Text: Wolfgang Bachmann
Camillo Sitte mochte sie nicht, diese „sinnverwirrenden Karussellplätze“. Man musste sich „nur ein einzigesmal umdrehen und man hat sofort alle Orientierung verloren“. Dabei sind uns aus den europäischen Großstädten die wunderbarsten runden Plätze in Erinnerung.
Was würde Sitte jedoch in seinen „Erörterungen über Systeme von Stadtanlagen“ äußern, wenn er unsere neuzeitlichen Kreisverkehre kennengelernt hätte? Von Plätzen wollen wir gar nicht reden, auch nicht unbedingt die Räson der Verkehrsplaner gering schätzen. Ihr Ziel war es zunächst, den Strom der Kraftfahrzeuge in Bewegung zu halten und statt hierarchischer Vorfahrtsregeln an Straßenkreuzungen ein elegantes Einfädeln, ein demokratisches Gleiten, ein verbindliches Miteinander zu erlauben, damit die Fahrzeuglenker den Richtungswechsel mit tänzerischer Grazie vornehmen konnten. So war es einmal gedacht, bis man die dazu herabgesetzte Geschwindigkeit selbst als Beitrag zur Verkehrsberuhigung entdeckte – und vor jedem Flecken ein, zwei, drei dieser Kreisel zum Auffangen wild gewordener Autofahrer anlegte.
Darüber ließe sich noch verhandeln, wenn man auch zu Fuß und mit dem Fahrrad sicher über die autogerechten Kreisel käme. Das Makabre ist, dass diese Freiflächen in einem horror vacui gestaltet werden müssen. Mal ist es ein Gartenarchitekt, mal das Tiefbauamt, dann ein leibhaftiger Künstler, der den runden Verkehrsknotenpunkt mit seinen Werken verstellt. Sie schleppen Felsbrocken an, Stahlrohre, Rostbleche, Kanthölzer. Es wird gepflastert und betoniert, was die Baumärkte hergeben, mit Wasser geplanscht und Kraut gewildert. Jede Ortseinfahrt ist zur Abschreckung unverwechselbar mit Unrat befestigt.
Da will niemand unnötig langsam fahren, lieber rasch aufschließen und den verfluchten Ort mit einer eiligen Rechtsabbiegung verlassen: „Mist! Der Radler…“. Ein Höllenritt, wenn man nicht aufpasst und deshalb das Fanal zweimal umrunden muss. Nach Land-art jetzt Traffic-art: Kunst im Zentrum der höchsten Emissionen. Ein Langzeitversuch. Nicht auszuschließen, dass Volkswagen dahinter steckt, um die Unbedenklichkeit von Autoabgasen zu beweisen.
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