Text: Heiko Haberle
Einer der „Hidden Champions“ kommt aus Schwarzenbek, etwa 30 Kilometer östlich von Hamburg. Dem Endverbraucher sind diese Weltmarktführer in Spezialindustrien, die nicht selten abseits der wirtschaftlichen Zentren sitzen, meist unbekannt. So wie das Unternehmen Fette Compacting, führend auf dem Markt für Tablettiermaschinen. Diese Geräte haben Formate von Telefonzelle bis Gartenlaube, sind aber so teuer wie ein Einfamilienhaus. In ihnen wird Pulver in Kapseln gefüllt oder zu Tabletten gepresst – vom Spitzenmodell 1,65 Millionen pro Stunde. Dieser Markt ist so speziell, der Kundenkreis und das Mitbewerberfeld so klein, dass Corporate Design nicht wirklich wichtig ist, könnte man meinen. Doch bei Fette Compacting sieht man das anders: Die Maschinen gewinnen neuerdings Designpreise und entsprechend prägnant sind die weltweiten Messeauftritte. Da musste der Hauptsitz in Schwarzenbek nachziehen. „Was wir auf den Messen versprechen, müssen wir auch hier halten“, so Volker Reinsch, Bereichsleiter Marketing und Kommunikation.
Die Messestände konzipiert die Hamburger Firma MAV, die ihre Ursprünge eher im Veranstaltungs- und Messebau hat, als ein klassisches Design- oder Planungsbüro zu sein. Doch wie der Innenarchitekt Achim Meyer, Leiter der Abteilung „Architektur und Design“ bei MAV, erzählt, seien zunehmend Gestaltungsaufgaben für dauerhafte Ausbauten hinzugekommen, etwa Empfangsbereiche oder Konferenzräume von Firmen. Der Auftrag des Messekunden Fette Compacting, auch an den Stammsitz Hand anzulegen, war dann aber wegen seiner speziellen Anforderungen ein ganz besonderer.
Fabrik mit Schaufenster
In Schwarzenbek sollte ein neu errichtetes Kunden- und Entwicklungszentrum an den zentralen Empfang des Firmengeländes angebunden werden. Dieses wird jährlich von 300 bis 350 Kundendelegationen besucht, die zumeist mehrere Tage lang bleiben. Sie lassen sich zu neuen Produkten oder möglichen Reparaturen und Nachrüstungen ihres Bestandes beraten. Sie testen mit ihren Arzneisubstanzen die Maschinen und besuchen Schulungen. Oder sie wollen einfach der Endabnahme beiwohnen und, wie beim Autobauer, ihre Tablettenpresse entgegennehmen. Bei allem ist die Maschine präsent, sogar in den Konferenzräumen des Kundenzentrums, denen jeweils ein verglaster Testraum zugeordnet ist, der direkt aus der Produktion bedient werden kann.
Doch zwischen Kundenzentrum und Werkseingang liegt ein Bestandsbau aus den späten 1930er-Jahren mit Produktionshallen, Testräumen und Büros. Warum also nicht einfach den nur intern genutzten Flur durch das Haus zum repräsentativen Besuchergang umbauen, der Informationen über die Firma und die Maschinen mit Einblicken in die Produktion verbindet? Große bauliche Eingriffe sollten allerdings vermieden, stattdessen die vorhandene Raumstruktur beibehalten werden. MAV musste also mit dem 60 Meter langen Flur selbst und mit seinen Begrenzungen arbeiten. „Der zweimal um die Ecke biegende Gang sollte zu einem dreidimensionalen, raumdurchdringenden Band werden“, erklärt Innenarchitekt Meyer. „Es definiert den Weg, aber auch unterschiedliche Zonen.“
Gleichzeitig sollte die Firmenpräsentation an den heutigen Stand der Technik angepasst werden und sich alles in die Corporate Identity integrieren. „Auf den internationalen Messen treten wir mit einem einheitlichen und strukturierten Design auf. Die neue Architektur sollte das unterstützen und der Kunde sich auch vor Ort wiederfinden“, beschreibt Marketing- und Kommunikationschef Reinsch die Intention seines Unternehmens. Meyer ergänzt: „Unsere Aufgabe war also, das vorhandene Corporate Design räumlich zu machen.“ Dieses stammt vom Grafikbüro Braun Engels aus Ulm und arbeitet hauptsächlich mit Schwarz sowie Gelb, Orange und Türkis, wobei den Farben Schlagworte der Firmenphilosophie zugewiesen sind: Gelb steht für Kompetenz, Orange für Service, Türkis für Technologie. Diese Farben habe man bewusst sehr offensichtlich und wiedererkennbar eingesetzt, erzählt Meyer. Im Besuchergang dominiert das Schwarz; die drei anderen Farben tauchen immer wieder an den Wänden oder an losgelösten Deckenfeldern auf.
Präsentieren statt verstecken
Grafiken wechseln sich mit Bildschirmen und Touchscreens ab, die Produktionsabläufe und Funktionsweisen der Maschinen erklären. Doch das Interessanteste sind wohl die Einblicke in die gläsernen Räume für Test und Abnahme der Maschinen oder in ein Labor. Etwa in der Mitte des Weges bietet ein Stichgang einen direkten Blick in die Werkshalle. Ebenfalls hier befinden sich eine Sitzbank und eine Kaffeeecke – vor einer Weltkarte mit den Standorten der Firma und einer künstlerischen Arbeit mit dem Firmenlogo. Am Ende des Gangs zeigt ein Zeitstrahl die Firmengeschichte. Am Beginn des Strahls steht eine kleine Werkzeugfabrik in Hamburg-Altona vor 108 Jahren; an dessen Ende tritt man in die Gegenwart, in das neue Kundenzentrum.
Hier am Übergang in den Neubau wurde ein Abstellraum samt Rolltor zugunsten eines neuen Durchgangs entfernt. Ein anderer Raum musste dem Sitzbereich in der Gangmitte weichen. Ansonsten wurden die unterschiedlichen Türen der einzelnen Räume vereinheitlicht und bündige Raumabschlüsse geschaffen. Dass so wenig baulich eingegriffen wurde, stört keineswegs, denn entstehen sollte ja kein Showroom, sondern eine begehbare Fabrik. „Wir wollten die Produktion nicht verstecken, sondern offen zeigen, wie und wo unsere Produkte entstehen“, so Reinsch. Der industrielle Charakter der Räume wird also nicht verleugnet. Bewusst wurden Durchblicke zwischen den abgehängten farbigen Deckenflächen hindurch unter das Hallendach mit seinen Leitungen frei gelassen. Im Bereich des Zeitstrahls wird der Gang niedriger, weil darüber ein Revisionsgang in das benachbarte Hochregallager führt. Die hauseigene Rohrpost erhielt eine transparente Röhre. Das alles stört den Blick weniger, als dass es den Gang noch interessanter macht.
Eine Herausforderung sei die Planung aber vor allem gewesen, weil auf viele Besonderheiten der Produktion Rücksicht genommen werden musste, berichtet Meyer. Einerseits sollte eine relativ sterile Umgebung gewährleistet sein, schließlich wird mit Arzneistoffen umgegangen, andererseits sollte ein vorzeigbarer Raum entstehen. Um im Besuchergang die Geräuschentwicklung durch die Maschinen zu minimieren, die extrem hohe Umdrehungszahlen haben, werden die beweglichen Glastrennwände zum Schließen des Raums abgesenkt. Das isoliert zugleich die Versuchsräume luftdicht ab und schafft optimale Testvoraussetzungen. „Eine Brausetablette soll sich ja schließlich nicht im Raum, sondern im Wasser auflösen“, erklärt Reinsch. Die Wände wurden mit echten Latexfarben beschichtet, um abwischbare und wasserbeständige Oberflächen zu erhalten, an denen kein Pulver haften bleibt. Der Fußboden aus gegossenem Epoxidharz gestattet das Aufstellen und Bewegen der mehrere Tonnen schweren Maschinen, ist chemikalienbeständig und durch den Zusatz von Quarzsand sehr rutschfest. Außerdem gleicht er Unebenheiten zwischen den Gebäudeabschnitten im Altbau aus. Auch die Möbeleinbauten und Wanddisplays sind abwischbar und kratzfest.
Hinzu kommt, dass die Präsentation flexibel sein muss, wenn etwa ein wichtiger Kunde kommt, dem man einen bestimmten Aspekt vorstellen möchte. „Deshalb haben wir alles möglichst modular aufgebaut“, erklärt Meyer. Die Ausstellungstafeln sind leicht auszuwechseln, die Weltkarte kann ebenso aus ihrem Rahmen genommen werden wie die magnetischen Tafeln vom Zeitstrahl. Zum Glück kann MAV da schnell reagieren, weil man eigene Handwerker und Grafiker beschäftigt, Druckmaschinen und eine Tischlerei besitzt.
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