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Mängelrechte vor Abnahme?

Bei einem BGB-Bauvertrag können Mängel erst geltend gemacht werden, wenn eine Abnahme erfolgt ist. Der Bundesgerichtshof hat dazu Grundsatzurteile erlassen.

01.08.20175 Min. Kommentar schreiben
Foto: Fotolia
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Text: Martin Leuschner

Können Mängelrechte im BGB-Bauvertrag bereits vor der Abnahme geltend gemacht werden? Diese Frage war seit der Schuldrechtsreform 2002 in der Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten. Eine Regelung gibt es im BGB – anders als in der VOB/B – dazu nicht. Mit den Grundsatzurteilen vom 19. Januar 2017 (Az.:VII ZR 301/13 und Az.: VII ZR 193/15) hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun jüngst entschieden, dass Mängelrechte im BGB-Bauvertrag grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend gemacht werden können. Unter „Abnahme“ ist die mit der körperlichen Entgegennahme des Werks verbundene Erklärung des Auftraggebers zu verstehen, die Werkleistung des Auftragnehmers als im Wesentlichen – bis auf geringfügige Mängel oder kleinere Restarbeiten – vertragsgemäß anzuerkennen. In beiden den BGH Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen waren die Werkleistungen des Unternehmers mangelhaft (Terrassenbelag beziehungsweise Fassade). Eine Abnahme hatte jeweils nicht stattgefunden. Der Auftraggeber verlangte in beiden Fällen einen Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel. In seinen Urteilsbegründungen macht der BGH deutlich, dass die Abnahme die entscheidende Zäsur zwischen dem Erfüllungs- und dem Gewährleistungsstadium darstellt. Mit der Abnahme beginnt regelmäßig die Verjährungsfrist, es tritt die Fälligkeit des Werklohns ein und die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln geht auf den Auftraggeber über. Das Gericht weist darauf hin, dass das Werk erst bei Abnahme mangelfrei sein muss. Bis dahin dürfe der Auftragnehmer frei wählen, wie er den Anspruch des Auftraggebers auf mangelfreie Herstellung nach § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Bauherr bereits in der Herstellungsphase, also während die Bauarbeiten noch laufen, Mängelrechte geltend machen, würde dies einen Eingriff in die Rechte des Auftragnehmers bedeuten. Nach Auffassung des BGH sei es für den Schutz der Interessen des Bauherrn in der Herstellungsphase ausreichend, dass er einen Anspruch auf Erfüllung des Vertrages, also auf eine mangelfreie Herstellung des Werks, habe. Zudem verbleiben dem Bauherrn die Rechte, Schadensersatz zu verlangen und vom Vertrag zurückzutreten. Der Herstellungsanspruch und der Nacherfüllungsanspruch, die beide die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel haben, könnten nicht nebeneinander bestehen. Nur in bestimmten Ausnahmefällen soll der Auftraggeber nach Auffassung des Gerichts berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne beziehungsweise vor Abnahme geltend zu machen.

Für Architekten, die mit der Bauüberwachung (LPH 8) beauftragt sind, folgt daraus, dass sie – soweit im Einzelfall möglich – beachten müssen, ob der Bauvertrag ihres Bauherrn nach den Regelungen des BGB geschlossen oder die Geltung der VOB/B vertraglich vereinbart wurde. Ferner müssen Architekten jederzeit im Blick haben, ob sich der Bauvertrag noch in der Erfüllungs- oder schon in der Gewährleistungsphase befindet. Dabei markiert die rechtsgeschäftliche Abnahme (§ 640 BGB bzw. § 12 VOB/B) die Trennlinie. Die Abnahme ist ausdrücklich zu erklären, in der Praxis erfolgt aber häufig eine stillschweigende Abnahme (konkludent), zum Beispiel durch die vollständige Zahlung der Schlussrechnung, oder es kommt zu einer fiktiven Abnahme, wenn der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet ist und innerhalb einer ihm gesetzten Frist die Abnahme nicht erklärt (§ 640 Abs. 1 S. 3 BGB, § 12 Abs. 5 VOB/B). Treten nun nach Abnahme innerhalb der Verjährungsfrist Mängel auf oder hat der Bauherr Mängel bereits bei der Abnahme festgestellt und sich seine Gewährleistungsrechte vorbehalten, stehen ihm beim BGB-Vertrag Mängelrechte nach § 634 BGB zu: Nacherfüllung (Nr. 1), Selbstvornahme und Aufwendungsersatz (Nr. 2), Rücktritt vom Vertrag beziehungsweise Minderung (Nr. 3) sowie Schadensersatz beziehungsweise Aufwendungsersatz (Nr. 4). Beim VOB-Vertrag sind die Gewährleistungsrechte in § 13 Abs. 5 bis 7 geregelt: Mängelbeseitigung (Abs. 5 Nr. 1), Selbstvornahme (Abs. 5 Nr. 2), Minderung (Abs. 6) und Schadensersatz (Abs. 7). Im Detail weichen die Voraussetzungen der VOB-Mängelrechte von den Regelungen des BGB ab. Vor Abnahme können nur im VOB/B-Vertrag die genannten Mängelrechte geltend gemacht werden. Im BGB-Vertrag kann dagegen vor dem Hintergrund der jüngsten BGH Entscheidungen der Auftragnehmer zunächst nur auf vertragsgerechte Erfüllung in Anspruch genommen werden. Zudem bestehen möglicherweise Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung beziehungsweise, weil die Leistung nicht wie vertraglich vereinbart erbracht wurde, sondern mangelbehaftet ist (Schlechtleistung). Hinzu kommt die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. Im Ergebnis muss sich der Auftraggeber beim BGB-Vertrag also entscheiden, ob er die Rechte aus dem Erfüllungsstadium oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen will. Ein faktischer Zwang des Auftraggebers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges Werk besteht nach Ansicht des BGH hierdurch aber nicht.

Architekten müssen über umfangreiche Kenntnisse zur Abnahme verfügen, denn sie befassen sich regelmäßig mit der Organisation der Abnahme der verschiedenen Bauleistungen und sprechen Abnahmeempfehlungen aus. Die Erklärung der rechtsgeschäftlichen Abnahme (mehr zum „korrekten Abnehmen“ hier) selbst obliegt dem Bauherrn und gehört normalerweise nicht zu den Aufgaben des Planers. Über die jüngste BGH-Rechtsprechung müssen Architekten trotzdem Bescheid wissen, wenn sie ihren Bauherrn beraten. Eine tiefer gehende juristische Beratung sollte allerdings nur ein Rechtsanwalt vornehmen.

Martin Leuschner ist Syndikusrechtsanwalt bei der Architektenkammer Niedersachsen.


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