Text: Volker Schnepel
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt, dass es halbe Sachen nicht gibt: Im Falle einer Vergütungsvereinbarung kann sich der Bauherr nicht darauf berufen, dass Leistungen noch in der „Werbephase“ erbracht worden und deswegen nicht zu vergüten seien. Die Abgrenzung zwischen Akquise und vertraglicher Leistung ist gerade bei Architekten nicht einfach. Selbst bei Leistungen, die in den Leistungsbildern der HOAI erfasst sind, geht die Rechtsprechung oftmals von noch nicht zu vergütenden Tätigkeiten aus. Dieser Tendenz, die vergütungsfreie Akquisitionsphase auszuweiten, soll jetzt allerdings das neue Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts entgegenwirken, das zum Jahresbeginn 2018 in Kraft treten und durch das ein eigener Untertitel zum Architekten- und Ingenieurvertrag in das BGB eingefügt wird. Bereits die Erarbeitung von Planungsgrundlagen lässt nach dem künftigen § 650 p Abs. 2 BGB regelmäßig den Schluss einer bereits vertraglichen und damit auch zu vergütenden Tätigkeit zu, wenn sich Bauherr und Architekt noch nicht über die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele verständigt haben.
Vertrag ist Vertrag
Auch der BGH hat mit Urteil vom 16. März 2017 (Az.: VII ZR 35/14) in begrüßenswerter Klarheit deutlich gemacht, dass die vergütungsfreie Werbephase jedenfalls dann endet, sobald eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird. Dies bedeutet zugleich, dass die nach der Vereinbarung erbrachten Leistungen nach HOAI zu vergüten sind, soweit sie von deren Leistungsbildern erfasst sind. Dass diese Grundsätze nicht so selbstverständlich sind, wie sie scheinen, zeigen die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen. Das vorbefasste OLG Jena hatte noch argumentiert, dass es letztlich von den Umständen des Einzelfalles abhänge, ob ein Architekt werbend tätig werde, um den Auftrag zu erhalten, oder ob er bereits auf vertraglicher Grundlage eine vergütungspflichtige Tätigkeit wahrnehme.
Worum ging es? Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft bat einen Architekten, für ein Objekt verschiedene Umbauvarianten zu erarbeiten, um sie möglichen Mietinteressenten vorzustellen. Von deren Reaktion sollte abhängen, ob und wie der Umbau vorgenommen wird. Des Weiteren waren Planungsunterlagen notwendig, um die für den Umbau benötigten Fördermittel zu erhalten. Diese Rahmenbedingungen kannte der Architekt. Er teilte dem Wohnungsbauunternehmen schriftlich mit, diese Leistungen im Rahmen der Akquisition kostenfrei zu erbringen, was das Unternehmen ebenfalls schriftlich bestätigte. Zugleich schlug es für weiterführende Arbeiten bis zur Klärung der detaillierten Bauaufgabe eine Vergütung auf Stundensatzbasis für den entstehenden Zeitaufwand vor, die mit dem für den noch abzuschließenden Architektenvertrag vereinbarten Honorar verrechnet werden sollte.
Zunächst erbrachte der Architekt weitere Planungsleistungen, bot dann aber den Abschluss eines schriftlichen Architektenvertrags über die Leistungsphasen 1 bis 3 an. Dies lehnte das Wohnungsbauunternehmen mit dem Hinweis ab, erst nach endgültiger Entscheidung über den Umbau, dann aber über alle Leistungsphasen abschließen zu wollen. Zwischenzeitliche Rechnungen des Architekten, von ihm selbst als „vorläufig auf der Grundlage des benötigten Zeitaufwandes“ erstellt, wurden beglichen. Nachdem das Projekt insgesamt gescheitert war, wurde die Zusammenarbeit beendet. Der Architekt machte daraufhin in einer auf Grundlage der HOAI erstellten Schlussrechnung ein Gesamthonorar geltend, das die zuvor geleisteten (und abgezogenen) Zahlungen um mehr als das Dreifache überstieg.
Die Vorinstanz war noch davon ausgegangen, dass das Verhalten sowohl der Wohnungsbaugesellschaft als auch des Architekten dahin zu verstehen sei, dass noch kein Architektenvertrag abgeschlossen werden sollte. Stattdessen sei es als Einigung auf eine Fortsetzung der – in diesem Fall allerdings zu vergütenden – Akquisitionsphase zu verstehen. Dieser Wertung lag die Auffassung zugrunde, dass die HOAI die Vertragsfreiheit unberührt lasse, sodass es den Parteien freistehe, für Akquisitionstätigkeiten ein Entgelt zu vereinbaren, das sich unterhalb der Mindestsätze der HOAI bewegt.
Wenn Vergütungsvereinbarung dann HOAI
Dies hat den BGH zu Recht nicht überzeugt. Die Auffassung des vorentscheidenden OLG, wonach ein Vertrag über eine „entgeltliche Akquise“ geschlossen werden könne, auf den die HOAI keine Anwendung finde, sei mit dem Vergütungssystem der HOAI nicht zu vereinbaren. Anderenfalls könnten über diese Konstruktion auch Architektenleistungen, die von den Leistungsbildern der HOAI erfasst sind, ohne Bindung an die Mindestsätze der HOAI entgegengenommen werden. Dies würde, so der BGH, zu einer Veränderung des Vergütungssystems führen, die mit dem Zweck der Mindestsätze nicht zu vereinbaren sei.
Im konkreten Fall ist einzuräumen, dass das Verhalten des Architekten als in gewisser Weise widersprüchlich angesehen werden könnte, wenn er zunächst eine Vergütung unter- oder außerhalb der HOAI akzeptiert und hinterher Nachforderungen auf HOAI-Grundlage stellt. Gleichwohl ist aus grundsätzlichen Erwägungen heraus der Entscheidung des BGH uneingeschränkt zuzustimmen. Auch der BGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung durchaus zugelassen, dass Architektenleistungen erbracht werden, ohne überhaupt vergütet zu werden, wenn es sich um Tätigkeiten im Rahmen der Akquise handelt. Dabei haben die Gerichte die Grenzen der vergütungsfreien Akquise in zum Teil nicht nachvollziehbarer Weise ausgeweitet. Eines aber ist spätestens jetzt klar: Auch wenn es sich bei der HOAI „nur“ um sogenanntes Preiskontrollrecht handelt, setzt sie der Vertragsfreiheit Grenzen, wenn sie hierdurch umgangen oder unterlaufen würde, wie es bei einer nicht HOAI-konformen „entgeltlichen Akquise“ der Fall wäre. Und besonders wichtig: Die Grenzen der Vertragsfreiheit gelten insoweit nicht nur für den Auftraggeber, sondern mindestens in gleicher Weise auch für den Architekten!
Dr. Volker Schnepel ist Leiter der Rechtsabteilung der Bundesarchitektenkammer.
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