Text: Wolfgang Bachmann
Einer meiner alten Arbeitgeber pflegte sein Büro anhand leicht fasslicher Merksätze zu orientieren. Dazu gehörte die Überzeugung: Ein Haus muss so gut gelungen sein, dass es völlig unwichtig ist, wie man die Dachrinne anschraubt. Daran halten sich die meisten Kollegen und lassen auf den Ansichten ihrer gelungenen Wohnhäuser Fallrohre, Blitzableiter, Satellitenantennen, Markisen, Briefkästen und den ganzen später unvermeidlichen Tand aus dem Baumarkt weg.
Ich gehöre ja eher zur Uhrmacherfraktion, weniger zu den Städtebauern. Weil ich glaube, dass die Häuser in Neubaugebieten nicht von vornherein unappetitlich sind, sondern durch geschmacklose Balkongeländer, Haustüren, PVC-Fenster, Terrassenüberdachungen, Gabionen und eine heillose Farbwahl hingerichtet werden. So eine Immobilie zu kaufen, ist unmöglich, denn man würde das alles am liebsten entsorgen – zögert aber umweltbewusst, eine völlig intakte, funktionierende Ausstattung einfach auf den Müll zu werfen, nur weil sie einem nicht gefällt. Aber in den Details spielt die Musik!
Vor einigen Jahren durfte ich das neu errichtete Haus eines Architektenpaars besichtigen. Es war ein Höhepunkt an präziser Werkplanung, nirgends gab es Fugen oder Toleranzen, alle Flächen trafen sich in scharfen Kanten, um Räume zu bilden. Fenster- und Türöffnungen reichten vom Boden bis zur Decke, die verborgenen Bänder der Flügel rasteten bei 90 Grad ein. Keine Fliese war geschnitten. In der mattweißen Küche blieben alle Utensilien verborgen, nur drei reife Tomaten waren an entscheidender Stelle auf der schwarzen Anrichte platziert. Die Polstermöbel standen wie mit dem Lineal ausgerichtet auf dem Betonestrich, lediglich die unterschiedlichen Buchrücken in den raumhohen Regalen durften eine kreative Unruhe stiften. Dafür hingen im Bad gebügelte dunkelgraue Handtücher in exakt gleicher Länge auf den Edelstahlbügeln. War dieses Haus etwa kalt und tot? Nein, es hatte eine Aura, eine selbstverständliche Genauigkeit, es gab Ruhe und erinnerte seine Bewohner daran, richtig zu leben.
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