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Nur wer plant, wird befreit?

Architekten, die nicht in Architekturbüros arbeiten, werden oft nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Das hängt von der genauen Tätigkeit ab.

01.02.20187 Min. 2 Kommentar schreiben

Von Florian Hartmann

Wer in letzter Zeit als angestellte Architektin oder angestellter Architekt die Stelle gewechselt hat, wird es möglicherweise am eigenen Leib erfahren haben. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) prüft deutlich strenger als in der Vergangenheit, ob der Stellenwechsler weiterhin von der Versicherungspflicht befreit wird­. Im Fokus der DRV stehen dabei die angestellten Berufsangehörigen, die – so die Sprache der DRV – einer sogenannten „nicht klassischen“ Tätigkeit nachgehen­. Damit meint sie Personen, die nicht in einem Architekturbüro arbeiten, sondern beispielsweise bei einer Bauaufsichtsbehörde als Innenarchitekten, bei einer Messegesellschaft oder als Immobiliensachverständige bei einer Sparkasse­.

Lehnt die DRV den Befreiungsantrag ab, kann der Betroffene Widerspruch einlegen und in einem weiteren Schritt die Sozialgerichte anrufen­. Aktuell sind insbesondere drei Entscheidungen von Landessozialgerichten (LSG) ergangen, die (potenzielle) Stellenwechsler und Arbeitgeber kennen sollten. ­Die in diesen Fällen ebenfalls zu beachtende Entscheidung des LSG NRW zur Befreiungsfähigkeit einer Landschaftsarchitektin wurde hier bereits besprochen (siehe „Befreiendes zur Befreiung“)­.

Keine Befreiung als Energieberater

Ein nicht rechtskräftiges Urteil mit möglicherweise weitreichenden Folgen für den Berufsstand hat das LSG NRW zur Befreiungsfähigkeit eines „Energieberaters“ gesprochen (LSG NRW Urteil vom 19.05.2017, Az­.: L 14 R 1109/14). Nach Auffassung des Gerichts hat ein Energieberater, der „lediglich“ energetisch beratend im Sinne des §1 Abs. 1 und Abs. 5 Baukammerngesetz NRW (BauKaG NRW) tätig ist, keinen Anspruch auf Befreiung von der Mitgliedschaft in der DRV­. Er übe keine „hinreichend berufsspezifischen Tätigkeiten wie ein Architekt aus.“­ Berufsspezifisch tätig und damit befreiungsfähig sei nur derjenige, dessen Tätigkeit dem „Kernbereich der Tätigkeit eines Architekten“ zuzuordnen sei­. Das sei nur dann der Fall,  wenn die Tätigkeit einen „Querschnitt der wesentlichen Aufgabenbereiche“ des Ÿ§1 BauKaG NRW umfasse­. Dabei gäbe der „planende Aspekt, die Bauwerksausführung und Bauüberwachung“ der Architektentätigkeit ihr „Gepräge“­. Wer diese prägenden Elemente in seiner Stellenbeschreibung nicht vorweisen könne, arbeite nicht als Architekt­. Eine Befreiung sei ausgeschlossen­.

Sollte diese Rechtsprechung Bestand haben, steht zu befürchten, dass diese zunächst nur für Nordrhein-Westfalen geltende Sichtweise auch auf andere Bundesländer übertragen wird und sich der Grundsatz durchsetzt: Nur wer plant, ist berufsspezifisch als Architekt tätig und kann sich von der Versicherungspflicht in der DRV befreien lassen. Alle diejenigen, die nicht planen – etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörden oder Sachverständige – müssten in die DRV­. Das kann nicht richtig sein! Folgerichtig unterstützen die Architektenkammer NRW und ihr Versorgungswerk die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) in dieser Sache, um eine Überprüfung der Entscheidung herbeizuführen. Es ist zu hoŒffen, dass das BSG erkennt: Architekt ist jeder, der Berufsaufgaben nach dem Baukammern- beziehungsweise Architektengesetz erfüllt­.

Befreiung als Immobiliengutachterin

Positiv für den Berufsstand ist hingegen eine Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.2017, Az­.: L 11 R 2694/16)­. Das Gericht hat festgehalten: „Eine Architektin, die bei einer Sparkasse als Wertgutachterin für Immobilien abhängig beschäftigt ist, hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sie als Mitglied der Architektenkammer Baden-Württemberg Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Architektenkammer ist­“. Dieses Urteil steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zur vorgenannten Entscheidung. Im Unterschied zum Energieberater konnte die Wertgutachterin darlegen und beweisen, dass sie nicht „nur“ als Sachverständige arbeitet, sondern auch betraut ist „mit der bautechnischen Beurteilung von Gebäuden und Sachverhalten der Prüfung von Kostenberechnungen, Baukostenanalysen, Erstellung von Planunterlagen für Gebäude, fürdie keine Planunterlagen vorhanden sind, und (perspektivisch) der Koordination der hausinternen Bauvorhaben“. Die Gutachterin erfüllt also, um in der Sprache des LSG NRW zu bleiben, einen „Querschnitt“ der Berufsaufgaben einer Architektin. Vor diesem Hintergrund kann jedem Architekten, der von der DRV befreit werden möchte, nur geratenwerden, seine Tätigkeit intensiv daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht planende Elemente im Sinne des ’“”§1 BauKaG NRW oder der übrigen Ländergesetze enthält.

Einmal befreit, immer befreit?

Honig saugen kann man schließlich aus einem anderen Urteil des LSG NRW (Urteil vom 14.03.2017, Az.: ›L 18 ”œR 852/16). Die Richter haben entschieden, dass die Formulierung eines Befreiungsbescheids aus dem Jahr” 1995 so zu verstehen sei, dass die seinerzeit ausgesprochene Befreiung auch bei einem Tätigkeitswechsel gilt, also in dieser besonderen Fallgestaltung vom Grundsatz: „Einmal befreit, immer befreit“ auszugehen sei. Auch diese Entscheidung ist positiv für den Berufsstand! Wer sich auf dieses Urteil berufen möchte, sollte aber zunächst prüfen, ob die Formulierung seines Befreiungsbescheides mit der Formulierung im Urteil übereinstimmt. Zudem hat das LSGNRW in dieser Sache ausdrücklich die Revision zum BSG zugelassen. Von dieser Möglichkeit hat die DRV dem Vernehmen nach schon Gebrauch gemacht, sodass abzuwarten ist, wie die Bundesrichter den Fall beurteilen.

Stärkung der freien Berufe

Auch wenn Architektinnen und Architekten, unterstützt von ihren Kammern und derenVersorgungswerken, Erfolge vor den (Landes-)Sozialgerichten erzielen (siehe hier), bleibt die Situation unbefriedigend. Es kann nicht sein, dass die DRV oder die Sozialgerichte entscheiden, wer Architekt ist und wer nicht. Deshalb hat die Bundesarchitektenkammer eine Projektgruppe gegründet, die unter Leitung von Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW und Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerkes der Kammer, Vorschläge erarbeitet hat, wie das Befreiungsrecht imSinne des Berufsstandes reformiert werden sollte. Ein Erfolg auf NRW-Landesebene ist bereits gelungen. So haben CDU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag wörtlich festgehalten›: „Wir wollen die freien Berufe in unserem Land weiter stärken. Ihre Selbstverwaltungsstrukturen und ihre Versorgungswerke haben sich bewährt und wirkenstabilisierend. Einer Aufweichung dieser Strukturen treten wir daher genauso entgegen wie einer Absenkung der hohen Ausbildungsstandards“.

Dr. Florian Hartmann ist Geschäftsführer und Justiziar der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen


TIPP

Stellenwechsel richtig angehen!

Wer als angestellter Architekt die Stelle wechseln möchte, ist gut beraten, Folgendes zu beachten: Im Befreiungsverfahren verlangt die DRV, zumindest wenn der Arbeitgeber kein Architekturbüro ist, die Vorlage des Arbeitsvertrages, einer Stellen- und Funktionsbeschreibung sowie, falls vorhanden, der Stellenausschreibung. Im Arbeitsvertrag fordert die DRV in der Regel, dass der Stellenwechsler ausdrücklich als „Architekt“ angestellt ist. In der Stellen- und Funktionsbeschreibung ist die Tätigkeit des Betreffenden anhand der Berufsaufgaben des jeweils einschlägigen Architekten- oder Baukammerngesetzes – etwa § 1 BauKaG NRW – und, weil die DRV das regelmäßig gerne so hätte, ergänzend anhand der Leistungsphasen der HOAI detailliert darzustellen. Hilfreich kann es auch sein, auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 13. Dezember 2018 hinzuweisen, wonach es nicht darauf ankommen darf, ob man in einem vermeintlichen „Randbereich“ tätig ist. Insgesamt gilt: Je ausführlicher die Tätigkeit beschrieben wird und je vollständiger die eingereichten Unterlagen von Anfang an sind, desto größer sind die Chancen auf eine Befreiung. Stellenwechsler sollten deshalb sehr frühzeitig mit ihrem neuen Arbeitgeber klären, ob die sozialrechtlichen Anforderungen, auch wie sie die DRV stellt, erfüllt werden können. Beratung auf dem Weg zur Befreiung können Mitglieder bei ihrer jeweiligen Architektenkammer und ihrem Versorgungswerk erhalten. Gesagt sei aber auch noch einmal: (Noch) völlig unproblematisch ist der Stellenwechsel von einem Architekturbüro in ein anderes oder etwa von einer Stadtverwaltung in ein Architekturbüro. Im Fokus der DRV stehen „nur“ diejenigen Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten oder Stadtplaner, die, wie es die DRV nennt, „nicht klassisch“ beschäftigt sind, also außerhalb eines Architekturbüros angestellt sind.


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2 Gedanken zu „Nur wer plant, wird befreit?

  1. Zum Thema Rentenversicherung bzw. in unserem Fall „Versorgungswerk“ möchte ich hier einmal auf das letzte Schreiben des Versorgungswerkes (NRW) hinweisen, über dessen Inhalt sich anscheinend bisher niemand außer mir geärgert hat!

    Im Zuge der neuen Beitragsbemessungsregelungen hat nun, ebenso wie die gesetzlichen Krankenkassen, auch unser Versorgungswerk die vorläufige Beitragsfestsetzung ab dem 01.01.2018 umgesetzt. D.h. wer mehr verdient zahlt nach der nächsten Steuerfestsetzung ggfs. auch zu wenig gezahlte Beiträge nach! Diese Regulierung mag ja noch einigermaßen fair erscheinen, auch wenn es für die große Anzahl an kleineren Büros bedeutet, vorausschauender zu planen. Was mich jedoch besonders ärgert ist die Tatsache, dass das Versorgungswerk nicht wie die gesetzlichen Krankenkassen, zu viel gezahlte Beiträge im Falle eines schlechteren Jahres auf Antrag zurückerstattet, sondern im Fall der Fälle dies erst bei einem Minderverdienst von mindestens 15%!!!
    Dies kann schnell zu einem Vorbehalt von mehreren Hundert Euro führen und bestraft im Grunde denjenigen, der sowieso schon weniger verdient hat.

    Antworten
  2. Sehr geehrter Herr Gnida,

    gestatten Sie, das ich Ihre kritische Anmerkung zum neuen Beitragserhebungsverfahren richtig stelle: Die Erstattung von überzahlten Beiträgen ist nicht an die Höhe eines etwaigen Minderverdiensts gebunden. Den relevanten Sachverhalt regelt § 27 Abs. 6 der Satzung des Versorgungswerks der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Dort heißt es: „Eine Erstattung von überzahlten Versorgungsabgaben ist auf schriftlichen Antrag des Mitglieds innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der Abrechnung möglich. Nach Fristablauf gelten Überzahlungen als zusätzliche Versorgungsabgaben nach § 24.“

    Die Versicherten bekommen Überzahlungen vom Versorgungswerk also selbstverständlich zurück, wenn sie das wünschen. Wer das nicht möchte hat keinen Nachteil, weil die entrichteten Versorgungsabgaben dann auf dem individuellen Versorgungskonto verbleiben und die eigenen Rentenanwartschaften entsprechend verbessern.

    Es grüßt,

    Jörg Wessels

    Antworten

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