Zu den Siedlungen der Moderne
In deutschen Ballungszentren fehlen bezahlbare Wohnungen; nach Schätzung des Deutschen Mieterbundes müssten jährlich 400.000 gebaut werden. Es ist zu hoffen, dass zuvor die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts reflektiert werden. Eine aktuelle Studie liefert systematisches und gut aufbereitetes Material dazu.
Zu Beginn wird der Siedlungsbau nach Jahrzehnten mit Beispielen vorgestellt, Vor- und Nachteile werden erklärt. Neben der Kurzanalyse der Leitbilder – von „Licht, Luft, Sonne“ über die „aufgelockerte Stadtlandschaft“ bis zu „Urbanität durch Dichte“ – fehlt auch nicht der Hinweis auf die „entscheidende Bedeutung der Belegungspolitik“ für den Erfolg eines neuen Stadtteils. Das Kapitel schließt mit dem Rückblick auf „Siedlungsbau der 1990er-/2010er- Jahre“, der sich allerdings auf Berliner Beispiele beschränkt und aufgrund des kurzen Zeitabstands weniger prägnant geraten ist.
Der zweite Teil präsentiert prominente, differenziert bebaute Stadtteile der jüngeren Zeit in München, Wien und Berlin und stellt die Frage nach der Renaissance der Gartenstadt – wobei der wohlklingende Begriff nicht trennscharf definiert ist. Abschließend werden die städtebaulichen, wohnungspolitischen, wohnungswirtschaftlichen und planerischen Prinzipien zusammengefasst. Letzte, treffende Feststellung des lohnenden Parforceritts durch die deutsche Bauhistorie: einfach aufgeschrieben, aber schwer gemacht.
Bezug zum Versandkostenpreis unter: www.gross-siedlungen.de
Zur Benutzung der Moderne
Der Wohnungsbau der Moderne wird zwar vielerorts saniert, die „räumlichen Fesseln“ durch die meist vorbestimmten Grundrisse werden jedoch selten aufgesprengt. Wie mit einfachen Mitteln vielseitigere Strukturen machbar sind, wird anhand von (leider nicht allzu vielen) Beispielen gezeigt – sei es das Bürohaus, das zum Wohnhaus wird, der etwas offenere Grundriss oder die durchgesteckte Wohnung, die aus zwei kleineren entstand. Auch Lacaton Vassals mehrfach bewährtes Konzept der Erweiterung durch eine äußere Raumschicht darf nicht fehlen: hier als Studie für die Hochhausscheiben im Zentrum von Halle-Neustadt. Hinzu kommen Essays und Untersuchungen, etwa zu seriellen Bausystemen in Schweden oder zu Wohnungsbauprogrammen in Großbritannien, die – je nach Perspektive – gescheiterte Wohnmaschinen oder brutalistische Ikonen hervorgebracht haben. Erfrischend ist die Publikation, weil sie keine Angst vor dem Nutzer hat: Viele Fotos zeigen ganz durchschnittlich möblierte Wohnungen. Das robuste und nicht überästhetische Layout integriert diese Gebrauchsspuren ebenso wie herkömmliche Rot-Gelb-Pläne oder historische Fotos und Grundrisse, die mutig, aber nicht aufdringlich neonorange unterlegt sind. Dadurch gelingt die Wahrnehmung als ernst zu nehmendes Architekturbuch.
Zum Schutz der Moderne
Während die wichtigsten Bauten der 1950er-Jahre bereits geschützt sind, droht späteren Vertretern noch mancherorts der Abriss. Schlechte Instandhaltung oder schlicht ihre Größe lassen die historische und künstlerische Bedeutung verblassen – auch weil die Nachkriegsmoderne als Epoche noch nicht genau definiert werden kann und daher die Begrifflichkeiten für den Denkmalschutz fehlen. Das versucht ein Forschungsprojekt der Universitäten Dortmund und Weimar zu ändern. Im zugehörigen Buch geschieht das mit Texten, die Einblicke in die denkmalpflegerische Praxis oder die Arbeit von Architekturarchiven geben. Dazu kommen Beiträge zu baulichen Phänomenen, wobei auch der Brutalismus einbezogen wird. Es geht zu den Großstrukturen deutscher Universitäten, nach Polen und Großbritannien, aber auch ins westfälische Marl. Beiträge zu den gesellschaftlichen Randbedingungen, etwa dem Zuzug von Gastarbeitern und dem Wunsch nach dem Einfamilienhaus, ordnen das Baugeschehen ein. Den Abschluss machen denkmalpflegerische Fallbeispiele aus ganz Europa. Entstanden ist keinesfalls Fachliteratur für Denkmalschützer, sondern dank der Themenvielfalt, der vielen guten Fotos und des leichtfüßigen Layouts ein hoch spannendes Panorama.
Mehr Informationen zum Forschungsprojekt: www.welchedenkmale.info
Zur Ästhetik der Moderne
Nachdem sie in Ungnade gefallen war, wird die Nachkriegsmoderne wieder wertgeschätzt. Wie beeindruckend und geradezu unglaublich sie aber zu ihrer Entstehungszeit erschienen sein muss, verdeutlicht nun ein E-Book mit Fotos
von Karl Hugo Schmölz. Beginnend mit den Ruinen des zerstörten
Köln, erzählen die Bilder von einer Architektur, die wirtschaftlichen Aufbruch, gesellschaftlichen Fortschritt und den Glauben an die Demokratie verkörpert. Da wachsen Glaspaläste mit kühnen Treppenhäusern empor, glitzern Leuchtreklamen, eröffnen dynamisch geschwungene Tankstellen. Neben dem Blick auf den Wiederaufbau als Ganzes steht auch die Konzentration auf architektonische Ästhetik im Detail, denn Schmölz war Auftragsfotograf für Gottfried Böhm, Rudolf Schwarz oder Wilhelm Riphahn.
Erhältlich über: www.artbookers.com
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