Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Von wegen grau“ im Deutschen Architektenblatt 08.2017 erschienen.
Von Heiko Haberle
Viel Kunst ist schon unwiederbringlich hinter Dämmung verschwunden, wurde einfach verschrottet oder gestohlen. Doch in Frankfurt (Oder) besinnt man sich nun auf das reiche Erbe, das man trotz allem noch besitzt. Als ehemalige Bezirksstadt mit einem im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Zentrum hat man viel Bausubstanz aus den 1950er- bis 1980er-Jahren vorzuweisen. Weil weniger Investitionsdruck herrscht als beispielsweise in Potsdam, konnte sich vieles davon noch im Originalzustand halten, inklusive der begleitenden Kunst.
Engagement aus eigener Biografie
Martin Maleschka kennt wohl jedes einzelne dieser Objekte. Er hat in Cottbus Architektur studiert und ist seitdem unermüdlich als eine Art Aktivist für die ost-moderne Architektur und besonders für die Kunst im Einsatz. Martin Maleschka reist durch ganz Ostdeutschland und dokumentiert sie systematisch, fotografiert, führt Tabellen, recherchiert Künstler, baut ein Zeitschriften-Archiv auf. Mit seinen Fotos ist er in sozialen Netzwerken unterwegs, doch was er macht, ist zugleich eine längst überfällige kunstwissenschaftliche Grundlagenforschung.
Maleschka selbst wuchs in Eisenhüttenstadt auf, der Vater arbeitete im örtlichen Plattenwerk. Wenn er an seinen längst abgerissenen Wohnblock denkt, fallen ihm die großen Wandbilder aus bunten Fliesen ein, die einen Baum, eine Ente, einen Fisch und einen Schwan zeigten. Die Erinnerung an die „Platte“ als Heimat bildet nun den Auftakt zur Ausstellung „Was macht die Kunst, Frankfurt (Oder)?“, die Martin Maleschka gemeinsam mit der Kulturwissenschaftlerin Sahra Damus und dem Professor für Denkmalkunde Paul Zalewski konzipiert hat.
Ausstellung in Frankfurt (Oder)
Mit der ehemaligen Bezirksparteischule, die heute als Nebengebäude des Audimax auf eine Nachnutzung wartet, haben die Ausstellungsmacher schon Ort passend gewählt: Hier hat sich eine farbige Hinterglasmalerei von Eberhard Hückstädt erhalten, die nun Teil der Ausstellung ist. In einem einsehbaren Nebenraum hängt noch das von Peter Rockel entwickelte System aus Stangen und Kugelleuchten, das man aus dem Palast der Republik kennt. Wer ansonsten bestenfalls Beton-Formsteine erwartet, wird eines besseren belehrt. Nicht nur gab es von ihnen unzählige Varianten, sondern außerdem Metallarbeiten, Skulpturen, Sgraffiti (in den Putz gekratzte Reliefs), Mosaike oder glasierte Keramik. Von dieser Vielfalt zeugen neben den Fotos von Martin Maleschka beispielhafte Objekte, die aus einem Depot der Stadt Frankfurt stammen. Dort werden gerettete Arbeiten eingelagert, bis sie im Idealfall wieder einen neuen Standort finden.
Politische Rolle von Kunst
Deutlich wird auch, dass die Kunst nicht aus den zentralen Bauabteilungen stammt, sondern durchaus von großen Namen, öfter jedoch von regionalen Künstlern. Zugleich gelingt ein Überblick über die politische Rolle der Kunst und ihre zeitliche Entwicklung: „Die Kunst am Bau war in der DDR viel stärker ausgeprägt als in der BRD“, berichtet Maleschka. „Zunächst sollte der Aufbau des sozialistischen Staates mit Bildern unterstützt werden, zum Beispiel mit Darstellungen lokaler Industriezweige oder Motiven aus dem Familien- und Alltagsleben, etwa der Schlüsselübergabe zur neuen Wohnung. Es folgten aber auch rein dekorative Arbeiten, die sich auf die Natur oder lokale Sehenswürdigkeiten beziehen. Gegen Ende der DDR findet man oft geometrische Muster.“
Öffentliche Diskussion beginnt
Eine öffentliche Diskussion über die Kunst in der Stadt möchte Sahra Damus anstoßen. Für die Grünen sitzt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Viadrina im Stadtparlament und dadurch auch im Stadtentwicklungsausschuss, im Kunstbeirat sowie im Aufsichtsrat der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. „Wir wollen keine Ostalgie betreiben, sondern eine ernsthafte Debatte darüber führen, was welchen künstlerischen Wert hat“, sagt Sahra Damus. Dazu gehöre auch eine fundierte Bestandsaufnahme und Bewertung, um bei bevorstehenden Sanierungen, wie etwa am Rathaus mit seinen bunten Glasfenstern, Auflagen zur Erhaltung formulieren zu können. Große Hoffnungen richten sich außerdem auf das „Lichtspieltheater der Jugend“, das noch inklusive Leuchtschrift und zwei Sgraffiti mit Stadtmotiven auf eine Nachnutzung wartet. Das gerade gegründete Brandenburgische Landesmuseum für Moderne Kunst wäre beispielsweise ein idealer Nutzer, findet Sahra Damus.
Wichtige Etappenziele wurden jedenfalls schon auf der Vernissage erreicht: Bei mehreren ausgestellten Werken ließ sich die bisher unbekannte Urheberschaft klären – viele Künstler waren selbst anwesend. Und der Oberbürgermeister schlug erstmals Patenschaften für Kunstwerke vor.
Mehr Fotos von Martin Maleschka auf Flickr oder Instagram. Inzwischen ist von ihm auch ein Architekturführer zu baubezogener Kunst der DDR und ein Architekturführer Eisenhüttenstadt erschienen.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: