So kompliziert fast jedes Bauprojekt ist, so kompliziert sind auch die rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten. Und so schwierig ist es, hier Schieflagen zu korrigieren. Eine schwere Schieflage besteht etwa zu Lasten von uns Architekten. Als Einzige am Bau müssen wir eine Haftpflichtversicherung abschließen, weshalb Bauherren bei Schäden bevorzugt uns in Anspruch nehmen. Umso mehr ist zu begrüßen, dass jetzt auch der Gesetzgeber dieses Problem erkannt hat und ein erster Schritt zur Behebung dieses Missstands getan wurde. Seit 2010 gab es beim Bundesjustizministerium eine Arbeitsgruppe zum Bauvertragsrecht, in der die Bundesarchitektenkammer maßgeblich mitgewirkt hat. Nach langen, fachlich wie politisch anspruchsvollen Diskussionen und Überlegungen haben Bundestag und Bundesrat jetzt eine Reform des Bauvertragsrechts beschlossen, die Anfang 2018 in Kraft treten wird und deren Einzelheiten im Deutschen Architektenblatt noch detailliert vorgestellt werden.
Nicht nur symbolisch wichtig ist es, dass im ehrwürdigen Bürgerlichen Gesetzbuch jetzt erstmals spezielle Vorschriften für Architekten- und Ingenieurverträge eingefügt werden. Wir erinnern uns: Gesetzliche Grundlage des Planervertragsrechts ist seit Langem das im BGB enthaltene und mit Blick auf die unterschiedlichen möglichen Vertragsgegenstände sehr allgemein gehaltene Werkvertragsrecht. Wir hoffen und gehen davon aus, dass die Rechtsprechung auf Basis der neuen Regelungen nun Lösungen findet, die besser individuell zugeschnitten werden können. Die Schritte zur Entlastung in der leidigen Haftungsfrage entsprechen jedoch nicht in allen Bereichen unseren Wunschvorstellungen. 17 Organisationen der planenden Berufe, darunter führend die Bundesarchitektenkammer, fordern in ihren Prüfsteinen zur Bundestagswahl am 24. September daher weiter „eine grundlegende Lösung des Problems der Haftungsschieflage“.
Viel Potenzial hat hier eine gemeinsame Pflicht-Objektversicherung für alle am Projekt Beteiligten. Aber sie ist wegen der teils unterschiedlichen Interessen hochkomplex – und juristisch nicht weniger kompliziert. Das Justizministerium lässt dieses Thema jetzt gründlich prüfen. Wir bringen dabei unseren Sachverstand ein und engagieren uns für den Fortgang der Sache. Das Problem kann aber leider nicht von heute auf morgen behoben werden, da es über Jahrzehnte entstanden und gewachsen ist. Ungeduldiger Aktionismus würde in dem komplexen Interessengeflecht unsere Position eher schwächen als stärken. Einen Fortschritt gibt es aber schon jetzt auf anderer Ebene: Bei den Land- und Oberlandesgerichten soll es spezielle Kammern für „Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen“ geben. Wir werden also bald mehr Richter antreffen, die in das Thema gut eingearbeitet sind und mit jedem Fall erfahrener werden. Viele weitere Änderungen im Bauvertragsrecht betreffen uns nicht direkt, sondern eher das Verhältnis zwischen Ausführenden und Bauherren. Aber auch hier sollten wir Bauherren kompetent beraten können und uns dafür entsprechend fortbilden. Die Architektenkammern erarbeiten hierzu Angebote; das Deutsche Architektenblatt wird natürlich auch hierüber berichten.
Dr. Hans-Gerd Schmidt ist Präsident der Architektenkammer Thüringen.
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