Institutionen in Platznot erweitern immer häufiger unter der Erde. Ob diese Räume angenommen werden, hängt vor allem davon ab, wie Tages- und Kunstlicht in die neuen Tiefen dringen. Ein besonderer Ausbau gelang nun unter dem Mannheimer Schloss.
Weitläufig ist das 1720 begonnene Mannheimer Schloss am Rande der Quadrate-Stadt – nach Versailles die größte Residenz Europas. Doch an den langen Fluren seiner vielen Flügel reihen sich nur schmale Gemächer aneinander. Die Universität, die hier seit dem Krieg residiert, nutzt sie für Verwaltung, Bibliothek und Seminarbetrieb. Allein: Hörsäle waren im barocken Raster nicht unterzubringen, Anbauten unterband der Denkmalschutz. Die akute Raumnot schlug sich zuletzt sogar im Ranking der angesehenen Institution nieder.
Das Renommee der Mannheim Business School, einer Ausgründung der Universität für die Weiterbildung von Managern, litt offenbar besonders. Deren Leitung verfiel auf die ungewöhnliche Idee, statt des erwogenen Neubaus an anderer Stelle den leer stehenden Kohlenkeller des Schlosses zu nutzen, der zum Teil unter der Mensawiese des Westflügels lag. Inspirierend wirkte dabei der Annex des Städel Museums im nahen Frankfurt, den schneider+schumacher 2012 unter dessen Garten realisiert hatten. So lud man die Architekten mit drei weiteren Büros 2013 zum Verhandlungsverfahren für den 9-Millionen-Bau, den die Business School im Gegenzug für 20 Jahre Nutzungsrecht allein finanzierte. Als erprobte „Maulwürfe“ bekamen sie den Zuschlag.
Michael Schumacher fand „einen düsteren, heruntergekommenen, großen Kellerraum“ vor und fragte sich, ob die diskutierte Oberlichtlösung auch in diesem Fall die sinnvollste wäre: „Können unterirdische Hörsäle, die dazugehörigen Foyers und die zehn geforderten Gruppenarbeitsräume angenehm sein, wenn zwar Tageslicht von oben einfällt, aber kein direkter Ausblick vorhanden ist?“ Tatsächlich sind Aufenthaltsräume in Kellern oft nicht nur für Klaustrophobiker eine Zumutung. Es galt also, den Park mit einzubeziehen. Einen Lichtschacht nach Art eines großen seitlichen „Spatenstichs“ am Schloss verwarf der Denkmalschutz. Am Ende stand die breite geschwungene Glasfassade, die mit einer Modellierung der Wiese korrespondiert. Innerhalb des rechteckigen Baufelds, das, wie einst der Keller, zum Großteil nicht unter, sondern vor der Schlossfassade liegt, entfaltet sich so eine Collage unterschiedlicher Räume mit Blick in den Park.
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Ausblick ins Grüne
Im neuen Studien- und Konferenzzentrum, das den alten Kohlenkeller ersetzt, sind nun der Außenraum und seine Lichtstimmungen stets präsent. Spannungsvoll entwickelt sich die Abfolge von weitem, lichtem Entree im Erdgeschoss des Schlosses über die enger werdende Treppe zum sich wieder weitenden Foyer im Untergeschoss. Hier bilden Park und angrenzender Schlossflügel das Panorama, und man ahnt sogar die Weite des nahen Rheinufers, das hier nur etliche Straßen und Gleise blockieren. Sogar in den zwei Hörsälen ist dieser Horizont präsent: Eine breite Glasfuge trennt die Einbauten vom alles überspannenden Betontisch, sodass der Zusammenhang der Räume deutlich wird.
Erdgeschoss mit Foyer und Treppe hinab zum Studien- und Konferenzzentrum
Diese Raum-Collage ist so skulptural arrangiert, dass der Architekt zu Recht von einem
Stück Land Art spricht. Da das Studienprogramm Vorlesungen und Gruppenarbeit kombiniert, liegen die dazugehörigen Räume nah beieinander. Im Grundriss sind die Funktionen auf drei Ebenen labyrinthisch eng verwoben – für agile Jungdynamiker reizvoll, Rollstuhlfahrer werden damit Mühe haben. Geschickt fügen sich Nebenräume zwischen Quader und Zylinder, dem barocken Genius Loci mit seinen ausgehöhlten Bauchungen und Stülpungen durchaus wesensverwandt.
Form und Finish sind ganz und gar zeitgenössisch: Lackierte Möbelbauplatten und horizontale Lamellenwände bilden klare Kanten unter einem dünn verputzten weißen „Himmel“, der sich nur über den Sälen zur Kuppel aufwölbt. Einzig die vom oberen Foyer in die Tiefe führende Wand ist in traditionell samtenem Stucco lustro ausgebildet, weil dieser schmutzabweisender ist und einfach „wertig“ aussieht, wie Projektleiterin Meike Jung betont. Schade, dass dieses Foyer auch eine Box mit Nebenräumen aufnehmen musste, so edel reduziert ihr Design ist. Dies raubt dem Raum unterm fein restaurierten Gewölbe Ausgewogenheit wie Aura. Garderoben und Klos hätten nun wirklich in den Keller gepasst.
Der schwarze Gang führt zum Aufzug, der rote in einen der zwei Hörsäle.
Die Hörsäle, fast so steil wie in der Anatomie-Lehre, fokussieren die Aufmerksamkeit ganz auf Vortragende und Tafel respektive Whiteboard. Mit jeweils 60 Plätzen intim im Maßstab, bekommen sie durch das intensive Rot von Teppich, Wandbespannung und Möblierung eine Stimmung, die Schumacher als Gegenpol zum Grün der äußeren Kulisse versteht. Erhöhte Aufmerksamkeit der Anwesenden (und der Medien) dürfte die erwünschte Wirkung dieses krassen Totaltheaters sein. Ob sie sich im Laufe der Zeit abnutzt? Dass die Debatten hier enthemmter, emotionaler, gar aggressiv gerieten, wurde bislang nicht berichtet. Es geht in dem Rund ja auch um so „kühle“ Themen wie Buchführung, Steuern und Marketing.
Ein Raum sieht rot
Die für konzentriertes Arbeiten erforderlichen 500 Lux werden trotz Rot erreicht, indem tageslichtfarbene LED-Strahler indirekt die weiße Kuppel erhellen. Das gleichmäßige, weiche Kunstlicht minimiert Reflexe auf Bildschirmen – Spiegelungen, wie sie in den Glaswänden erwünscht sind. Hier mischen sich Rot- und Grüntöne je nach Standort des Betrachters und erzeugen eine Illusion von Weite. Mit nicht einmal 900 Quadratmetern ist das unterirdische Zentrum nämlich überschaubar.
Für die Grundhelligkeit in den übrigen Räumen sorgen kleine, in die Decke eingelassene
Strahler. Foyer und Mehrzweckraum, von weißen Lamellenwänden gerahmt, erhellt ein fast weißer Terrazzo-Boden zusätzlich. Total schwarz ausgekleidet ist dagegen der in den Untergrund des Altbaus führende Gang zum Lift. Dies ist wahrlich ein Ort der Kontraste, geradezu ein architektonischer Muntermacher.
Vor der Glasfront zum Schlossgarten befinden sich ein offener Versammlungsbereich ...
Die sichelförmige Glasfassade, die von einem schmalen Vordach aus Weißbeton geschützt wird, lässt sich im Übrigen nicht verschatten oder abdunkeln; auch Öffnungen gibt es nur für Fluchtwege und Rauchabzug im Brandfall. So verlockend präsent das Grün ist, betreten sollen es die Kursteilnehmer nicht. Hingegen hindert niemand die neugierigen Passanten daran, den „lachenden Mund“ der Glasfassade in Augenschein zu nehmen, sich auf dem abfallenden Rund davor niederzulassen oder die von den Kuppeln herausgedrückten Buckel im Gras zu besteigen. Man ist halt mittendrin im Uni-Betrieb – und doch für sich in der Höhle.
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