Text: Uwe Wild
Eine erste Sondierung ergab Feuchte auf der Horizontalabdichtung, die zu Schimmelpilzen auf der Polystyrol-Dämmung führte.
Etwa sechs Monate nach Eröffnung eines neu gebauten Hotels traten in einem Büro im Erdgeschoss in geringem Umfang Schimmelpilze über der Sockelleiste an den Gipskartonwänden auf. Bei der Suche nach der Ursache stellte sich ein weit großflächigerer Befall der Wände hinter den Einbaumöbeln heraus. Da sich nebenan die hygienisch sensiblen Räume zur Vorbereitung und Einnahme des Frühstücks befinden, waren hier vorsorgliche Sondierungsöffnungen an Gipskartonwänden und an der Fußbodenkonstruktion erforderlich. Dabei zeigte sich Feuchtigkeit auf der Horizontalabdichtung des Fußbodens; die Polystyrol-Dämmung und die Rückseiten der Gipskartonplatten waren teilweise dunkel verfärbt. Die mikrobiologische Analyse der Material- und Kontaktproben von Dämmung und Abdichtung ergab einen hinsichtlich des Artenspektrums als hygienisch bedenklich einzustufenden mikrobiellen Befall. Dieses Ergebnis ließ auf ein seit Längerem bestehendes und größeres Feuchtedepot auf der Horizontalabdichtung und der Dämmung schließen. Im Vorbereitungs- und Frühstücksraum folgten daher weitere Bauteilöffnungen und Rückbauarbeiten mit dem Ergebnis, dass auch hier Feuchtigkeit und großflächiger Schimmelpilzbefall vorhanden waren. Demnach musste der Hotelbetrieb aus hygienischen Gründen umgehend eingestellt werden. Durch Druckproben und Kameraaufnahmen konnten zunächst Leckagen an wasserführenden Leitungen ausgeschlossen werden. Auch war ein einmaliger nutzungsbedingter Wasserschaden äußerst unwahrscheinlich, da sich die Feuchtigkeit über den gesamten Erdgeschossgrundriss ausgebreitet hatte. Somit lag die Annahme einer funktionsuntüchtigen Bauwerksabdichtung nahe.
Analyse der baulichen Situation
Das Hotel war in einer Baulücke direkt zwischen zwei bestehenden Gebäuden errichtet worden. Ein Teilbereich des Hotels besitzt einen Keller, der gemäß Planungsunterlagen als Weiße Wanne ausgeführt wurde. Der andere Teil wurde auf einer Bodenplatte gegründet. Bodenplatte und Kellerdecke waren keine Bestandteile der Weißen Wanne. Außengelände und Oberkante des Erdgeschossfußbodens liegen auf gleicher Höhe. Die Horizontalabdichtung auf der Bodenplatte bestand aus einer Lage Bitumenschweißbahn ohne Haftverbund zum Untergrund; die Bahnenstöße waren nicht verschweißt und Rohrdurchdringungen nicht eingedichtet.
Im Folgenden wurde eine der erdberührten Außenwände des mit Schimmelpilzen befallenen Bürobereichs partiell freigeschachtet und die Perimeterdämmung entfernt. Dadurch wurden der Übergang zwischen Bodenplatte und Außenwand sowie der Anschluss zur Tür sichtbar. Die Vertikalabdichtung fehlte und die Fuge zwischen Bodenplatte und Außenwand, die unter der Geländeoberkante liegt, war nicht vermörtelt. Die ebenfalls im erdberührten Bereich befindliche Fuge zwischen Türelement/Bodenplatte/Außenwand war mit Montageschaum verfüllt und nicht abgedichtet. So konnte über die genannten Fugen ungehindert Wasser in das Gebäude gelangen und sich auf Bodenplatte und Kellerdecke verteilen. Außerdem konnte infolge der fehlerhaften Rohrdurchführungen und der unzulänglichen Horizontalabdichtung Wasser eindringen.
Bewertung der Planung
Grundlage eines Abdichtungskonzeptes und der Abdichtungsplanung bildet stets ein Baugrundgutachten, aus dem der höchste Grundwasserstand (HGW) und der Lastfall nach DIN 18195 „Bauwerksabdichtungen – Teil 1: Grundsätze, Definitionen, Zuordnung der Abdichtungsarten“, Stand 2011–12, hervorgehen. Das Baugrundgutachten für den Hotelneubau enthielt folgende Informationen:
- Der Grundwasserleiter ist für das Bauwerk nicht relevant
- Schichtenwasser kann wenige Dezimeter unter Geländeoberkante auftreten
- es ist von einem höchsten Grundwasserstand (HGW) in Geländehöhe auszugehen
Für die Abdichtung wurde für dieses Bauvorhaben die Ausführung einer druckwasserhaltenden Dichtung nach DIN 18336 und DIN 18195-6 oder eine „Weiße Wanne“ empfohlen. Demnach hätte das Gebäude im erdberührten Bereich eine Bauwerksabdichtung nach Lastfall gemäß DIN 18195-6 „von außen drückendes Wasser“ erhalten müssen. Die Alternative wäre die Ausführung als „Weiße Wanne“ gemäß DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ (WU-Richtlinie), Stand 2014/08, des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton gewesen. Doch der Hotelbau besitzt – abgesehen vom Keller – keine wannenartige Bauwerksabdichtung, die den Vorgaben des Baugrundgutachtens entspricht. Weder die Planungsunterlagen noch die Vor-Ort-Analyse lassen auf ein schlüssiges Abdichtungskonzept schließen.
Maßnahmen zur Behebung des Schadens
- Zur Beseitigung der Ursachen des Schadens muss das Hotel nachträglich abgedichtet werden. Aufgrund der Lückenbebauung mit direkt angrenzenden Nachbargebäuden ist keine Bauwerksabdichtung nach DIN 18195-6 mehr möglich. Die Abdichtung kann nur noch mit Sonderverfahren, wie Injektionen, erfolgen. Im Vergleich zu den langjährig erprobten und kontrollierbaren Verfahren nach DIN 18195-6 sind die Sonderverfahren jedoch nicht so sicher. Zwischen den Beteiligten sind deshalb entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich der Abweichung von DIN 18195-6 und gegebenenfalls von den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu treffen. Für die Beseitigung des Schadens werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Planung einer nachträglichen „wannenartigen“ Bauwerksabdichtung nach DIN 18195 unter Berücksichtigung eines aktuellen Baugrundgutachtens durch einen Fachplaner für Bauwerksabdichtungen - Rückbau des Estrichs und der Fußbodendämmung
- Rückbau der befallenen Gipskartonplatten Zug um Zug bis in den nicht geschädigten Bereich einschließlich eines ausreichenden Sicherheitsabstandes
- Dokumentation der Befallsgrenzen durch den Fachbetrieb für die Bauakte
- zugängliche Außenwände: Einbau einer nachträglichen Vertikalabdichtung entsprechend dem einwirkenden Lastfall gemäß aktuellem Baugrundgutachten
- Außenwände zu Nachbargebäuden: Ausführung einer Abdichtung im Sonderverfahren (zum Beispiel Gelinjektion im Bauteil und/oder in den Fugen zu den Nachbargebäuden als Sonderkonstruktion entsprechend dem einwirkenden Lastfall nach Angaben eines Fachplaners
- Erstellung einer Horizontalabdichtung auf der Bodenplatte entsprechend dem einwirkenden Lastfall gemäß aktuellem Baugrundgutachten
- dekontaminierende Reinigung des wiederverwendbaren Inventars (Mobiliar)
- Einbau neuer Gipskartonplatten
- Neuaufbau des Fußbodens
- Malermäßige Instandsetzung sämtlicher betroffenen Räume im Erdgeschoss und Kellergeschoss
- Freimessung hinsichtlich der Keimbelastung der Innenraumluft und Vergleich zur Außenbelastung als Nachweis des Sanierungserfolges der Schimmelpilzbeseitigung
Der Einbau einer Dränage zur Abminderung des Lastfalles in „nicht drückendes Wasser“ nach DIN 18195, „Bauwerksabdichtungen – Teil 4: Abdichtungen gegen Bodenfeuchte (Kapillarwasser, Haftwasser) und nicht stauendes Sickerwasser an Bodenplatten und Wänden, Bemessung und Ausführung“, wäre hier baupraktisch kaum umsetzbar gewesen, da eine Einleitung von Dränwasser in das Kanalsystem in vielen Großstädten nicht möglich ist.
Provisorische Lösung
Die an der Estrichdämmung und auf der Horizontalabdichtung vorgefundenen Keime können aus hygienischen Gründen nicht toleriert werden. Es reicht auch keine technische Trocknung und Desinfektion aus, um die Keime zuverlässig zu beseitigen. Bei diesen Verfahren verbleiben die abgetöteten Mikroorganismen in der Fußbodenkonstruktion. Von dort können sie in die Raumluft emittieren und Personen gesundheitlich beeinträchtigen. Da Planung und Durchführung der Baumaßnahmen einige Zeit dauern werden, wollte der Hotelbetreiber aus Gründen der Schadensminimierung den Betrieb bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten wiederaufnehmen. Dazu mussten Lobby und Rezeption von den restlichen Räumen des Erdgeschosses durch provisorische Trennwände luftdicht abgetrennt (Schwarz-Weiß-Trennung) werden und es musste am Zugang zu den betroffenen Räumen eine Schleuse erstellt werden. In den betroffenen Räumen, dem Schwarzbereich, wurde durch Einsatz von Adsorptionstrocknern ein permanenter Unterdruck hergestellt, damit sich die Keime nicht weiter verbreiten. Die Abluft aus den Adsorptionstrocknern wurde mittels HEPA-Filtern der Filterklasse H13 gemäß EN 1822 gefiltert und nach draußen geleitet. Lobby und Rezeption (Weißbereich) wurden durch einen Fachbetrieb dekontaminierend gereinigt. Die feuchteempfindlichen Bau- und Inventarteile wurden mit Staubsaugern mit HEPA-Filtern abgesaugt. Alle glatten, feuchteunempfindlichen Flächen wurden mit Isopropanol feucht abgewischt. Anschließend wurden die Räume mit einer Wasserstoffperoxidlösung vernebelt. Die Genehmigung zum vorübergehenden Hotelbetrieb ohne Frühstücksangebot wurde erst erteilt, als die Raumluft in Lobby und Rezeption keine erhöhte Keimbelastung zeigte. Bis zum Beginn der Sanierung wurde weiterhin die Keimbelastung zur Bewertung und Dokumentation der Qualität der Raumluft regelmäßig gemessen.
Uwe Wild ist Sachverständiger für das Holz- und Bautenschutzgewerbe sowie für das Bautrocknungsgewerbe in Brandis bei Leipzig.
Jürgen Weber, Volker Hafkesbrink (Hrsg.)
BAUWERKSABDICHTUNG IN DER ALTBAUSANIERUNG
Verfahren und juristische Betrachtungsweise
Diese 4. Auflage wurde nicht nur den Regeln der Technik angepasst, sondern es wurden auch die Themen Sockelabdichtung und die Abdichtung von Balkonen, Terrassen und Laubengängen neu aufgenommen. Im juristischen Teil beraten die Autoren zu allen rechtlichen „Fallstricken“, die vom Bauleistungsangebot bis zur Bauabnahme auftreten können, und setzen dabei keine juristische Vorbildung voraus.
Verlag Springer Vieweg, 2016, 4. Auflage, Hardcover, 64,99 Euro
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Artikel: Ungastliches Haus
Geschrieben am: 1. November 2016
Veröffentlicht in: Technik+Innovation
Ausgabe: DAB 11/16
Verfasser: Uwe Wild
Der Einbau einer Dränage zur Abminderung des Lastfalles in „nicht drückendes Wasser“ nach DIN 18195, „Bauwerksabdichtungen – Teil 4: Abdichtungen gegen Bodenfeuchte (Kapillarwasser, Haftwasser) und nicht stauendes Sickerwasser an Bodenplatten und Wänden, Bemessung und Ausführung“, wäre hier baupraktisch kaum umsetzbar gewesen, da eine Einleitung von Dränwasser in das Kanalsystem in vielen Großstädten nicht möglich ist.
Meines Erachtens ist der Dränageneinbau an dieser Stelle als Variante nicht möglich, aber nicht wegen des Kanalsystems der Großstädte sondern weil eine Abminderung des Lastfalles durch eine Dränage nicht erreicht werden kann! Das sieht die DIN, bzw. das Baugrundgutachten nicht vor! Mich würde die Meinung des Autors hierzu interessieren?
Jasper Herrmann
Prof. Dipl.-Ing. Freier Architekt BDA
Estebrügger Str.85
21 635 Jork-Estebrügge