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Zurück Stadt im Wandel

Klimawandel – Leitbildwandel?

Wollen wir die aufgelockerte Stadt, um das lokale Klima zu verbessern – oder wollen wir die kompakte Stadt, die das globale Klima schützt? Ein Forschungsprojekt untersucht den Konflikt – und schlägt Lösungen vor.

01.05.20169 Min. Kommentar schreiben

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Text: Josefine Korbel, Detlef Kurth

Meteorologen sagen als Folge des Klimawandels voraus, dass künftig Hitzewellen, Dürren und Extremwetter mit Starkregen das städtische Klima prägen. Die Folgen seien Überschwemmungen und eine überlastete technische Infrastruktur sowie überhitzte Innenstädte mit schlechter Durchlüftung und schlechter Luftqualität. Dieser Hitzestress wirkt sich auf die Arbeitsqualität, aber auch auf die menschliche Gesundheit aus, je nach Verletzbarkeit der Städte. Daraus resultierend, wird eine Strategie der Klimaanpassung nötig. Zu ihr gehören die Anpassung an Extremwetter, etwa durch ausreichende Überflutungsfläche, ein besseres Mikroklima in der Stadt, vor allem durch mehr Grün und Wasser sowie geschützte oder neu geschaffene Frischluftschneisen.

Hier zeichnen sich jedoch Konflikte mit anderen Zielen ab: „Innen- vor Außenentwicklung“ und „nachhaltige Stadtentwicklung“ – diese Grundsätze der Leipzig-Charta von 2007 sind im Planungsrecht verankert und werden durch das Leitbild der kompakten Stadt abgebildet. Dieses Leitbild entspricht auch den Zielen des Klimaschutzes im Hinblick auf kurze Wege und Kompaktheit.

In der Stadtforschung wird nun debattiert, ob bestehende Leitbilder um Aspekte der Klimaanpassung ergänzt werden können oder ob etwa neue Leitbilder wie die „resiliente Stadt“ erforderlich sind, die beide Ziele optimiert. Der kontrovers diskutierte Begriff „Resilienz“ stammt ursprünglich aus der Ökologie und beschreibt die Fähigkeit eines (ökologischen) Systems, nach einer Störung wieder zum ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Hinsichtlich der Klimaanpassung können unter anderem folgende Resilienzkriterien herangezogen werden:

  • Effizienz: Verringerung der CO2-Emissionen durch kurze Wege und Ressourcen-Effizienz
  • Diversität: kleinräumige Mischung zwischen bebauten und unbebauten Strukturen, niedrige Dichte, viel Grünraum
  • Redundanz: Sicherung vor dem Ausfall großer Einzelkomplexe durch durch kleinteilige Nutzungsmischung und Infrastruktur
  • Exposition: geringe Exposition der Siedlungsflächen, etwa gegen Überschwemmungen
  • Robustheit/Konsistenz: Beständigkeit und Flexibilität gegenüber Extremwetter-Ereignissen

Welches städtebauliche Leitbild ist für Klimaschutz und Klimaanpassung am besten geeignet? Dies wurde im Forschungsprojekt „Klimaanpassung in der Region Stuttgart“ untersucht, das vom Bundesministerium für Umwelt und Bau gefördert wurde. Im Projekt wurden fünf Leitbilder des 20. und 21. Jahrhunderts hinsichtlich der Klimaanpassung überprüft: die kompakte Stadt, die entdichtete und perforierte Stadt, die gegliederte und aufgelockerte Stadt, die Netzstadt und schließlich die Punkt-axiale Stadt mit kompakten Kernen entlang von Entwicklungsachsen, wie sie etwa Fritz Schumacher in seinem Hamburger Achsenkonzept propagierte.

Dabei stellte sich heraus, dass keines der bestehenden Leitbilder vollständig geeignet ist, um die beschriebenen Widersprüche aufzulösen. Die Leitbilder, die mit dem Resilienzkonzept am ehesten übereinstimmen, sind die „kompakte Stadt“ und die „Punkt-axiale Stadt“. Die kompakte Stadt hat eine hohe Effizienz und einen geringen Flächenverbrauch – doch aufgrund der hohen Dichte mangelt es an Grünflächen. Diese können jedoch beispielsweise in Form von Straßengrün und Dachbegrünung ergänzt werden. Die Punkt-axiale Stadt ist positiv bewertet aufgrund der robusten Infrastruktur, der Siedlungskonzentration an Achsen und der Sicherung von Grünschneisen. Sie ist schwächer hinsichtlich der Redundanz, da sie in den Zentren entlang der Achsen störanfälliger ist. Schlechtere Bewertungen erhielten die Leitbilder „entdichtete Stadt“, „gegliederte und aufgelockerte Stadt“ sowie die „Netzstadt“: Hier sind die Wege länger, die Autoabhängigkeit ist größer, die Infrastruktur ist aufwendiger, weitmaschiger und schlechter ausgelastet, und aufgrund der eher suburbanen Siedlungsstruktur ist der Flächenverbrauch größer.

Die Ziele der kompakten oder der Punkt-axialen Stadt entsprechen also bereits in vielen Aspekten den Anforderungen der Klimaanpassung; sie müssen nicht grundsätzlich infrage gestellt werden. Von daher muss kein neues übergeordnetes Leitbild der „resilienten Stadt“ eingeführt werden – die Aspekte der Resilienz einschließlich Robustheit und Redundanz sind aber künftig stärker als zusätzliche Kriterien in den etablierten Leitbildern zu berücksichtigen.

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