Text: Uwe Wild
Bauwerksabdichtungen wurden seit 1983 in der aus zehn Teilen bestehenden DIN 18 195 geregelt. Die Abdichtungsnorm beschreibt bewährte Abdichtungstechniken detailliert und wurde von Planern, Ausführenden und Sachverständigen als Richtschnur für die Ausführung und für die technische Bewertung von Bauwerksabdichtungen genutzt. Nach mehreren Überarbeitungen und Neufassungen wurde sie an die fortschreitende Entwicklung der Abdichtungstechnik angepasst und zum 1. Juli durch fünf einzelne neue Abdichtungsnormen – DIN 18 531 bis DIN 18 535 – ersetzt. Zeitgleich wurde die DIN 18 195 zurückgezogen und als reine Begriffsnorm neu herausgegeben. Die neuen Normen gliedern sich nicht mehr nach der Art der Wasserbeanspruchung, sondern bauteilbezogen nach ihrem Anwendungsbereich, wie in der Grafik oben dargestellt ist. Die bauteilbezogene Gliederung gewährleistet durch ihre übersichtliche Strukturierung eine bessere Handhabung und vereinfacht zukünftige Aktualisierungen. Planern und Ausführenden stehen damit nun in sich geschlossene Regelwerke zur Verfügung.
Geltungsbereich und Gliederung
Abdichtungen an erdberührten Wand- und Bodenflächen, im Wandquerschnitt und in Sockelbereichen sind jetzt gegen alle auftretenden Wassereinwirkungen in der DIN 18 533 geregelt. In die Norm wurden auch „erdüberschüttete Bauwerke in offener Bauweise“ aufgenommen. Wie die alte DIN 18 195 gilt auch die neue Norm für Neubauten und nicht für nachträgliche Bauwerksabdichtungen an Altbauten oder Denkmälern. Bei Sanierungen ist sie nur dann anzuwenden, wenn Verfahren am Altbau eingesetzt werden können, die in der neuen Abdichtungsnorm beschrieben sind. Die DIN 18 533 umfasst drei Teile: Teil 1 regelt „Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze“, Teil 2 die „Abdichtung mit bahnenförmigen Abdichtungsstoffen“ und Teil 3 die „Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen“. In den stoffspezifischen Teilen 2 und 3 sind auch Regeln für Detailausbildungen, wie Durchdringungen, An- und Abschlüsse oder Bewegungsfugen, sowie Schutzschichten enthalten. Neu ist außerdem die Zuordnung der Abdichtungsstoffe und die verschiedenen Abdichtungsbauarten zu den folgenden Bemessungskriterien: Wassereinwirkungsklasse, Rissüberbrückungsklasse und Raumnutzungsklasse. Diese Zuordnung erfolgt für bahnenförmige Abdichtungsstoffe einschließlich der Anzahl der Lagen in Teil 2 und für flüssig zu verarbeitende Stoffe einschließlich der Schichtdicken in Teil 3.
Kriterien für die Bemessung
Die DIN 18 533 klassifiziert die Beanspruchungsarten nicht mehr nach der Dauer und Entstehungsart der Wassereinwirkung, sondern die Einteilung erfolgt in acht Klassen – und zwar bauteilbezogen und entsprechend der Intensität der Beanspruchung, siehe u.a. Tabelle zu den Wassereinwirkungsklassen.
Ebenfalls neu sind Rissklassen, die bei der Auswahl der Abdichtungsbauart berücksichtigt werden müssen , siehe u.a. Tabelle zu den Rissklassen.
Vorhandene Risse, die sich nach dem Aufbringen der Abdichtung in ihrer Breite verändern können, oder Risse, die neu entstehen können, muss der Planer einer der vorgegebenen Rissklassen R1-E bis R4-E zuordnen. Diesen Rissklassen stehen wiederum vier Rissüberbrückungsklassen (RÜ1-E bis RÜ4-E) gegenüber, die die rissüberbrückenden Eigenschaften der Abdichtungsbauarten sowie die spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Abdichtungsstoffe definieren. Die Abdichtungsbauarten und Abdichtungsstoffe sind in den Teilen 2 und 3 der Norm jeweils bestimmten Rissüberbrückungsklassen zugeordnet. Die Rissüberbrückungsklassen korrelieren mit den Rissklassen. So darf zum Beispiel ein Bauteil mit einer Rissklasse R3-E nur mit einem Abdichtungsstoff und einer Abdichtungsbauart abgedichtet werden, die die Anforderungen an die Rissüberbrückungsklasse RÜ3-E erfüllen. Abdichtungsbauarten mit größeren Rissüberbrückungsklassen dürfen auch für kleinere Rissklassen eingesetzt werden.
Die Anforderungen an die Abdichtung erdberührter Bauteile, die sich aus dem angestrebten Raumklima ergeben, spiegeln sich in der DIN 18 533 in den drei Raumnutzungsklassen RN1-E bis RN3-E wider. Die Raumnutzungsklassen beschreiben die jeweiligen Anforderungen an das Raumklima. Die Raumnutzungsklasse RN1-E liegt vor, wenn nur geringe Anforderungen an die Trockenheit der Raumluft bestehen – zum Beispiel bei offenen Lagerhallen oder Tiefgaragen. Durchschnittliche Anforderungen, wie sie typischerweise an Aufenthaltsräume gestellt werden, entsprechen der Raumnutzungsklasse RN2-E. In Magazinen für unersetzliche Kulturgüter bestehen besonders hohe Anforderungen an die Trockenheit der Raumluft. Diese Art der Nutzung ist der Raumnutzungsklasse RN3-E zuzuordnen. Bei der Planung der Abdichtung im Bereich von Bewegungsfugen müssen die unterschiedlichen Einwirkungen aus Lageänderungen im Flankenbereich in eine der fünf Verformungsklassen VK1-E bis VK5-E eingeteilt werden. Lageänderungen im Flankenbereich von Bewegungsfugen können in unterschiedlicher Richtung auftreten: senkrecht zur Abdichtungsebene durch Scherung und in Abdichtungsebene durch Dehnung oder Stauchung oder durch Verzerrung. Aus den in alle drei Richtungen maximal zu erwartenden Bewegungen ist die resultierende Verformung vr zu ermitteln. Beispielsweise ist nach DIN 18 533-1, Tabelle 9, bei einer resultierenden Verformung vr ≤ 20 Millimeter die Bewegungsfuge in die Verformungsklasse VK4-E einzuteilen, siehe u.a. Tabelle zu den Verformungsklassen.
Abdichtungsstoffe und Bezeichnungen
Die Verwendung von rissüberbrückenden mineralischen Dichtungsschlämmen (MDS) war in der Stoffnorm (Teil 2) und im Beiblatt 1 der „alten“ DIN 18 195 zwar aufgeführt, jedoch in den Ausführungsteilen für den erdberührten Bereich (Teile 4, 5 und 6) bisher nicht geregelt. In DIN 18 533, Teil 3, sind Bauwerksabdichtungen im erdberührten Bereich aus rissüberbrückenden mineralischen Dichtschlämmen mit allgemeinem bauaufsichtlichem Prüfzeugnis (abP) nach den Prüfgrundsätzen PG-MDS erstmals geregelt. Ebenfalls für den erdberührten Bereich neu geregelt wurden Abdichtungen mit Flüssigkunststoffen (FLK) aus Polymethylmethacrylatharz (PMMA), Polyurethanharz (PUR) und Polyesterharz (UP) mit allgemeinem bauaufsichtlichem Prüfzeugnis (abP) nach den Prüfgrundsätzen PG-FLK. Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen, bisher KMB, durften unter bestimmten Voraussetzungen nach „alter“ Norm bereits seit 2000 im erdberührten Bereich eingesetzt werden. Für diesen Abdichtungsstoff hat sich die Kurzbezeichnung geändert. Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen werden zukünftig mit dem Kurzzeichen PMBC (polymer modified bituminous thick coatings) bezeichnet. Mit der Änderung des Kurzzeichens erfolgte eine Anpassung an die Stoffnorm für kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen, DIN EN 15814: 2015-03.
Uwe Wild ist Sachverständiger für das Holzund Bautenschutzgewerbe sowie für das Bautrocknungsgewerbe in Brandis bei Leipzig.
MEHR INFORMATIONEN:
Regelwerke
DIN 18 533-1 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 1: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze“, Stand 2017-07
DIN 18 533-2 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 2: Abdichtung mit bahnenförmigen Abdichtungsstoffen“, Stand 2017-07
DIN 18 533-3 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 3: Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen“, Stand 2017-07
DIN 18 195 „Abdichtung von Bauwerken – Begriffe“, Stand 2017-07
DIN 18 195 Beiblatt 2, Stand 2017-07
DIN EN 15814 „Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen zur Bauwerksabdichtung – Begriffe und Anforderungen“, Stand 2015-03
Mehr Informationen zum Thema Technik erhalten Sie hier
Dem kurzen Kommentar des Kollegen Keisel zur „neuen Abdichtungsnorm“ in DAB 9/2107, Seite 6, kann man nur zustimmen. Ein wichtiger Aspekt sollte jedoch noch ergänzt werden: Ein maßgeblicher Hintergrund der „Umformierungen in neuen Normung“ (bei den Nummern und Produktbezeichnungen) war es, für die kommende Architekten- und Ingenieur- sowie Bausachverständigengeneration den „Kampf um die alte Abdichtungsnorm DIN 18195“ (mit unzähligen Einsprüchen sowie Schlichtungs- und Schiedsverfahren, kritischen Fachaufsätzen und bis heute Gerichtsprozessen um die KMB usw.) zu verschleiern und darüber „Gras wachsen zu lassen“. Das wird nach meiner Einschätzung auch gelingen. Insofern also „Glückwunsch“ an einen von Herstellerinteressen majorisierten Normausschuss.