Text: Thomas Schabel
In der früheren Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) war die Bedeutung des Wettbewerbsergebnisses bei der nachfolgenden Auswahl des Auftragnehmers umstritten. Insbesondere wurde der Gewinner eines Architektenwettbewerbs unter der Geltung der VOF nicht automatisch Auftragnehmer. Unklar war, wie stark das Wettbewerbsergebnis bei den Auftragserhandlungen gewichtet werden sollte; Zahlen von 30 bis 80 Prozent der erzielbaren Punkte standen im Raum.
Das neue, seit 18. April geltende Vergaberecht ist klarer: Die Spezialregelungen der §§ 74 ff. VgV für Planerverträge sehen vor, dass ein öffentlicher Auftraggeber ohne weitere Vorbedingungen als obersten Maßstab für die Auswahl des späteren Auftragnehmers statt des Preises der Leistung ihre Qualität bestimmen kann. § 76 Abs. 1 S. 1 VgV formuliert ausdrücklich:
„Architekten- und Ingenieurleistungen werden im Leistungswettbewerb vergeben.“
Entscheidungsgrundlage für den Zuschlag ist also die Architektenleistung, die das Vertragsverhältnis prägt – und nicht das vom Auftraggeber zu zahlende Geld.
Es stellt sich die Frage, wie diese „Qualität“ der Leistung gemessen werden soll. Bei normalen, in Bewerbungs- und Verhandlungsstufe gegliederten Verfahren werden die ausgewählten Bieter in den Verhandlungen vom Auftraggeber anhand verschiedenster Kriterien verglichen. Das ist nach einem Architektenwettbewerb aber anders: dort ist ja eine konkrete Aussage über die Qualität der jeweiligen Architektenleistung eines Bewerbers bereits getroffen worden. Die qualifizierte Jury, die aus Berufsträgern und Fachleuten aus dem Bereich des Auftraggebers besteht, hat alle eingereichten Lösungen untersucht, diskutiert und bewertet (mehr dazu in den Richtlinien für Planungswettbewerbe 2013). Am Schluss der Arbeit des Preisgerichts stehen als Urteil über die Lösungen die vergebenen Preise. Dieses Urteil kann der Auftraggeber als Qualitätsaussage unmittelbar übernehmen. Die prämierten Lösungen sind die besten. Damit macht das neue Vergaberecht den Wettbewerbserfolg unmittelbar zur Begründung der Auswahl des besten Auftragnehmers.
Neu ist seit der Vergaberechtsnovelle auch das Gebot des § 127 Abs. 3 Satz 1 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, demzufolge Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Daraus ergibt sich die Gleichsetzung des Wettbewerbsergebnisses mit der vergaberechtlichen Beurteilung der „Qualität“ der Leistung anhand der Resultate eines Architektenwettbewerbs. Die Leistung ist identisch mit dem Auftragsgegenstand und weist damit die engste „Verbindung“ mit ihm auf. Das Honorar dagegen ist der Leistung äußerlich; Geld ist das abstrakte, für jeden Zweck bereit stehende Zahlungsmittel. In der konkreten Arbeit des Architekten steht das später fällige Honorar nicht unmittelbar mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, sondern ist ein ihm äußerliches Kriterium.
Das Honorar des Architekten nach HOAI abstrahiert nämlich mit den in ihr geregelten preisrechtlich geprägten (Teil-)Pauschalen vom tatsächlichen Zeitaufwand des Architekturbüros. In keinem Stadium der Architektenleistung kann sich der Auftragnehmer darauf berufen, eine bestimmte Arbeitszeit aufgewendet zu haben oder künftig zu benötigen. Der „Preis“ ist also genuin nicht unmittelbar an den Auftragsgegenstand gekoppelt. Selbstverständlich ist er – schematisch ermittelt – Maßstab für die Bemessung des Schwellenwerts; das vom Auftraggeber später zu bezahlende Honorar ergibt sich nach Erbringung der Leistungen aus den Bestimmungen der HOAI. Es liegt vollständig in der Entscheidung des Architekten, was und wieviel er an inhaltlicher Arbeit leistet, ob er schnell, routiniert, langsam, besonders sorgfältig oder wie auch immer arbeitet, ob und wie er sein Honorar kalkuliert.
Die Spielräume in der HOAI (Honorarsätze, Zuschläge, Nebenkosten) sind so marginal, dass sie mit dem Inhalt der Leistung – der konkreten Arbeit des Architekten –nicht in einem vergaberechtlich relevanten Zusammenhang stehen und deshalb ohnehin nicht zu Zuschlagskriterien gemacht werden sollten. Sie sind nichts als Verhandlungsmasse, also die „Luft“, die in einem Angebot enthalten sein kann. Damit hat das Honorar für eine Architektenleistung keine inhaltliche Bedeutung; es fehlt die in § 127 Abs. 3 S. 1 GWB geforderte „Verbindung mit dem Auftragsgegenstand“. Das gilt, wie hier gezeigt, ganz besonders nach Durchführung eines Architektenwettbewerbs.
Thomas Schabel ist Fachanwalt für Vergaberecht sowie für Bau- und Architektenrecht in München.
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