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Vorsicht bei der Vergabe

Um nicht EU-weit auszuschreiben, werden Planungsaufträge oft gesplittet. In manchen Fällen ist aber eine Aufaddierung richtig. Eine aktuelle Gerichtsentscheidung gibt Anlass zu Diskussionen.

01.06.20175 Min. Kommentar schreiben
Foto: Fotolia
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Text: Eric Zimmermann und Fabian Blomeyer

Alles fing an mit einer Mehrzweckhalle, der Autalhalle in Niedernhausen, die saniert werden sollte. Statt die Architektenleistungen EU-weit auszuschreiben, wie es bei einer Gesamtbetrachtung des Auftragswerts eigentlich erforderlich gewesen wäre, wurde der Auftrag aufgesplittet, sodass die einzelnen Planungsleistungen unter der Schwelle lagen. Zu Unrecht, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgrund einer Klage der Europäischen Kommission mit Urteil vom 15. März 2012 feststellte (Az.: C-574/10).

Nach dem EuGH wiesen die Architektenleistungen „in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität auf, die durch die Aufteilung dieser Leistungen in verschiedene Abschnitte entsprechend dem Rhythmus der Ausführungen der Arbeiten, auf die sie sich bezogen, nicht als durchbrochen angesehen werden können“. Deshalb seien sie im Hinblick auf die Auftragswertermittlung zusammenzurechnen; auch dann, wenn Teilaufträge – zum Beispiel aus haushalterischen Gründen – einzeln vergeben werden sollten, ist ein Gesamtauftrag nicht künstlich aufzuteilen.

In Elze sollte in den Jahren 2013/14 ein Freibad in zwei Bauabschnitten saniert werden. Ausgeschrieben waren die Objektplanung, die Planung für Tragwerk und die technische Ausrüstung (Heizung-, Sanitärund Elektroinstallation); sie sollten von unterschiedlichen Fachplanungsbüros übernommen werden. Obwohl der addierte Auftragswert über dem Schwellenwert lag, gab es jeweils keine europaweite Ausschreibung der einzelnen Planungsleistungen. Die Europäische Kommission vertrat die Ansicht, dass sich Planungsleistungen auf das einheitliche Bauvorhaben der Sanierung des Freibades bezögen und jeweils typische Architektenleistungen zu erbringen wären. Klage beim EuGH reichte die Europäische Kommission am Ende doch nicht ein, weil nach Ansicht der Kommission der Bau abgeschlossen sei und damit eine „aktuelle“ Vertragsverletzung, wie dies für die Zulässigkeit einer Klage vor dem EuGH Voraussetzung ist, nicht mehr vorliege.

Nicht gleichartige Planungsleistungen sind weiterhin nicht zusammenzurechnen

Bei der Reform des Vergaberechts 2016 war zunächst angedacht worden, in § 3 Vergabeverodnung (VgV), der sich mit der Schätzung des Auftragswerts beschäftigt, eine Regelung aufzunehmen, wonach der Wert der Leistungen, die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, zusammenzurechnen sei. Im Ergebnis entschied sich der Verordnungsgeber gegen die Addition. Nicht gleichartige Planungsleistungen sind nach § 3 Abs. 7 VgV weiterhin nicht zusammenzurechnen. Das sind solche Planungsleistungen wie in Elze, die sich von ihrer Art und ihrem Inhalt, aber auch in Bezug auf die Qualifikation des jeweiligen Planers unterscheiden. Wenn es jetzt mancherorts – zum Beispiel im Staatsanzeiger Baden-Württemberg vom 10. März – heißt, dass „Planungsleistungen funktional addiert werden“ müssen, stellt dies eine Meinung dar, aber keinesfalls die vergaberechtliche Rechtslage. Die Auffassung, Planungsleistungen seien sowohl nach der Neufassung des § 3 VgV einschließlich der „Gesetzesbegründung“ sowie nach der Rechtsauffassung der EU-Kommission pauschal zusammenzuaddieren, entspricht gerade nicht der Intention des Verordnungsgebers. Schließlich überrascht, dass die Europäische Kommission nun das deutsche Vergaberecht von sich aus bestimmen kann. Wäre es nicht Aufgabe der Kommission, eine rechtliche Klärung beim EuGH herbeizuführen, wenn sie sich ihrer Argumentation so sicher ist?

Vermeintlichen Rückenwind erhält diese Ansicht von einem aktuellen Beschluss des OLG München (13.03.2017 – Az.: Verg15/16). Das OLG hat Zweifel, ob der Wortlaut der Auftragswertberechnung im deutschen Vergaberecht in Einklang mit europarechtlichen Vorgaben steht. In der Entscheidung heißt es aber, dass es vorliegend „keiner abschließenden Entscheidung“ bedürfe: „Jedenfalls im streitgegenständlichen Fall ist eine Addition vorzunehmen“, so die Münchener Richter. Denn der Auftraggeber selbst habe die notwendigen Planungsleistungen für sein Bauvorhaben wie folgt beschrieben: „Die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und nicht zuletzt der Objektplanung müssen daher lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Sie bilden eine Einheit ohne Schnittstellen.“ Der Auftraggeber hat also selbst eine Einheitlichkeit beziehungsweise einen funktionellen Zusammenhang der benötigten Planungsleistungen festgestellt. Eine Notwendigkeit der Vorlage an den EuGH erkannte das Gericht daher nicht. Das verwundert, zieht doch das Gericht die Möglichkeit in Betracht, dass der deutsche Verordnungsgeber sich nicht an das Europarecht hält. Ein zweites Mal wurde so die Chance einer Klärung durch den
EuGH vergeben.

Wo EU-Fördermittel fließen, sollten Kommunen besser Vorsicht walten lassen

Die Folge ist, dass weiterhin ein hohes Maß an Unsicherheit besteht. Anwaltskanzleien wenden sich bereits an Gemeinden und empfehlen, künftig regelmäßig die Auftragswerte aller Planungshonorare zu addieren. Deshalb gilt: Kommunen sollten dort, wo EU-Fördermittel gewährt werden, angesichts der Haltung der EU-Kommission tatsächlich Vorsicht walten lassen und sich im Zweifel mit dem Fördermittelgeber absprechen, wie der Auftragswert zu berechnen ist. In den anderen Fällen sollte zuvörderst deutsches Recht angewandt werden. Der Verordnungsgeber hat sich gegen eine pauschale Additionspflicht ausgesprochen, das OLG München betont den Einzelfallcharakter seiner Entscheidung. Maßgeblich sei die konkrete Leistungsbeschreibung des Auftraggebers. Eine klare Differenzierung nach Art und Inhalt der Planungsleistungen und Qualifikationen der jeweiligen Planer erscheint deshalb für die Entscheidung für einen Vergabeweg in jedem Fall notwendig.

Eric Zimmermann ist Justiziar der Architektenkammer Baden-Württemberg.
Fabian Blomeyer ist Vorsitzender des Rechtsausschusses der Bundesarchitektenkammer und Rechtsanwalt in Schäftlarn.

Mit freundlicher Genehmigung des Staatsanzeigers Baden-Württemberg und der Bayerischen Staatszeitung, die den Artikel am 28. April 2017 veröffentlichten.

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