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Sozialer Wohnungsbau: Gute Beispiele aus Berlin, Köln, München

Für bezahlbaren Wohnraum sind nicht zuletzt die kommunalen Gesellschaften zuständig. Aber wie arbeiten die eigentlich und wie sehen die Ergebnisse in Berlin, Köln und München aus?

Von: Heiko Haberle
Heiko Haberle ist Redakteur von der Kurzmeldung bis zum großen...

30.03.201710 Min. Kommentar schreiben
Auch so kann städtischer Wohnungsbau aussehen: Die Siedlung Grüner Weg in Köln

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Städtisch und sozial“ im Deutschen Architektenblatt 05.2017 erschienen.

Von Heiko Haberle

In den Architekturmedien sind kommunale Wohnungsbauten kaum präsent. Wenn doch, stehen sie in Wien und neuerdings auch oft in Paris, manchmal noch in München und Frankfurt am Main. Trieb die Wohnungsfrage einst die berühmtesten Baumeister um, ist großmaßstäblicher Wohnungsbau heute bei vielen Architekten, besonders bei sehr namhaften Büros, grundsätzlich kein Thema.

Auch für die sechs Berliner Wohnungsbau-Gesellschaften war dies bis vor wenigen Jahren so. Doch nun arbeiten sie jeweils an etwa einem Dutzend Neubauten. Hinzu kommt der Ankauf privater Projektentwicklungen oder bezugsfertiger Wohnungen. Nach dem neuen Koalitionsvertrag müssen 50 statt bisher 30 Prozent der selbst errichteten Wohnungen den Förderrichtlinien entsprechen. Diese werden dann für durchschnittlich 6,50 Euro kalt pro Quadratmeter vermietet. Weil die Förderung umgerechnet etwa 1,50 Euro beträgt, muss sich die Wohnung bei acht Euro pro Quadratmeter rechnen.

Berlin: Die Treskow-Höfe im Stadtteil Karlshorst sind eine eher klassische und ruhige Wohnanlage, die aber dank ihrer Durchwegung und der offenen Erdgeschosszonen weniger abweisend wirkt, als so manches Investorenprojekt. Die HOWOGE erhielt dafür den Bauherrenpreis 2016.

Berlin: Bauen neu lernen

Es galt zunächst, wieder eigene Bauabteilungen aufzubauen und Strategien zu formulieren: Gefragt sind kompakte Bau­körper mit kompakten Grundrissen. Übereinander sollen gleiche Wohnungen liegen und die Räume möglichst nutzungsneutral sein. Gut ist die Wiederholbarkeit von Bauteilen und Planungsabläufen und die Vereinheitlichung von Maßen, etwa für Balkone. Schlecht sind Versprünge in der Konstruktion oder an den Fassaden und sowieso alles, was hohe Instandhaltungskosten bedeutet. Keller sind teuer, weshalb Abstellräume auf den Etagen oder auf dem Dach liegen sollen. Hinzu kommen Standards für Böden (meistens Laminat, meistens Fußbodenheizung), Sanitärobjekte, Fliesen und die Haustechnik. Das Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) ist übrigens kein Standard, sondern nur eine Alternative und dann auch ohne Polystyrol. Stattdessen soll monolithisch gebaut werden, also etwa mit Porenbeton-Steinen ohne zusätzliche Dämmung. Die Wirtschaftlichkeit eines Projekts wird an diversen Parametern abgelesen, etwa dem Verhältnis von Nutzfläche zu Bruttogrundfläche (bei der degewo idealerweise 66 bis 76 Prozent) oder dem Verhältnis der addierten Türen- und Fensterflächen an der Fassade zur Nutzfläche (zwölf bis 15 Prozent). Die Baukosten pro Quadratmeter liegen bei den landeseigenen Gesellschaften im Schnitt bei 1.730 Euro (KG 300–500), die scheinbar besonders rationell arbeitende degewo erreicht sogar 1.650 Euro (KG 200–500).

Diese handfesten Kriterien finden sich in einem sehr gut gemachten Handbuch der Berliner Gesellschaften, das auch andere bedeutsame Themen enthält: Demografie, neue Wohnformen, Vorfertigung, Holzbau und BIM. Nur ein Abschnitt über Architektur als Gestaltung fehlt. Stattdessen wird erläutert, dass großflächige Neuplanungen anstatt kleinteiliger Nachverdichtungen wünschenswert seien. Letztere erforderten nämlich eine „individualisierte Architektur“ und Bürgerbeteiligung, sodass die Baukosten „im Gegensatz zu den vereinbarten Zielen des ,bezahlbaren Wohnens‘“ stünden. Da wundert es nicht, dass auf den Websites der sechs Gesellschaften und bei den ersten fertigen Ergebnissen neben einigen gelungenen Beispielen leider auch architektonischer Durchschnitt dabei ist: mit gestaltlosen Fassaden mit kleinen Fenstern und Raumaufteilungen wie damals.

„In Bezug auf die Grundrisse höre ich Argumente wie vor 30 Jahren, die aber heutiger Lebens­realität widersprechen: dass eine Küche ­eine Tür haben müssen oder das Kinderzimmer nicht größer als das Elternschlafzimmer sein dürfe“, sagt der Architekt Ulrich Schop. Sein Büro roedig.schop architekten ist gleich für drei Berliner Gesellschaften tätig und hat bereits viele Wohnhäuser für kostenbewusste Baugruppen geplant. Als Argument werde von den Kaufleuten aus der Vermietungsabteilung stets der Mieterwunsch nach klassischen Grundrissen angeführt: „Aber die Frage ist doch, was zuerst da war: die einseitige Nachfrage oder ein wenig differenziertes Angebot.“ Ob bei einem Projekt mehr oder weniger Offenheit für Neues da sei, habe schlussendlich immer mit den konkret beteiligten Personen zu tun, findet Schop.

Immerhin offene Küchen konnte die Architektin Anika Wolff, Inhaberin des Berliner Büros Ligne Architekten, gegenüber der HOWOGE bei deren „Treskow-Höfen“ im Stadtteil Karlshorst durchsetzen. Der Komplex, an dem auch Cramer Neumann Architekten einige Bauteile planten, besteht aus 414 Wohnungen, einer Kita und zwei Senioren-WGs und ist das erste große ­Berliner Neubauprojekt. Dafür wurden zwei leer stehende Studentenwohnheime abgerissen und ein drittes in den Komplex integriert.

Der rechte Bauteil ist ein integriertes ehemaliges Studentenwohnheim aus den 1950er-Jahren.

Als das Projekt 2012 anlief, war die Wohnungsbauförderung noch nicht offiziell wieder aufgelegt, weshalb die ­HOWOGE am Objekt eigene Kriterien entwickeln musste. Auch ohne Förderungen liegen die Mieten zwischen sieben und elf Euro kalt, also nur wenig über dem geförderten Mietniveau von 6,50 Euro und dem frei finanzierten Mietniveau von durchschnittlich zehn Euro pro Quadratmeter bei der ­HOWOGE. Das gelang nur mit strengen Richtlinien, etwa zu Raumgrößen und -bezügen, Balkontiefen und Ausstattungen. „Die meisten Vorgaben sind eine sinnvolle Orientierung, müssen aber vielleicht nicht bis auf den letzten ­halben Quadratmeter erfüllt werden“, findet Wolff rückblickend und stellt fest, dass der Bauherr bei neueren Projekten mit Grundrissvorgaben lockerer umgehe. Das erstaunt fast, da ja nun die teils deutlich strengeren Förderkriterien vorliegen. Diese setzt die HOWOGE mit einem eigenen „Wohnungsbewertungssystem“ um, was den Vorteil hat, dass nicht alle Räume alle Anforderungen erfüllen müssen, solange die Wohnung und das Gesamtprojekt insgesamt wirtschaftlich bleiben. Das detaillierte System, das mit Punktevergabe und Ampelkennzeichnungen arbeitet, führt aber auch zu grotesken Annahmen möglicher Möblierungskonflikte: „Aufgrund der Überschneidung der Bewegungsfläche der Schrankmodule im Schlafzimmer mit dem Beistelltisch wird in diesem Zimmer nur ein Punkt erreicht.“

Die „Treskow-Höfe“ sind nicht das Resultat eines Planungswettbewerbs, sondern eines Generalübernehmer-Verfahrens, bei dem sich Bauunternehmen im Team mit Architekten bewarben. Die HOWOGE wendet ansonsten aber auch andere Vergabearten an. Einfacher macht es sich die degewo: Um sich immer neue Verfahren zu sparen, hat man mit sieben Büros Rahmenverträge für Planungsleistungen abgeschlossen – ein erst seit Kurzem nach EU-Recht existierendes Modell. In der Reihenfolge ihrer Platzierung beim Auswahlverfahren werden nun den Büros die Aufträge angeboten. Die degewo muss also nicht jedes Mal neue Partner „einarbeiten“, ob dabei aber architektonische Vielfalt entsteht, bleibt abzuwarten.

Köln: Stadt an der Peripherie wagen

Mangelnde Vielfalt kann man dem funktional durchmischten Quartier „Grüner Weg“ der Kölner GAG im etwas ruppigen Stadtteil Ehrenfeld nicht vorwerfen. Auf dem Gelände einer Fabrik für Destillationsgeräte wurden 15 Punkthäuser oder kurze Zeilen, die keine Vorder- oder Rückseiten kennen, locker verstreut. Darin befinden sich 86 Gewerbeeinheiten, eine Kita, eine Demenz-WG, das neue Domizil des „Kölner Künstler Theaters“ sowie 240 Wohnungen, davon 56 geförderte. Das mutige und sehr urbane städtebauliche Konzept stammt vom Büro ASTOC, ebenso ein Drittel der Entwürfe; der Rest von Molestina Architekten und dem Büro Lorber Paul.

Die Entwürfe beherzigen weitgehend die im Berliner Zusammenhang genannten Kriterien. Zusätzlich gilt bei der GAG eine WDVS-Fassade, bestenfalls mit Klinkerriemchen verblendet, als gesetzt. Geförderte und frei finanzierte Wohnungen unterscheiden sich weder in ihrer Bauweise noch bei Haustechnik, Fenstern oder Fassaden. Nur die Ausstattung oder die Anzahl der Bäder variiert. Es gibt, wie generell im sozialen Wohnungsbau, keine Quersubventionierungen. Jede Wohnform muss sich selbst rechnen. Daher ist der Unterschied bei den Baukosten pro Quadratmeter eher gering: für die geförderten Wohnungen 1.700 Euro (KG 300–600), für die frei finanzierten 1.790 Euro. Die Kaltmieten reichen von 5,10 bis 11,50 Euro pro Quadratmeter. Entsprechend wenig unterschied sich auch die Planung für die zwei Bereiche, berichtet Annette Paul vom Büro Lorber Paul und ergänzt: „Einschränkungen gibt es bei allen Planungsaufgaben. Man kann sich auch im sozialen Wohnungsbau kreative Räume suchen.“ Am Grünen Weg waren das etwa die Farbgebung, die Texturen und die unterschiedlichen Balkone, die teilweise Kabinen gleichen.

Obwohl auch hier offene Küchen im geförderten Segment machbar waren, wünscht sich Paul, dass sich zudem offene Flure und fließende Räume leichter realisieren ließen und die Grundrisse nutzungsneutraler wären. Dass sich die Wohnungen im frei finanzierten Bereich, mit ihren teilweise hervorragenden und außergewöhnlichen Grundrissen (darunter sind auch Maisonettes mit Büro unten und Wohnung oben) so gut vermarkten ließen, sollte bei der GAG und beim Fördergeber jedenfalls nicht unbeachtet bleiben. Leider wurden alle geförderten Wohnungen in dem der Straße am nächsten gelegenen Bauabschnitt untergebracht: einerseits, weil die GAG die Finanzierungsarten nicht innerhalb eines Gebäudes mischt; andererseits, weil nur die dortigen niedrigen Häuser förderfähig waren: Zur Planungszeit galt eine Obergrenze von maximal vier Etagen plus Staffelgeschoss; heute wären sieben Geschosse machbar.

München: Neue Erfahrungen sammeln

In München hingegen werden frei finanzierte Wohnungen mit den von Stadt oder Land geförderten gemischt, wobei die geförderten Wohnungen bis zu 80 Prozent eines Projekts ausmachen können. Die Zusammensetzung der an verschiedene Zielgruppen gerichteten Fördermodelle wird projektspezifisch durch die Stadt vorgegeben. Je nach Förderart liegen die Kaltmieten zwischen 5,25 und 10,50 Euro pro Quadratmeter. Die Mietpreise beginnen also noch unter dem Berliner Niveau, aber das Bauen ist in München teurer: 1.900 Euro (KG 300–400) pro Quadratmeter bei der GEWOFAG und 1.850 Euro (KG 300–400) bei der GWG. Aber dafür entsteht vorzeigbare Architektur. So wirbt etwa die GEWOFAG auf ihrer Website offensiv mit der Ästhetik ihrer Bauten. Dieser Sinn für gestalterische Qualität ist sicher auch ein Resultat vieler Wettbewerbe. Von ihnen sei man aber etwas abgekommen, weil man schöne Siegerentwürfe zu oft abspecken musste, wie Dr. Klaus-Michael Dengler, Sprecher der Geschäftsführung, erklärt. Stattdessen führe man mehr Konzeptstudien im Rahmen von VOB-Verfahren durch. Auch mit Generalunternehmern arbeite man nun zusammen, wie am Dantebad, wo mit nur einem Jahr Planungs- und Bauzeit ein weiterhin nutzbarer Parkplatz mit 100 Wohnungen in Holz-Hybridbauweise überbaut wurde.

Die monolithische Bauweise, die sich aber nur bis zu einer bestimmten Geschosszahl eignet, ist bei GWG und GEWOFAG Standard. Es wird also gemauert, denn serielles Bauen sei noch nicht prinzipiell günstiger, sagt Dengler, was sich aber bald ändern könne. Noch mehr Ideen aus der Bauindustrie wünscht sich Gerda Peter, Geschäftsführerin der GWG und selbst Architektin. Vor allem aber wünscht sie sich ein Hinterfragen von Standards. „Wir wollen und müssen die Förderrichtlinien beachten, dabei möglichst transparent arbeiten, und wir haben wenig Spielraum bei der Auftragsvergabe. Dazu kommen diverse bauliche Richtlinien und Normen: energetische Standards, der Stellplatznachweis oder der Schallschutz, bei dem wir unsere Mieter teilweise regelrecht entmündigen. Wir müssen fragen, was wir wirklich für bezahlbaren und qualitätvollen Wohnraum brauchen.“ Entsprechend errichtet die GWG derzeit für geplante 1.450 Euro (KG 300-400) pro Quadratmeter ein „Minimalprojekt“ ohne Tiefgarage, mit nur einem Schacht pro Wohnung, nur einem Fenster­format und in Teilen ohne Aufzug. Die Elektroinstallation liegt auf der Wand in einer Medienleiste und auf eine individuelle Abrechnung der Heizkosten wird verzichtet.

München: An der Isoldenstraße ­planten 03 Archi­tekten für die ­GEWOFAG 69 Wohnungen, davon 63 geförderte. Das Haus strahlt nach außen und innen Großzügigkeit aus, nicht ­zuletzt wegen der hohen Eingangsbereiche und klug ­organisierter Grund­risse.

Für solche Experimente haben die routinierten Münchener Gesellschaften neben dem Tagesgeschäft noch Kapazitäten. Aber auch in Berlin ist man langsam aus der Lernphase heraus, in der die Zahlen dominierten. Inzwischen ist Vielversprechendes in der Pipeline: aus Holz, aus Modulen und sogar eine Fassade aus Streckmetall. Auch mehrere Architekten aus dem Baugruppensegment sowie schweizerische und österreichische Büros, die für interessanten Wohnungsbau stehen, haben Aufträge erhalten. Dazu passt, was Gerda Peter von der GWG feststellt: „Architekten interessieren sich wieder für den Wohnungsbau und schrecken auch nicht mehr davor zurück, sich auf die Förderrichtlinien einzulassen und damit zu arbeiten.“

Hier finden Sie weitere Beispiele für bezahlbaren kommunalen oder genossenschaftlichen Wohnungsbau.

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