In der Debatte um Stabilisierung, Erneuerung und Weiterentwicklung städtischer, aber auch ländlicher Lebensräume bekommt das Thema Mobilität einen immer größeren Stellenwert.
Dabei geht es nicht nur darum, ob wir uns zukünftig mit Verbrennungsmotor, Brennstoffzelle oder Strom fortbewegen, sondern auch darum, wie die Wahl der Verkehrsmittel beeinflusst werden kann – weg vom immer noch wachsenden Anteil des motorisierten Individualverkehrs, hin zum sogenannten Umweltverbund aus Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV. Dabei können uns Sharing-Modelle für Fahrrad und Auto ebenso helfen wie neue Konzepte für den Warenverkehr. Doch alle guten Ansätze nützen nichts, wenn sie nicht von einer zukunftsweisenden Stadt- und Verkehrsplanung gefördert werden, die den regionalen Maßstab betrachtet.
Mit der Leipzig Charta wurde vor zehn Jahren die Abkehr von der Funktionstrennung – hier Arbeiten, dort Wohnen – mit ihren erheblichen Anforderungen an die Mobilität in eine gesamteuropäische Willensbekundung gegossen. Doch noch manifestiert sich der zunehmende Verkehr, befeuert durch einen globalisierten Warenaustausch, als dauerhaftes Problem in den Städten – aber auch vermehrt in ländlichen Räumen, wo losgelöst vom Ort der Produktion und des Verbrauchs riesige Logistikflächen entstehen. Wenn die dadurch entstehenden vielfältigen Probleme des Staus und des steigenden Flächenverbrauchs eingedämmt werden sollen, ist ein Umdenken erforderlich. Dabei spielen Dichte und Urbanität und die daraus resultierenden kurzen Wege eine Schlüsselrolle. Die wirklich nachhaltige Stadt müsse eine menschenfreundliche sein, sagt der dänische Stadtplaner Jan Gehl. Er fordert eine Stadt mit guten öffentlichen Räumen und einer Kompaktheit, die die Menschen anregt, Wege als Fußgänger oder Radfahrer zu bewältigen. Der Mensch als Maßstab muss wieder unser Bezugspunkt werden.
Doch noch sind viele Städte geprägt von der Idee der Autogerechtigkeit. Diese Stadträume neu zu gestalten und für alle Menschen zurückzugewinnen, muss unsere Aufgabe sein. Ökologische Erfordernisse müssen dabei mit technischen, gestalterischen und sozialen in Einklang gebracht werden. Über die Barrierefreiheit hinaus wird uns dabei sicherlich auch in der Stadtplanung der Inklusionsgedanke beschäftigen, um soziale Teilhabe, aber eben auch Mobilität für alle zu ermöglichen. Wenn unsere Planer diese Herausforderungen im Labor „europäische Stadt“ meistern, werden sie auch international bei der Metropolenentwicklung in Asien, Afrika und Südamerika mitwirken können. Wir können Anstöße dazu geben, dass von uns ausgelöste klimazerstörende und flächenfressende Fehlentwicklungen nicht wiederholt werden.
Aber auch hierzulande bietet der Mobilitätswandel für Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Verkehrsplaner die einmalige Chance, Lebensräume neu zu gestalten. Einerseits werden neue Verkehrskonzepte Auswirkungen auf die Quartiersentwicklungen und die Gebäudeplanung haben. Andererseits kommen ganz neue Bauaufgaben auf uns zu, die sozial und gestalterisch in Stadt und Landschaft integriert werden müssen. Wenn es um Mobilität geht, werden wir uns einmischen, denn die neuen Infrastrukturen werden zu Fragestellungen für unsere Professionen. Eine verträglichere Mobilität verlangt unser kreatives Potenzial.
Prof. Rolf Westerheide ist Vertreter der Stadtplaner im Vorstand der Bundesarchitektenkammer.
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