Text: Uwe Wild
In den letzten Jahren haben sich großformatige Fliesen mehr und mehr durchgesetzt. Sie lassen Räume größer erscheinen und sind aufgrund des geringeren Fugenanteils leichter zu reinigen. Besonders beliebt sind sie daher als Bodenbelag in gewerblich genutzten Gebäuden, wie Läden und Einkaufszentren, sowie in Eingangsbereichen jeglicher Art. Aber auch private Bauherren entdecken die großen Formate zunehmend für sich, zum Beispiel um das Erdgeschoss des Einfamilienhauses damit auszustatten.
Als großformatig werden Fliesen ab einer Größe von etwa 40 mal 40 Zentimetern bezeichnet. Mittlerweile sind sogar Formate von drei mal einem Meter keine Seltenheit. Gleichzeitig werden sie mit Dicken von weniger als vier Millimetern auch immer dünner. Da sich diese Entwicklung bislang noch nicht in den für die Fliesenverlegung gültigen Normen niedergeschlagen hat, stellt der Einbau dünnschichtiger und großformatiger Fliesen eine Sonderbauweise dar. Diesbezüglich muss der Bauherr aufgeklärt werden und es ist eine schriftliche Vereinbarung der Beteiligten notwendig. Sonderbauweisen erfordern darüber hinaus sowohl vom Planer als auch vom Fliesenleger erhöhte Sorgfaltspflichten.
Fugen-Übertragung und Fugen-Bild
Die Wahl der Bodenfliesen sowie die Festlegung des Fugenbildes erfolgen in der Praxis oft erst nach dem Einbau des Estrichs, also in „letzter Sekunde“. Dann muss der Fliesenleger versuchen, das Fliesenformat und das Verlegemuster mit der Geometrie des Raumes und den Estrichfugen in Einklang zu bringen. Erfahrungsgemäß gelingt das nicht immer. Schwierig wird es zudem, soll der Fliesenbelag durchgängig über mehrere Räume verlaufen. Dabei treten viele Zwangspunkte auf, zum Beispiel die Türdurchgänge. Sollen später keine schmalen Fliesenstreifen das Erscheinungsbild beeinträchtigen, müssen die Fugen der Fußbodenkonstruktion bereits frühzeitig in die Planung einfließen (siehe Bilder weiter unten).
Das ist besonders bei einem beheizten Fußbodenaufbau wichtig. Die Arbeiten werden von drei Gewerken (Estrichleger, Heizungsbauer und Fliesenleger) ausgeführt und müssen aufeinander abgestimmt werden. Gemäß DIN 18560-2 „Estriche im Bauwesen – Teil 2: Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche)“, Punkt 5.3.3, hat der Planer einen Fugenplan zu erstellen, der für den Estrichleger, den Heizungsbauer und den Fliesenleger gleichermaßen verbindlich ist.
Damit die Fliesenfugen deckungsgleich mit den Heizkreisen und Feldbegrenzungsfugen des Heizestrichs verlaufen, sind sie zunächst auf den Verlegeplan für die Bodenfliesen zu übertragen. Erst dann kann die genaue Lage der Feldbegrenzungsfugen und Heizkreise festgelegt werden. Bei temperaturbeanspruchten Bodenbelägen können durch unterschiedliche thermische Längenänderungen zwischen Verlege-Untergrund (Wärmeausdehnungskoeffizient circa 0,012 mm/m·K) und Keramik (circa 0,006 mm/m·K) auch Scherkräfte auftreten. Zur Vermeidung von Scherspannungen müssen wegen des geringeren Fugenanteils bei großformatigen Fliesen die Feldgrößen entsprechend angepasst werden.
Scherspannungen können aber auch bei unbeheizten Fußböden auftreten, zum Beispiel durch Sonneneinstrahlung aufgrund großflächiger Südverglasungen. In diesen partiell besonnten Bereichen können die thermischen Belastungen sogar höher sein als bei einer gleichmäßigen und vollflächigen Wärmeverteilung einer Fußbodenheizung.
Herstellungsbedingt dürfen nach DIN EN 14411 „Keramische Fliesen und Platten – Definitionen, Klassifizierung, Eigenschaften, Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit und Kennzeichnung“ keramische Fliesen eine gewisse konvexe Wölbung aufweisen. Die zulässige Wölbung der Fliesen kann mit zunehmender Kantenlänge zu sichtbareren Höhenversätzen zwischen benachbarten Fliesen führen. Besonders auffällig sind Höhenversätze, wenn die Fliesenverlegung im Halb- oder Drittelverband erfolgt. So trifft bei der Verlegung im Halbverband der höchste Punkt der Wölbung, der sich in der Mitte der Platte befindet, genau auf die tiefer liegenden Ecken der benachbarten Fliesen. Bei der Verlegung im Drittelverband entsteht ein ähnliches Bild. Das kann beson-deres bei Streiflicht, das beispielsweise bei bodentiefen Fenstern entsteht, die Optik beeinträchtigen. In solchen Fällen empfiehlt sich daher die Verlegung mit Kreuzfugen oder im Dreiviertelverband. Bei Heizestrichen sollte generell keine Diagonalverlegung in Betracht gezogen werden, da die Feldbegrenzungsfugen mit dem Verlauf der Heizkreise üblicherweise rechtwinklig angelegt werden.
Ebenheit und Verlegeverfahren
Großformatige Fliesen erfordern auch einen besonders ebenen Verlege-Untergrund. Während der Fliesenleger mit kleinen Formaten geringfügige Unebenheiten noch relativ problemlos in den zahlreichen Fugen ausgleichen konnte, entsteht dagegen bei großen Formaten ein auffälliger Höhenversatz an den Kanten. Daher ist es erforderlich, mit dem Estrichleger erhöhte Anforderungen gemäß DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Tabelle 3, Zeile 4, zu vereinbaren und gegebenenfalls zusätzlich eine separate Spachtelung der Estrichoberfläche auszuschreiben.
Üblicherweise werden keramische Fliesen im Dünnbettverfahren nach DIN 18157-1 „Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren; Hydraulisch erhärtende Dünnbettmörtel“ verlegt. Bei dieser auch als Buttering-Verfahren bezeichneten Ausführungsart wird der Verlegemörtel mit einem Kammspachtel auf den Untergrund aufgekämmt und anschließend werden die Fliesen in das Mörtelbett eingeschoben. Mit kleineren Fliesenformaten lässt sich so eine weitgehend vollflächige Bettung erzielen. Bei großen Formaten können sich dabei im Verlegemörtel jedoch größere Hohlräume und Luftblasen bilden. Das lässt sich nur durch die Anwendung des Buttering-Floating-Verfahrens vermeiden, wobei der Mörtel auf den Untergrund und auf die Fliese aufgetragen wird. Der Architekt sollte daher bei Großformatfliesen das Buttering-Floating-Verfahren gemäß DIN 18157-1 ausschreiben. Für den Fliesenleger heißt das, er muss bei der Kalkulation eine größere Menge des Verlegemörtels einplanen.
Verlegemörtel und Verarbeitung
Überschüssiges Wasser aus dem Verlegemörtel verdunstet bei einem Fliesenbelag ausschließlich über die Fugen. Aufgrund des geringen Fugenanteils bei der Verwendung großer Formate bleibt die Feuchtigkeit im Fußboden im Vergleich zu kleinen Fliesen deutlich länger erhalten. Feuchteempfindliche Ansetz- und Verlegeflächen, wie etwa Calciumsulfatestriche, können dadurch geschädigt werden. Eine Grundierung, zum Beispiel auf Basis eines wasserfreien Reaktionsharzes, kann die Estrichoberfläche dagegen schützen. Wird eine Reaktionsharzgrundierung verwendet, muss sie im frischen Zustand mit Quarzsand abgestreut werden. Um den Feuchtetransport durch die schmalen Mörtelfugen weiter zu minimieren, sollte ein schnell erhärtender Verlegemörtel mit hoher kristalliner Wasserbindung verwendet werden. Am besten eignet sich ein C2-Klebemörtel mit hoher Flexibilität, da das Material die bereits beschriebenen möglichen thermischen Spannungen zwischen Fliesen und Verlege-Untergrund zum Teil aufnehmen kann. Einige Bauchemiehersteller bieten spezielle „Großformat-Kleber“ an.
Je größer das Fliesenformat ist, umso größer ist auch die Bruchgefahr bei Transport, Verarbeitung und Nutzung. Um die Bruchgefahr zu minimieren, ist die Rückseite der Fliesen oft mit einer Gewebearmierung beschichtet. Trifft das zu, muss die Art der Beschichtung und des Gewebes bekannt sein – gegebenenfalls ist beim Fliesenanbieter nachzufragen – und es sollte eine Empfehlung für den zu verwendenden Verlegemörtel beim Bauchemiehersteller eingeholt werden.
Transport, Bearbeitung und Verlegung von Großformatfliesen erfordern spezielle Werkzeuge sowie Trage- und Verlegehilfen. Bearbeitung und Zuschnitt erfolgen mit Diamantwerkzeugen, um saubere Schnittkanten herzustellen. Das Einsetzen erfolgt in der Regel mit Saughebern. Zur Vermeidung von Höhenversätzen zwischen benachbarten Fliesen hat sich der Einsatz von Verlegehilfen (auch Nivelliersysteme genannt) bewährt. Damit lassen sich die Kanten zu den benachbarten Fliesen auf die gleiche Höhe einjustieren. Muss eine frisch verlegte Großformatfliese noch einmal aus dem Mörtelbett herausgenommen werden, ist zunächst der Haftverbund zwischen Fliese und Mörtel mit einem Draht zu durchtrennen, damit die Fliese nicht bricht.
Uwe Wild ist Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk sowie für das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk in Brandis bei Leipzig.
Grundsätze für Planung und Ausführung
- Verlegeplan für den Fliesenleger mit dem Fugenplan für den Estrichleger und den Heizungsbauer abstimmen (Planung „von oben nach unten“)
- erhöhte Anforderungen an die Ebenheit des Estrichs und die Spachtelung ausschreiben
- Verlegung erfolgt im kombinierten Verfahren (Buttering-Floating-Verfahren)
- großformatige Fliesen nicht im Halb- oder Drittelverband verlegen
- besondere Verlegemörtel mit hoher kristalliner Wasserbindung verwenden
- Feuchteschutz bei Calciumsulfat-Estrichen ausschreiben
Normen und Regelwerke
DIN 18157-1 „Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren; hydraulisch erhärtende Dünnbettmörtel“, Stand 1979-07
DIN ATV 18352 VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – „Fliesen- und Plattenarbeiten“, Stand 2012-09
DIN EN 14411 „Keramische Fliesen und Platten – Definitionen, Klassifizierung, Eigenschaften, Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit und Kennzeichnung“, deutsche Fassung EN 14411:2016, Stand 2016-12
DIN 18560-2 „Estriche im Bauwesen – Teil 2: Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche)“, Stand 2009-09
DIN 18202, „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Ausgabe 2013-04
BVF-Fachinformation „Schnittstellenkoordination bei Flächenheizungs- und Flächenkühlungssystemen in Neubauten“, herausgegeben vom Bundesverband Flächenheizungen e.V., Hagen, Stand 2011-05
ZDB-Fachinformation „Großformatige keramische Fliesen und Platten“, herausgegeben vom Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Stand 2010-05
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