Text: Andreas Flock
Der Brandschutz im Baudenkmal hat es nicht immer leicht. Einerseits soll der Bestand in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleiben, andererseits erfordern brandschutztechnische Maßnahmen häufig Eingriffe in die Gebäudestruktur. Es gibt zwar keine Patentrezepte, um diese Widersprüche aufzulösen, aber zahlreiche Konzeptvarianten. Richtig eingesetzt, ermöglichen sie das Erreichen der bauordnungsrechtlichen Schutzziele – und dies möglichst auch noch unsichtbar. Wie das funktionieren kann, zeigen die folgenden Beispiele – drei Ansätze mit ähnlicher Ausgangslage, aber sehr unterschiedlichen Schwerpunkten.
Henry-Ford-Bau, Berlin
Schwerpunkt baulicher Brandschutz
Der Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin, errichtet 1954 von Franz-Heinrich Sobotka und Gustav Müller, präsentiert sich mit dem Auditorium Maximum und den Seminarräumen, die der benachbarten Bibliothek zugeordnet sind, als Nachkriegswerk zeittypisch lichtdurchflutet. Die große Halle lädt ein zu Präsentation und Begegnung. Genau dies war über fünfzig Jahre lang von den Genehmigungen nicht gedeckt; seitdem wurden Veranstaltungen jeweils einzeln gestattet. Schließlich war die Halle sowohl baulicher Rettungsweg wie auch als brandlastarmer Bereich Bestandteil der Abschnittsbildung des etwa 80 Meter langen Hauses.
Die Raumbildung der Halle erfolgte bauzeitlich mit großflächig verglasten Trennwänden. Später wurden sie teilweise bekleidet und waren damit unsichtbar geworden. Ergänzend forderte der Auftraggeber für die angestrebte dauerhafte Nutzung für Ausstellungen und Kongresse, den vorbeugenden Brandschutz weitestgehend ohne technische Maßnahmen, somit baulich, zu erreichen.
An dieser Stelle verlangt die Bauordnung eine feuerwiderstandsfähige Wand oder Decke, die den Brand auf ein akzeptiertes Maß begrenzen kann. Über solche Raumabschlüsse verfügte die Halle des Henry-Ford-Baus größtenteils jedoch nicht. Deshalb machte man sich die Größe der Halle zunutze, die einen ausreichenden Abstand von möglichen Brandereignissen zu den großflächigen Stahl-Glas-Elementen erlaubte, die so vor direkter Temperatureinwirkung geschützt werden können. Darüber hinaus ermöglichen die im Rahmen des Konzeptes realisierten automatischen Öffnungen im Hallendach den frühzeitigen Abzug von Rauch und Brandgasen und somit auch eine thermische Entlastung des Hallenraumes. Auch konnten die notwendigen Rettungswege aus dem ersten Obergeschoss des Nebenbereiches zur benachbarten Bibliothek nachgewiesen werden. Diese Maßnahme entlastet die Wände der nun internen Treppe, sodass sie nach bauzeitlicher Vorlage als vollverglaste Konstruktionen ohne Feuerwiderstand wiederhergestellt werden konnten. Nun kann das Gebäude aus brandschutztechnischer Sicht genutzt werden, wie es sich schon immer anbot: Einladend, offen und hell lädt es zu Veranstaltungen und Ausstellungen ein.
Schlaues Haus, Oldenburg
Schwerpunkt anlagentechnischer Brandschutz
Das wohl älteste Haus Oldenburgs sollte ein fester Ort für Veranstaltungen der Universitäten mit Namen „Schlaues Haus“ werden – ergänzt um einen Neubau. Architekt war Stefan Behnisch.
Während des Entwurfes entstand die Frage: Was tun mit den Deckenöffnungen, die im Betrieb benötigt werden für die Belichtung vom Dach bis zum Erdgeschoss, für die natürliche Durchströmung aus den Etagen hin zur Dachöffnung? Verglaste Trennwände an den Deckenkanten, Feuerschutzbehänge an den Öffnungen – sämtliche Lösungen scheiterten an der Enge der Einbauorte.
Zu derselben Zeit liefen in einem Berliner Projekt Realbrandversuche, um die Wirksamkeit eines Verfahrens der Kombination von Hochdruck-Wassernebel und gezielter Luftströmung nachzuweisen. Das Prinzip: Mit hoher Geschwindigkeit in der Waagerechten eingebrachter Wassernebel verschließt im Brandfall eine Deckenöffnung gegen die Weiterleitung von Temperatur und Rauch; auf seiner Rückseite befördert er dabei aufgrund von Reibungseffekten mit der angrenzenden Luftschicht große Mengen Frischluft über die dortigen Rettungswege und hält diese somit begehbar. Die Frage war, ob dies im Schlauen Haus auch in der Vertikalen denkbar war – also entgegen der Schwerkraft. Es funktionierte und wurde in Vorversuchen sowie am Einbauort nachgewiesen und ist nun Bestandteil des Schlauen Hauses. Eine Besonderheit des Verfahrens ist seine mögliche Unabhängigkeit: Eine Sicherheitsstromversorgung wird nicht benötigt, da die Pumpen von Druckgas angetrieben werden. Auch Ventilatoren sind nicht erforderlich: Im dachseitigen Austrittsquerschnitt wird von mehreren Düsen der Hochdruck-Wassernebel-Anlage ein Volumenstrom erzeugt, der das Gemisch aus Wassernebel, Brandgasen und Rauchpartikeln ins Freie befördert. Chapeau!
TU Berlin, Architekturfakultät
Schwerpunkt organisatorischer Brandschutz
Der organisatorische Brandschutz wird oft vernachlässigt, dabei ist er das Herzstück zur Realisierung der brandschutztechnischen Maßnahmen. Das Architekturgebäude der Technischen Universität Berlin ist ein Beispiel, wie allein durch die beherzte Mithilfe der Nutzer ein Konzept umgesetzt werden kann, das im Wesentlichen ohne bauliche Veränderungen innerhalb des Gebäudes auskommt.
Das 1968 fertiggestellte Haus nach dem Entwurf von Bernhard Hermkes bietet dem Fachbereich Architektur mit seinen giebelseitigen großzügigen Räumen und internen – nicht notwendigen – Treppen vielfältige Begegnungsmöglichkeiten. Im Inneren des Gebäudes angeordnete Hallen laden zur Präsentation von Entwürfen und Ausstellungen ein. Nach zahlreichen Umbauten entstanden jedoch Aufteilungen mit Zuordnungen von Räumen, für die kein erster Rettungsweg zur Verfügung stand. Hinzu kamen die nicht nachgewiesenen brandschutztechnischen Eigenschaften der überall im Gebäude verbauten Systemwände.
Aus der zu Beginn als Schwäche definierten Nutzung des Gebäudes entstand ein Brandschutzkonzept, das nun gerade diese in den Mittelpunkt rückt. Die wesentlichste Maßnahme war eine vollständige Neuordnung von Fachbereichen und Räumen mit dem Ergebnis, dass jeder Entwurfssaal und jede Gruppe aus Verwaltungs- und Arbeitsräumen mindestens einen, von den Hallen unabhängigen, direkten Zugang zum Treppenhaus erhielt. Dazu musste nahezu jedes Fachgebiet umziehen.
Die anfänglichen Bedenken gegen ein überwiegend auf betrieblichen Maßnahmen beruhendes Konzept konnten mit der ersten Ausstellung der Semesterarbeiten im Gesamtgebäude aus der Welt geschafft werden. Die seitens der Studenten mit großer Kreativität geplante Veranstaltung setzte in überzeugender Weise die konzeptionellen Ideen um und bespielte das Gebäude, wie es von Anfang an gemeint war. Im täglichen Betrieb sorgen seither Kontrollgänge mit strenger Systematik für eine durchgehende Überwachung des Gebäudes. So wurde die Schwäche des Gebäudebetriebes zur entscheidenden Stärke.
Andreas Flock ist Architekt, Sachverständiger und Geschäftsführer der Brandkontrolle Andreas Flock GmbH in Berlin.
Fortbildung zum Brandschutzexperten
Das Kompetenzzentrum für Weiterbildung im Bauwesen EIPOS der TU Dresden AG bietet seit über 25 Jahren berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen für Architekten und Bauingenieure an. Neben neuen Themen wie „Building Information Modeling und Management“ und anderen aktuellen Themen des Bauwesens ist das Institut auf Brandschutz spezialisiert. Die nächsten Angebote, wie die Fortbildungen zum Fachplaner für den vorbeugenden oder gebäudetechnischen Brandschutz, zum Sachverständigen für vorbeugenden Brandschutz oder der Masterstudiengang „Vorbeugender Brandschutz“, starten im Herbst. Ausführliche Informationen sowie das Fortbildungsprogramm finden Sie unter: www.eipos.de
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: