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Neues Architektenrecht

Zum 1. Januar wurden die zwei neuen Begriffe „Planungsgrundlage“ und „Kosteneinschätzung“ eingeführt. Was bedeuten sie?

29.12.20177 Min. 1 Kommentar schreiben

Von Daniel Halswick

„Baukosten werden häufig bereits beziffert bevor belastbare Planungenvorliegen“stellt die Reformkommission zum Bau von Großprojekten in ihremEndbericht fest. „Schätzungen sind zum Teil politisch motiviert, vernachlässigen bestehende Risiken und liegen häufig deutlich unter den tatsächlich zu erwartenden Kosten.“ Weiter heißt es„ „Bauherrenwünsche werden (…) häufig nicht sorgfältig ermittelt. Es fehlt an der intensiven und aufwendigen Auseinandersetzung mit den Besonderheiten eines (Groß-)projekts (…). Ungenaue oder unvollständige Bedarfsplanungen führen in einem späteren Projektstadium zu Planungsänderungen und damit zu Mehrkosten“.

Neues gesetzliches Leitbild

Da kommen die beiden neuen Begriffe „Planungsgrundlage“ und „Kosteneinschätzung“, die mit dem neuen Architektenvertragsrecht am‘ 1. Januar 2018 eingeführt wurden, gerade recht. Zu den neuen vertragstypischen Pflichten heißt es im Gesetz zunächst: „„Durch den Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen“ (žŸ§ 650p Abs ‘1 BGB). Neben dem Zweck und der Größe des Vorhabens sind hier maßgeblich auch der Bezug zum Standort sowie Kosten und Termine gemeint. In Absatz“ 2 der Norm werden Planer dann verpflichtet, soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart, sind eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele und eine Kosteneinschätzung zu erstellen. Diese sollen dem Auftraggeberin einer sogenannten Zielfindungsphase bei der Entscheidung helfen, ob er das Bauvorhaben realisieren oder von dem neu vorgesehenen Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen möchte (siehe „Architektenvertragsrecht jetzt im BGB“), das Gegenstand weiterer Erörterungen im DAB sein wird.

Zeitliche Abgrenzung im Projekt. PE: Projektentwicklung, PA: Projektabwicklung, OB: Objektbetrieb

Der Zweck des zu planenden Gebäudes steht sicherlich schon  sehr früh fest, jedoch sind wesentliche qualitative (Art der Konstruktion, Materialität) oder quantitative Merkmale
(Zahl der Geschosse) oder ähnliche Fragen noch offen. Klargestellt hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Zielfindungsphase in der die zwei Begriffe zeitlich zu verorten sind, dass auch zu diesem frühen Zeitpunkt schon ein Vertrag vorliegen kann, die Erstellung von Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung also zu vergüten ist. Damit kann nicht mehr –anders als bisher oft – von einer reinen Akquiseleistung ausgegangen werden.

Definitionen noch vage

Die Begriffe „Planungsgrundlage“ und „Kosteneinschätzung“ sind durch den Gesetzgeber  noch nicht näher definiert worden und haben weder einen Bezug zurDIN“ 276  noch – aus rechtssystematischen Gründen – zur HOAI, da diese eine Gebührenordnung ist, Das kannin der gängigen Projektpraxis zum einen zu Missverständnissen führen, zum anderen ist die Komplexität in dieser Projektphase nicht zu unterschätzen. Die Planungsgrundlage soll – in welcher Form auch immer – das noch zu planende Vorhaben beschreiben. Dies gingeüber textliche Beschreibungen und reine Kennzahlenbetrachtungen oder über erste Skizzen beziehungsweise über eine qualifizierte Machbarkeitsstudie.

Zur Kosteneinschätzung gibt es ebenfalls keine Definition. Der Begriff ist neu, sodass davon ausgegangen werden kann, dass jede Art von Kostenermittlung angewendet werden darf. Eine Kostenschätzung nach DIN 276 ­€ist ausdrücklich nicht verlangt.

Unterscheidung der Prozesse. Blau: Planungsgrundlage, Rot: Kosteneinschätzung, PE: Projektentwicklung, PA: Projektabwicklung, OB: Objektbetrieb

Probleme suchen

Beide Leistungen sind also in einer der Planung vorgelagerten „Vorprojektphase“ nach dem geläufigen Sprachgebrauch zu den neuen BGB-Regelungen in der „Zielfindungsphase“ zu erbringen. Zieht man die Fachliteratur zur Projektentwicklung heran, so lässt sich diese Phase definieren als Kombination der Faktoren Projektidee,  Standort und Kapital. Passen die drei Faktoren nicht zusammen, sind Zielkonflikte vorprogrammiert. Um diese zu vermeiden, Ziele zu identifizieren und sie in ihrer Priorität zu ordnen, ist eine sorgfältige Projektvorbereitung unter Abwägung möglichst vielerAspekte und Risiken wesentlich. Man spricht hie rauch vom „Problemesuchen“, während in der eigentlichen Planung und Ausführung die Probleme dann zu lösen sind. Ergebnis dieser Vorprojektphase beziehungsweise Zielfindungsphase sollte in jedem Fall eine plausible und seriöse Dokumentation der Ziele und Anforderungen an das Bauprojekt, also die vom Gesetzgeber vorgesehene Planungsgrundlage sein. Eine Aussage zurMachbarkeit ist dabei selbstverständlich wird in der Praxis aber leider zu oft vernachlässigt.

Aus der Projektidee wird der nachgewiesene Bedarf, etwa in Form eines qualifizierten Bedarfsplans oder zumindest eines Raumprogramms, ermittelt. Der Standort wird als bebaubares Grundstück mit passendem Baurecht nachgewiesen oder der Weg dorthin zumindest aufgezeigt. Das für das Bauprojekt notwendige Kapital wird über eine Finanzierung mit eigenen und— oder fremden Mitteln nachgewiesen.

Informationsmenge über den Projektverlauf. Blau: Planungsgrundlage, Rot: Kosteneinschätzung

Probleme lösen

Der Machbarkeitsnachweis ist sehr komplex, da die drei genannten Faktoren Projektidee, Standort und Kapital sich gegenseitig bedingen. In der Projektpraxis halten beispielsweise die quantitativen Anforderungen des Bauherrn einer baurechtlichen Prüfung oft nicht stand, – „der Bauherr wünscht es größer“. Oder die qualitativen Wünsche der Nutzer korrespondieren nicht mit der Finanzierung – „der Nutzer wünscht es schöner“. Solche Zielkonflikte und Spannungen entstehen sowohl innerhalb des Projekts als auch durch das Umfeld. Alle Anspruchsgruppen („Stakeholder“), die gegenwärtig oder in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind oder in irgendeiner Form Einfluss nehmen können, müssenermittelt und benannt werden.

Der Bauherr wünscht es größer, der Nutzer will es schöner. Solche Zielkonflikte müssen dokumentiert und ausgeräumt werden.

Oft scheitern Projekte aber gerade am Mangel an Information.  Insbesondere bei einer interdisziplinären Planungs- und Bauaufgabe, bei der arbeitsteilig geplant wird, ist dasGenerieren von Informationen elementar. Der Mitwirkungspflicht des Bauherrn kommt hier besondere Bedeutung zu. Das Resultat sollte bei Bauherr und Planer ein gemeinsames Verständnis vom Projekt sein, idealerweise derart dokumentiert, dass es eine vertragliche Basis für eine spätere Umsetzung darstellt.

In dieser Phase ist also ein sorgfältiges und strukturiertes Vorgehen wichtig, mit dem Ziel, nicht lösbare Konflikte frühzeitig zu identifizieren und lösbare Konflikte zum Nachweis der Machbarkeit aufzulösen. Ist eine Realisierbarkeit gegeben, gilt es, die unterschiedlichen Ziele und Anforderungen zu ordnen und zu priorisieren. Das Ergebnis ist eine realisierbare Planungsgrundlage, also die Zusammenstellung der notwendigen Informationen über die Planungs- und Überwachungsziele für das neue Projekt.

Strukturierte Bedarfsplanung. NBP: Nutzerbedarfsprogramm, RFP: Raum- und Funktionsprogramm

Kosten einschätzen ohne Planung

Nachdem die Informationsmenge in der Vorprojekt-, also Zielfindungsphase noch gering sein kann und eine Planung noch nicht vorliegt, stellt sich die Frage, mit welchen Methoden überhaupt belastbare Kostenaussagen möglich sind beziehungsweise ob über eine „Kosteneinschätzung“ eine seriöse Aussage der Planer gegenüber dem Bauherrn getroffen werden kann, die es ihm ermöglicht, eine fundierte Entscheidung über die Realisierung des Projekts zu treffen.

Neben Standort, Zeitpunkt, Zeitrahmen und Marktlage sind Objektgröße und-standard maßgebliche Einflussgrößen. Sind diese bekannt, lassen sich über Kosten- und Mengenfaktor Baukosten ermitteln. Da die Vorprojektphase der Zielfindung dient und noch keine Planung vorliegt,  kann die Einschätzung über nutzungsbezogene Kostenermittlungsverfahren, etwa über Nutzungseinheiten oder Kostenflächenarten mittels Kennzahlen erfolgen. Letztere Methode ist beim öffentlichen Bauen, zum Beispiel im Krankenhausbau, bereits gängige Praxis. Für alle anderen,  meist bauwerksbezogenen Kostenermittlungsverfahren, ist eine Planung erforderlich.

Die Kosteneinschätzung kann demnach je nach Durchdringungstiefe der Projektvorbereitung („Planungsgrundlage“) sowohl eine sehr grobe Einschätzung als auch eine detaillierte Ermittlung auf Basis einer sorgfältigen Machbarkeits- beziehungsweise Risikoprüfung sein – zu diesem Zeitpunkt allerdings noch ohne Planungen.

Was wird sich ändern?

Durch die fehlende Konkretisierung der beiden neuen Begriffe kann es zu Verwirrung kommen. In jedem Fall sind neue Vertragswerke erforderlich und der Abschluss schriftlicher Verträge mit eindeutiger Festlegung der Leistungen wird noch wichtiger. Dabei können und werden die Architektenkammern ihre Mitglieder unterstützen. Durch die neuen gesetzlichen Regelungen wurde der Grundsatz gestärkt, dass eine im Konsens zwischenBauherr und Planer beschlossene Zielsetzung wesentlich für den Projekterfolg ist.

Prof. Daniel Halswick ist Geschäftsführer bei h2m Architekten und Immobilienökonom. Er lehrt Projektentwicklung und Projektmanagement an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt.


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1 Gedanke zu „Neues Architektenrecht

  1. Habe im Frühjahr 2017 von einem bekannten Architekturbüro einen Bauleitungsauftrag entgegen genommen und bis zu 5. August auch durchgeführt. Ab dem 5. August stand die Baustelle bis Ende August still, da die Bauherren (beide Lehrer) in dieser Zeit in Urlaub waren und sie nicht wollten dass Handwerker auf ihrem Grundstück tätig sind. Die Arbeiten sollten dann Anfang September weiter laufen.
    „als mir von den Bauherren dies mitgeteilt wurde habe ich sie darauf hingewiesen, dass dies wahrscheinlich so wie sie sich das vorstellen nicht ablaufen würde, da die Handwerker in der Zwischenzeit andere Arbeiten übernehmen würden und diese dann zuerst zu Ende bringen wollen.“
    Zum Ende der Urlaubszeit habe ich die am Bauvorhaben beteiligten Handwerker dann angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die Arbeiten am BV jetzt wieder weiterlaufen soll. Leider haben sich die Handwerker nicht gerührt (in der Zwischenzeit wurden Arbeiten begonnen und diese waren jedoch noch nicht fertiggestellt), so vergingen ca. 2 Wochen bis ich endlich mit den Handwerker reden konnte. Die Bauherren hatten mir jedoch da schon gekündigt und wollten mit mir nicht mehr weiterarbeiten. Einen Grund dafür wurde mir nicht mitgeteilt. Der mich bauftragte Architekt hat nun die Arbeiten wieder übernommen. Jedoch auch bei ihm stand die Baustelle zu mindestens bis Ende September still. Danach bin ich nicht mehr an der Baustelle vorbei gekommen. Da mir weder die Zahlen der bis dahin von mir durchgeführten Arbeiten vorliegen und auch so für diesen Fall keine Vereinbarungen getroffen wurden kann ich keine Rechnung über Abrechenbare Kosten stellen, kann leider nur meine bis dahin erbrachten 151 Stunden (aus meinem „Timer“ auflisten). Wie kann ich diese Leistungen abrechnen so dass, wenn die ehemaligen Bauherren nicht bezahlen, ich diese eventuell auch einklagen kann.
    Für einen Lösungsweg wäre ich dankbar und verbleibe

    vielen Dank im voraus und mit freundlichen Grüßen
    Jürgen Schneider

    Antworten

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