floristen, Sport- und Spielplatzherstellern und selbstverständlich auch der einheimischen Gastronomie sind etablierte Freigelände sogar oftmals lieber als wüstes Neuland, das erst erobert werden muss. Anders als Bauten auf Bauausstellungen bilden Pflanzungen ja bekanntlich lange keinen Raum und spenden im Sommer erst einmal keinen Schatten.

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…der „Generationengarten“ ist laut Stadt für „Ruhe und Genießen“ vorgesehen.

Ansturm auf den Hofgarten

So ging es denn in Öhringen zuvorderst an die „Neuordnung“ des alten Hofgartens, der direkt neben Altstadt und Schloss in der Aue des Flüsschens Ohrn liegt. Wie der Name sagt, gehörte der Park zur barocken Hofhaltung und war bis 1961 nicht öffentlich zugänglich. Seither wurde er für die Bewohner des eng bebauten Städtchens zum lauschigen grünen Wohnzimmer. ­Bereits im frühen 19. Jahrhundert waren Alleen und Baumgruppen im Stile des englischen Landschaftsgartens gepflanzt ­worden, so dass bis zuletzt ein vernachlässigter, aber reicher Baumbestand vorhanden war. Auch die Reste eines barocken Küchengartens waren erkennbar. „Die Planung musste abwägen und vermitteln im Spannungsfeld zwischen den Zielen der Denkmalpflege, des Naturschutzes und der Schaffung eines lebendigen und vitalen Ortes für die Bewohner“, heißt es in den Erläuterungen zum realisierten Ausstellungskonzept der Schau von RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten aus Bonn, die schon einige Gartenschaugelände ­geplant haben. Das ist allerdings recht milde formuliert. Immerhin geht es um das Abholzen von rund 150 alten Bäumen und den Ausbau des vormals stillen Parks für geschätzte 750.000 Touristen in dieser ­Saison.

Als örtliche Naturschützer vor der radikalen Umgestaltung rund 1.700 Unterschriften sammelten, argumentierten sie: „Der Park lockt Besucher von nah und fern an – und alle fühlen sich im Schutz der vielen Bäume sehr wohl. Nun soll dieses Naturparadies zerstört werden.“ Doch der Protest verhallte in der parteiübergreifenden Einigkeit im Stadtrat. Landessubventionen für die Gartenschau in Höhe von fünf Millionen Euro und weitere Städtebaufördermittel hatten ihre Wirkung getan.

So wurden auf der nur fünf Hektar kleinen Fläche ein neuer bunter Spielplatz sowie ein skulpturaler „Generationengarten“ eingefügt, mit Hilfe einer Pumpe plätschert ein Bach durchs Gelände, und eine modisch-elegante neue Freitreppe schwingt sich vom Schlosshof hinab in den Park (Architekt: Ulrich Schimmel, Öhringen). Sie findet dort ihre Fortsetzung in zwei neu gepflanzten Alleen aus Zwerghainbuchen. Ein vorhandenes kleines Tiergehege wurde in einer Ecke des Parks neu errichtet (ein organischer Holzbau von Kresings Architektur, Münster). Und selbstverständlich spannte man nicht nur um die Tiere, sondern rings um den Park einen Zaun, um bis zum Herbst Eintrittsgebühren zu erheben.

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Alte Grenze: Die Limeshecke markiert den römischen Grenzverlauf vor 2.000 Jahren; als martialische Barriere wirkt sie eher nicht.

Grün-Vernetzung entlang des Flusses

Um den historisch-neuen Park vom gar zu großen Ansturm zu entlasten, bekam die Gartenschau ein zweites Standbein im Generalthema „Der Limes blüht auf“. Seit die Unesco vor Jahren den römischen Grenzverlauf zum Welterbe erhoben hat, bemüht man sich in der Region um kreative Deutungen des längst verschwundenen Zauns.Die Ohrn, die im Hofgarten wegenÜberschwemmungsgefahr nicht aus ihrer tiefen Troglage befreit wurde, ist zumindest auf dieser Strecke teilweise renaturiert worden. Auf Höhe des Freibades gibt es nun einen Naturstrand samt Bar, darüber schwingt sich von einem Kletterturm eine kühne Seilbahn, die nach der Gartenschau bleiben wird. Der vis-à-vis gelegene schlichte Ausstellungspavillon des Landkreises (Architekten: Knorr &Thiele, Öhringen) wird künftig als Jugendhaus nützlich sein. Hier hat offenbar die Bürgerbeteiligung einiges bewirkt. Es gelang, eine Tennisanlage auszusiedeln.

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Befreites Bett: Renaturierte Ohrn in der Cappelaue. Das Bild entstand kurz nach dem Bauabschluss; inzwischen ist die Aue deutlich stärker bewachsen.

In der weiteren Talaue um die Limeshecke breiten sich – auf zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen – die zahlreichen temporären Darbietungen der Gartenschau aus. Von über tausend Quadratmetern „Wechselflorflächen“ und 80.000 Tulpenzwiebeln ist insgesamt die Rede. Hier ist, von ein paar Bastionen, Brücken, Bäumen und natürlich der 450 Meter langen Hecke abgesehen, nach der Schau ganz überwiegend Rückbau fällig. Ein privates barockes Hofgut am Rande der Aue wurde nur für die Schau gepachtet, restauriert und aufwendig erschlossen, ein benachbarter, über zwei Hektar großer Acker zum temporären Parkplatz gemacht, ehe er offenbar bebaut werden soll.

Planung durch Pflanzen?

Die Bilanz des Gartenschau-Vorlaufs ist zwiespältig: ein unter Zeitdruck im Hauruck-Verfahren aus dem Dornröschenschlaf geweckter Park, ein paar Bauten, ein paar Brücken, einige erschlossene, dem Menschen nutzbar gemachte Naturräume – und am Ende sicher nicht wenige Flurschäden im Gelände. Rund vierzig Millionen Euro Gesamtkosten stehen erhoffte Einnahmen von acht Millionen gegenüber. Die 23.000-Einwohner-Stadt ist bereits eine der am höchsten verschuldeten im Land. Viel ist wieder von Umweg-Rentabilität die Rede: steigende Übernachtungszahlen, wachsende Bekanntheit des Standortes – die üblichen Marketing-Argumente.

Doch so schöngerechnet und prekär die Bilanzen vergangener Gartenschauen oftmals waren, so fragwürdig ist an vielen Orten auch, ob längerfristige planerische Ziele dieses in die Jahre gekommene Vehikel wirklich brauchen – oder ob es mit dem geballten Druck von Terminen, Sponsoren und Veranstaltern sogar mehr Schaden anrichtet, als dass es nützt. Das sollte im Einzelfall gut abgewogen werden. Die Landesschaukarawane zieht in den nächsten Jahren erst einmal weiter nach Bad Herrenalb, Lahr, ins Remstal und nach Überlingen am Bodensee.

Christoph Gunßer ist freier Fachautor in ­Bartenstein (Baden-Württemberg)

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