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Zurück Brutalismus

Brutal schön!

Lange wurden brutalistische Betonbauten verachtet. Jetzt findet sie neue Fans. Mehr noch: Der Brutalismus erlebt ein Revival. Im Netz und in den Museen ist die Architektur der 1960er-Jahre der Renner. Zwei Bildbände zeigen Baukunst in Beton.

08.05.20173 Min. Kommentar schreiben

Gestapelte Betonriegel in Georgien, Betonwaben in Israel und klobige Kirchen in Venezuela: Brutalistische Architektur wird gehasst oder geliebt. Peter Chadwick verehrt sie. Diese Liebe entstand zwischen den Betontürmen seiner Heimatstadt Middlesbrough. Chadwick war noch ein Jugendlicher, als die visionäre Architektur der 1960er- und 1970er-Jahre ihn in seinen Bann nahm. Mit „This Brutal World“ widmet er den brutalen Betonbauten einen 220 Seiten starken Bildband, der Gebäude von den 1920er-Jahren bis heute dokumentiert.

Chadwich ist jedoch kein Jünger der reinen brutalistischen Lehre. Zwischen die kantigen, meist grauen Riegel, Quader und Keile streut er filigrane Figuren und subtile Skulpturen. Geradezu verspielt kommen sie im Kontrast zu den stilgebenenden Elementen daher. Ein von Fernando Higueras und Antonio Mirò 1988 gestaltetes Kulturzentrum in der spanischen Hauptstadt Madrid setzt mit einer kleinteiligen Krone ebenso einen Kontrapunkt wie die 2011 erbaute georgisch-türkische Grenzstation von Jürgen Mayer H. mit ihrer runden Silhouette.

Das im Londoner Phaidon Verlag erschienene Buch verzichtet leider auf die fachliche Behandlung einer gefährdeten Architekturform. So fehlt dem Buch, auch bei dem streng schwarz-weißen und vermeintlich dokumentarischen Stil, ein wenig die seriöse Tiefe. Weltbekannte Architekten wie Alvar Aalto, Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Mies van der Rohe, Oscar Niemeyer oder Zaha Hadid, die mit ihren Bauten gezeigt werden, können daran leider nichts ändern.

Christopher Beanland versucht mit seinem Buch „Concrete Concept“ zumindest, die Logik hinter der brutalistischen Architektur zu ergründen. In der Einführung seines 192 Seiten langen Bandes, erschienen im Frances Lincoln Verlag, behandelt er die Anfänge der Betonriesen und widmet sich den stilistischen Wegbereitern des Brutalismus. Folgerichtig stellt er die Objekte nicht nur im Gegensatz zu Chadwick in Farbe, sondern überdies mit fachlichen Informationen zum originalen Nutzen, zur öffentlichen Wahrnehmung und zum aktuellen Zustand der Gebäude vor.

Die 50 internationalen Bauten in „Concrete Concept“ wurden allesamt zwischen 1950 und 1979 erbaut. Von der Sozialplatte von Le Corbusier in Marseille über die „Torres Blancas“ genannten Wohntürme in Madrid bis zu Gottfried Böhms Wallfahrtsdom in Velbert-Neviges spannt Beanland den Bogen. Auf zwei Doppelseiten präsentiert er eine Weltkarte brutalistischer Architektur und schafft damit ein ansprechendes Kompendium für interessierte Architekten und Nicht-Architekten, die sich mit der Geschichte einer längst verdammt geglaubten Archteikturform befassen möchten.


Peter Chadwick: „This Brutal World“, Phaidon, London, 2017, 220 Seiten, 39,95 Euro, ISBN 978-0-71487-108.

Christopher Beanland: „Concrete Concept“, Frances Lincoln Limited, London, 2016, 192 Seiten, 17,99 Euro, ISBN 978-0-7112-3764-3.


Noch nicht genug vom Brutalismus? Hier finden Sie noch mehr Informationen.

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