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Qualität im Rahmen

Barrierefreiheit, Energieeffizienz, Sicherheit und Design – beim Fenster- und Türentausch ist vieles zu beachten.

31.10.20167 Min. Kommentar schreiben
Übliche Standards: Thermografie und Gebäudeenergiepass sind Werkzeuge einer energetischen Sanierung.
Übliche Standards: Thermografie und Gebäudeenergiepass sind Werkzeuge einer energetischen Sanierung.

Text: Jürgen Benitz-Wildenburg, Manuel Demel

Die Modernisierung von Wohnhäusern erfordert stets individuelle Lösungen, dennoch muss das Gebäude zeitgemäßen Anforderungen entsprechen. So müssen auch beim Austausch von Fenstern und Türen nicht nur klassische Werte wie Wärme-, Schall- und Feuchteschutz, sondern auch Aspekte wie Nutzungssicherheit, Einbruchhemmung oder Barrierefreiheit berücksichtigt werden. Barrierefreie Bauelemente müssen grundsätzlich deutlich wahrnehmbar, leicht zu öffnen und zu schließen sowie sicher zu nutzen sein. Hierzu werden in der DIN 18040-1 und -2 Anforderungen an die Geometrie, wie lichte Durchgangsmaße, Bedienhöhen oder die maximale Schwellenhöhe, gestellt. Weitere Vorgaben betreffen die Einbaulage (Bewegungsflächen vor/hinter der Tür, seitlicher Abstand zu Einbauten, maximale Laibungstiefe), die nötigen Bedienkräfte sowie Orientierungshilfen für Menschen mit Sehproblemen. Menschen mit visuellen Einschränkungen vermittelt die Hervorhebung von Griffen und Schaltern durch unterschiedliche Farben, Formen, Materialien und Oberflächen hilfreiche optische oder haptische Information – oder auch akustische, die beispielsweise das richtige Schließen der Haustür signalisieren (Foto rechts).

Visuelle Informationen vereinfachen Bedienung bei Sehproblemen.
Visuelle Informationen vereinfachen Bedienung bei Sehproblemen.

Probleme mit hohen Bedienkräften lassen sich mit automatischen Türen lösen, die auch nachgerüstet werden können. ­Typisch hierfür sind Hauseingangs-, Terrassen- und Balkontüren sowie Brandschutztüren im Zugangsbereich zu Keller oder Tiefgarage. Zimmer- oder Wohnungseingangstüren können mit einem Low-Energy-Antrieb versehen werden, der mit geringer Kraft und langsamen Schließ­geschwindigkeiten arbeitet und bei einem Widerstand die Tür anhält. Die Bedienung kann durch Taster, Funksteuerung oder Transponder-Technik erfolgen, die ohne den Einsatz der Hände funktioniert. Bei schwellenlosen Konstruktionen sind auch der Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2, die Schlagregendichtheit sowie der Schutz vor „stehendem“ Wasser zu beachten. Wichtige Kennzahlen sind hier der raumseitige Temperaturfaktor fRSI und der Wärmedurchgangskoeffizient U, die beide an der wärmetechnisch ungünstigsten Stelle nachgewiesen werden müssen.

Der ift Kompass
Der ift Kompass „Universal Design“ bietet ein praxisnahes Bewertungsschema für Fenster und Türen auf Basis der sieben Designprinzipien.

Soll ein Wohnhaus nach einer Sanierung auch in 20 und mehr Jahren noch ­vermietet oder verkauft werden können, empfiehlt sich eine Betrachtung, die über das altersgerechte Bauen hinausreicht und den Prinzipien des Universal Design folgt.Statt für nur eine Gruppe von Menschen zu bauen, sollte das Gebäude „demografiefest“ sein. Das heißt, die eingesetzten Produkte sollten möglichst vielen Menschen aller Altersgruppen eine einfache und sichere Bedienung ermöglichen, ohne dass spezielle Anpassungen notwendig werden – auch nicht bei temporären Einschränkungen wie einem Knochenbruch oder vollen Einkaufstaschen. Somit rücken beim Universal Design die Bedürfnisse der Nutzer in den Vordergrund. Ein anschauliches Beispiel bieten auch hier die Bedienkräfte: Für gesunde Erwachsene ist ein normal eingestellter Tür-/ Fenstergriff kein Problem, für ein Kind oder einen Rollstuhlfahrer können Griffhöhe und schwer zu öffnende Türen eine unüberwindbare Barriere sein.

Bauliche Anforderungen en masse

Barrierefreiheit ist meist nicht das einzige Kriterium: Bei Sanierungen spielt in der Regel die Energieeinsparung die maßgebende Rolle. Vor 1995 eingebaute Fenster mit Isolierverglasungen ohne moderne Wärmeschutzbeschichtung (Ug-Wert bei etwa 2,7 W/m² K) bieten hier ein hohes Optimierungspotenzial durch:

– Verbesserung der Wärmedämmung und Vermeidung von Wärmebrücken beim Baukörperanschluss,
– Minimierung der Lüftungswärmeverluste durch kontrollierte und bedarfsgerechte Lüftung inklusive Wärmerückgewinnung (Fensterlüfter, Beschlagtechnik und Automation),
– Nutzung der Sonnenenergie durch höheren Glasanteil und höhere g-Werte,
– Optimierung des sommerlichen Wärmeschutzes durch Sonnenschutzsysteme,
– Reduzierung von Kunstlichteinsatz durch bessere Lichttransmission und Lichtlenkung,
– Energieeinsparung durch Anbindung an die Haustechnik und Regelungslogik (Beispiel: Thermostatventile mit Fenster– auf-Heizung-aus-Logik).

Technische Kennwerte von Dreifach-Isoliergläsern.
Technische Kennwerte von Dreifach-Isoliergläsern

Bei der Planung von KfW-Effizienzhäusern 40 und 55 zählt der Baukörperanschluss besonders (Psi-Werte unter 0,08 W/mK), denn energetisch entspricht die Reduzierung des Psi-Wertes bei einem Normfenster (1,23 x 1,48 m) um 0,1 W/mK der Reduzierung des Fenster-U-Wertes um ΔUW ≈ 0,5 W/(m²K). Als wirtschaftlich optimal gelten heute Dreifach-Verglasungen. Stand der Technik ist: Scheibenzwischenraum (SZR) 12–16 Millimeter, Argongasfüllung, zwei Low-E-Beschichtungen und ein g-Wert über 55 Prozent (siehe Bild rechts).

Energieeffiziente Gebäude benötigen auch einen wirksamen Sonnenschutz, insbesondere bei großzügigen Fensterflächen. Die EnEV 2014 fordert deshalb in §3 und §4 Mindestanforderungen und Nachweise, die auch bei der Erweiterung der Nutzfläche von mehr als 50 Quadratmetern (§9) zutreffen. Als Nachweisverfahren sind das vereinfachte „Sonneneintragskennwertverfahren“ und die thermische Gebäudesimulation möglich. Die Nachweise sind für den ungünstigsten Raum im Gebäude zu führen und sie sind aufwendig, auch mit der üblichen EDV-Unterstützung. Das ift Rosenheim hat deshalb für Fenster Diagramme entwickelt, mit denen die Anforderungen für den Sonnenschutz (FC-Wert) schnell ermittelt werden können (siehe Bild unten).

 Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes für Wohngebäude mit Wärmeschutz­verglasung (ift-Fachinformation WA-21/1).
Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes für Wohngebäude mit Wärmeschutz­verglasung (ift-Fachinformation WA-21/1).

Außerdem ist eine ausreichende Lüftung der Wohnräume wichtig. Der hygienisch und gesundheitlich notwendige Frischluftbedarf zur Abführung der Schad- und Geruchsstoffe beträgt pro Person ­zirka 30 Kubikmeter pro Stunde. Bislang haben manuell zu öffnende Fenster diese Funktion übernommen, doch die Lüftungsgewohnheiten haben sich geändert. Heute stellt das Öffnen der Fenster nur noch in seltenen Fällen die Mindestlüftung sicher. Deshalb fordert die DIN 1946-6 einen nutzerunabhängigen Mindestluftwechsel zur Vermeidung von Feuchteschäden.

Abschätzung der Notwendigkeit einer lüftungstechnischen Maßnahme (LtM) laut ift-Richtlinie LU-02/1
Abschätzung der Notwendigkeit einer lüftungstechnischen Maßnahme (LtM) laut ift-Richtlinie LU-02/1

Der Planer muss nachweisen, ob bei der Sanierung (Austausch von mehr als einem Drittel der Fenster) eine lüftungstechnische Maßnahme erforderlich ist. Eine dezentrale Lüftung ist auch durch motorisch zu öffnende Fenster, neue Beschlagfunktionen, wie Parallelausstellfenster, sowie Fensterlüfter möglich, die nahezu unsichtbar in die Fensterrahmen integriert sind und mit Wärmerückgewinnung die Lüftungswärmeverluste reduzieren. Tabelle 1 (rechts) zeigt, wie sich die Notwendigkeit einer lüftungstechnischen Maßnahme abschätzen lässt.

Aufgrund der steigenden Einbruchrate ist die Einbruchhemmung bei Bauherren aktuell stark im Fokus. Einbruchhemmende Bauteile verhindern immerhin 43 Prozent der versuchten Einbrüche. Das Hemmen beginnt bereits bei der Gebäudeplanung, denn nicht einsehbare Bereiche (Kellereingänge, Terrassen, Türen in Nischen etc.) sollten vermieden werden. Grundsätzlich funktionieren Konstruktion und Montage einbruchhemmender Bauteile in Form einer

Einbruchhemmung ist eine Sicherheitskette. Sie ist nur so gut wie das schwächste Glied.
Einbruchhemmung ist eine Sicherheitskette. Sie ist nur so gut wie das schwächste Glied.

„Sicherheitskette“. Das heißt, von der Befestigung in der Wand über Material und Falzausbildung, eine geeignete Schlossauswahl und -befestigung und die Beschlagauswahl bis zur eingesetzten Verglasung muss jedes Detail auf die Forderungen der Einbruchhemmung abgestimmt werden (siehe Bild rechts). Hierbei ist oft der Widerspruch zwischen Design und Eigenschaften wie Wärme- oder Schallschutz zu meistern, wenn zum Beispiel verdeckt liegende Beschläge oder schmale Profile gewünscht werden. Aktuelle Prüfungen zeigen aber, dass Sicherheit, architektonische und energetische Anforderungen durchaus vereinbar sind.

Kostendruck kontra Langlebigkeit

Produktentscheidungen werden im Baubereich oft nach Anschaffungskosten getroffen. Doch geht man von einer Lebensdauer der Bauelemente von 30 Jahren und mehr aus, sind deren Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit relevant. Bei Fenstern und Außentüren sollten deshalb nicht nur die Dichtungen und Beschläge einfach austauschbar sein, sondern sie sollten insgesamt eine gute Qualität aufweisen.

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Bewertung der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Fensterkonstruktionen in Abhängigkeit vom Einsatzort.

Die Qualitätskriterien hängen wiederum von der Nutzung ab, und auch die Produktnorm stellt keine konkreten Anforderungen an die jeweiligen Bereiche. Das führt häufig zu einer ungenauen Ausschreibung und in der Praxis dann zu einer Überforderung der Bauteile. Um dies zu vermeiden, müssen alle 23 Eigenschaften und Kennwerte der Produktnorm (EN 14351-1) vom Architekten bei der Ausschreibung in Abhängigkeit vom Einsatzzweck gewichtet werden.

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Die Produktnorm Fenster (EN 14351-1) ist eine gute Grundlage für eine detaillierte Ausschreibung. (Bild: Kommentar zur EN 14351-1)

Zur Beurteilung der Qualität wird oft auch die CE-Kennzeichnung als Qualitätszeichen missverstanden. Das CE-Zeichen zeigt allerdings nur, dass grundlegende europäische Sicherheitsanforderungen erfüllt werden und die technischen Kennwerte an einem Musterfenster nach definierten Regeln ermittelt wurden. Ob diese Eigenschaften später auch ein herkömmlich produziertes Serienfenster erreicht, unterliegt der alleinigen Verantwortung des Herstellers. Nachweise und Prüfungen zur Qualität und Dauerhaftigkeit sind beim CE-Zeichen nicht vorgeschrieben. Mehr Sicherheit als Herstelleraussagen bietet deshalb eine Zertifizierung und Prüfung von Qualitätsmerkmalen und eine regelmäßige Überwachung durch eine neutrale Institution. Insbesondere die Prüfung der Dauerfunktion mit 15.000 Öffnungs- und Schließzyklen sowie der mechanischen Festigkeit sind ein guter Garant für Langlebigkeit und Gebrauchstauglichkeit. Tabulator für rechte Ausrichtungn

Dipl.-Ing. (FH) Manuel Demel ist als Produktingenieur ­„Fenster und Fassaden“ mit Fokus auf bauphysikalische Themen tätig, Dipl-Ing. Jürgen Benitz-Wildenburg ist Leiter Öffentlichkeitsarbeit beim ift Rosenheim


MEHR INFORMATIONEN

zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Fensterkonstruktionen in Abhängigkeit vom Einsatzort, Hilfe bei der Ausschreibung sowie ein Bewertungsschema für Fenster und Türen nach dem Universal-Design-Prinzipien finden Sie unter: DABonline.de/tag/fenster

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